Bäume, die Geschichte erzählen

Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist das Rittergut  Wildshausen zwischen Oeventrop und Freienohl im Besitz der Familie Cosack, die das Gut mit Umsicht und Weitblick ins nächste Jahrtausend führt. Das Rittergut blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, von der die Bäume ihr stummes Zeugnis ablegen. 

Das Rittergut Wildshausen erstreckt sich malerisch entlang des Ruhrufers am Fuße des Lattenbergs. Rechts der Birkenallee zum ehemaligen Haupthof äst gelassen eine Gruppe Damwild im Schatten der alten Eichen, die das kleine Überbleibsel eines Hirschparks sind, der einst mehrere 1.000 Quadratmeter groß war. Seit 250 Jahren sind diese Eichen hier verwurzelt. Junge Hüpfer im Vergleich zur Hofstelle, die 1248 erstmals urkundlich erwähnt wurde, verrät Tarquin Cosack, Vertreter der sechsten Generation der Familie Cosack, die das Rittergut seit 1888 in Familienbesitz hält.  

“Die Anfänge des Hofes gehen fast 800 Jahre zurück, auf die sog. ‚Curtis Wildshusen’, also den Haupthof zu Wildshausen. In der betreffenden Urkunde des Gerichts zu Eversberg aus dem Jahr 1248 geht es um Dinge wie die Verteilung von Holzanrechten, Eichelmast oder Anzahl der Feuerholzklafter”, weiß Cosak, Chef und Gründer der familiengeführten Sattlerei. Der Haupthof war dem Grafen von Arnsberg unterworfen, außerdem waren ihm mehrere Lehenshöfe untergeordnet. Auch Gericht wurde hier gehalten. Der Besitzer des Hofes durfte Urteile sprechen, sofern bei den verhängten Strafen kein Blut vergossen wurde. Darüber hinaus war „alles von Abtrennung des kleinen Fingers bis zur Todesstrafe“ der Gerichtsbarkeit der Grafen von Arnsberg vorbehalten. 

Zeitlos – die Hirsche am Tor zum Rittergut.

Von der Mottenburg zum Rittergut 

Im Jahre 1368 besiegelte Graf Gottfried IV, letzter und kinderloser Graf von Arnsberg, eine Überlassungsurkunde, in der er seinen gesamten weltlichen Besitz an den Erzbischof von Köln verkaufte, den Haupthof in Wildshausen inklusive. Dazu gehörte auch eine sogenannte „Mottenburg“ der Grafen zu Arnsberg, eine hölzerne Turmhügelburg, die den Grafen als Domizil während ihrer Jagdausflüge diente. Diese Wasserburg ist nur noch als Bodendenkmal erhalten, und auch der Haupthof musste zwischenzeitlich unfreiwillig seinen Standort ändern: Für das Jahr 1315 wurde zwischen April und November nahezu ununterbrochener Dauerregen dokumentiert, so Cosack. Der Anstieg des Ruhrpegels führte zur Zerstörung des ursprünglichen Haupthofs, der dann später auf einer höher gelegenen Felsnase neu angelegt wurde.  

1501 wurde der Haupthof in den Stand des Rittersitzes erhoben. Dahinter steckten wohl politische Motive, Lehensnehmer war zu dieser Zeit Josef von Padberg zum Neuen Haus. Um in Westfalen politisches Mitspracherecht ausüben zu können, musste man einem Rittergut vorstehen, und so wurde der Hof zum Rittersitz.  Im Jahre 1646, also rund 150 Jahre später und zwei Jahre vor Ende des 30-jährigen Krieges, zog eine 5.000 Mann starke Einheit der Schweden durch den Arnsberger Wald mit Kurs auf den Schlossberg. Die Soldaten lagerten an den Ruhrwiesen und plünderten und brandschatzen die umliegenden Höfe, auch das Rittergut blieb nicht verschont. 

Der Rittersitz wird bürgerlich 

Etwa aus dieser Zeit, zwischen 1501 und 1646, stammt die geradezu majestätische Rotbuche im Garten der Cosacks. Seit geschätzten 400 Jahren bezeugt sie stumm die Geschicke in der Dinscheder Mark. Die ausladenden Äste reichen fast bis zum Boden, in ihrer Breite können sie sich mit den gut 35 Metern Kronenhöhe messen. Der knorrige Stamm mit einem Umfang von über fünf Metern scheint den Betrachter unter dem dichten Blätterdach in eine andere Welt entführen zu wollen.  

“Den vorerst jüngsten Meilenstein verzeichnet das geschichtsträchtige Gut 1806”, berichtet der gelernte Sattler und passionierte Reiter Tarquin Cosack. “Im Zuge der Säkularisation wurde das Rittergut erstmals ans Bürgertum verkauft und kam dann 1888 in den Besitz der Familie. Ungefähr zu dieser Zeit ist die fünffingrige Linde in die Nachbarschaft der Rotbuche gepflanzt worden und hatte die letzten eineinhalb Jahrhunderte Zeit, zu einem sehenswerten Familienmitglied heranzuwachsen.” 

So traditionsbewusst wie vorausschauend 

Bei aller Tradition finden sich auch zahlreiche Hinweise auf vorausschauendes Handeln, und zwar schon bei den Altvorderen. So hat zum Beispiel der Urgroßvater des Tarquin Cosak bereits in den 1950er Jahren mit verschiedenen Baumarten experimentiert, um herauszufinden, welche Bäume sich alternativ zum vorhandenen Bestand gut für die heimischen Bedingungen eignen. Darum steht zwischen Eichen und Buchen auch die ein oder andere Sumpf-Zypresse, eine Unterart des Mammutbaums.