Bäuchlings, mit dem Kopf nach vorn

Quelle: Hannah Neise

Schmallenbergerin Hannah Neise kämpft im Skeleton-Weltcup um Punkte

„Vor acht Jahren wusste ich gar nicht, was Skeleton ist“, lacht Hannah Neise. Heute fährt sie im Deutschen Weltcup-Team und gehört somit zu den Top-Athleten weltweit. Der beeindruckende sportliche Werdegang der 20-jährigen Schmallenbergerin ist in einem Wikipedia-Eintrag im WorldWideWeb aufgelistet. Titel und Medaillen bei Deutschen Meisterschaften, Skeleton-Junioren-Weltmeisterschaften, Olympischen Jugend-Winterspielen oder Intercontinental-Cups zeigen einmal mehr, welches Talent in Hannah Neise geweckt wurde.

Foto: Heidi Bücker

Mit einem harmlosen Sichtungslehrgang fing 2012 alles an. „Ich hatte die Chance – damals war ich noch auf der Realschule in Bad Fredeburg –, eine Schnupperfahrt im Winterberger Eiskanal zu machen. Bäuchlings, mit dem Kopf nach vorne auf dem Skeleton-Schlitten ein kleines Stück die Bahn runterfahren“, erinnert sich die Sportlerin. Es gefiel ihr, also folgten Trainings und immer schneller werdende Abfahrten. „Eigentlich kann ich Geschwindigkeit, zum Beispiel als Beifahrerin im Auto, gar nicht vertragen. Aber im Eiskanal empfinde ich das nicht. Je schneller, desto besser“, erzählt Hannah Neise.

Anfangs hatte sie dreimal pro Woche Training, ohne an größere Erfolge und Ziele zu denken. Es hat ihr einfach Spaß gemacht, es war lediglich eine Sportart für sie. Bei den ersten Siegen in ihrer Karriere dachte sie noch: Glück gehabt, gut gelaufen. Heute weiß sie, dass nicht allein ihr großes Talent für die Siege und entsprechenden Spitzenzeiten verantwortlich ist. Eine ordentliche Portion Fleiß, Ausdauer und Willen kommt zum heute t.glichen Training hinzu. „Witziger Weise kann ich noch so viel Stress haben, wenn es losgeht und ich auf dem Skeleton liege, bin ich echt entspannt. Und in diesem Jahr setze ich mich zum ersten Mal nicht selber unter Druck, das hält den Kopf frei“, gibt die sympathische Pilotin zu.

Je schneller, desto besser

Das Wichtigste sind der Start, das Anschieben und schließlich das Aufspringen. Es sieht so einfach aus, aber die Technik des Anschiebens ist sehr anspruchsvoll, berichtet Hannah Neise. Dazu kommt das Fahren im Eiskanal: „Du musst die Bahn mehr spüren als sehen. Mit Kopf und Körper lenken, diagonal verlagern, um die Idealfahrlinie zu halten. Fehler werden sofort bestraft, wenn du an der Bande anschlägst oder im schlimmsten Fall umkippst, dann ist dein Fahrergebnis entsprechend schlecht.“ Ernsthaft verletzt hat sie sich aber noch nie – abgesehen von ein paar blauen Flecken.

„Du musst die Bahn mehr spüren als sehen.“

Hannah Neise

Ihren größten Erfolg „erfährt“ sie jetzt. Mit der Qualifikation zum Deutschen Weltcup-Team ist sie erstmals ganz oben mit am Start. Direkt im Anschluss an unser Interview startete die Skeleton-Pilotin, mit einem zwölfköpfigen Team aus Coaches, Physiotherapeuten, Betreuern und weiteren Skeleton-Sportlern, durch. Nämlich mit dem Flieger nach Sigulda (Lettland). Hier finden die ersten Rennen statt. Mit Spannung erwarten wir das Ergebnis ihres ersten Rennens:

Ein überragender Auftakt: Am 20.11.2020 fuhr Hannah Neise beim ersten Lauf als Beste deutsche Skeleton-Pilotin ins Ziel. Beim zweiten Lauf konnte sie ihr Potential nicht ganz ausfahren und ihre Spitzenzeit nicht halten. Alles in allem eine starke Leistung für ihr Weltcup-Debüt. Es bleibt spannend, wie sich die junge Sportlerin im Kreise der erfahrenen internationalen Konkurrenz in diesem Weltcup behaupten kann.

Es folgen mehrere Rennen im Dezember 2020. Stimmen danach ihre Zeiten im Eiskanal und das Punktekonto, hat sie sich für die Rennen im Januar 2021 weiter qualifiziert. So kann es durchaus sein, dass Hannah Neise am 12. März 2021 zum finalen Start in Peking (China) antritt, dann steht am Ende dieser Rennserie fest, wer den Weltcup-Titel mit nach Hause bringt. Den Weltmeister-Titel fährt die Skeleton-Elite allerdings bereits Anfang Februar 2021 aus. Aber über einen eventuellen Titelgewinn möchte sie gar nicht so gerne sprechen: „Ich gebe mein Bestes und dann sehen wir, wie es wird.“

Alle Rennen können im Live-Stream www.ibsf.org verfolgt werden.

„Ich bin sehr froh, dass meine ganze Familie und meine Freunde meine Rennen live sehen können. Egal, wo ich bin. Das spornt mich an, denn ich weiß, sie sind doch irgendwie bei mir“, freut sich die Spitzensportlerin Hannah Neise. Abgesehen davon, dass sie erstmals die Chance hat, den Weltmeister sowie Weltcuptitel zu „erfahren“, hat die Schmallenbergerin zusätzlich die Qualifikation, bei der Juniorenweltmeisterschaft anzutreten. Das Rennen der Junioren findet am 23. Januar 2021 in St. Moritz statt.

Und was ist nach den ganzen Titel-Kämpfen? „Ich habe in diesem Jahr mein Abitur bestanden und mache seit August 2020 eine Ausbildung zur Polizei- Meisterin bei der Bundespolizei“, berichtet die Skeleton-Pilotin. Die Bundespolizei bietet für herausragende Athleten die Möglichkeit, Sport und Beruf miteinander zu vereinbaren. Die zeitlich gestreckte Polizeiausbildung gewährleistet genügend Freiraum, damit sich Sportler wie Hannah Neise auf ihr Training und ihre Wettbewerbe konzentrieren können. „Meine duale Ausbildung bei der Bundespolizei ermöglicht mir, dass ich meinen Sport zu 100 Prozent ausüben kann. In der Hauptsaison sind wir Spitzensportler freigestellt. Zudem ist die Bundespolizei mein größter Sponsor“, freut sich Hannah Neise.

Wir drücken der Spitzensportlerin und ihrem ganzen Team die Daumen. Den Live-Stream werden wir verfolgen, wie hoffentlich viele Schmallenberger und Winterberger Fans.

Dieser Beitrag erschien in der Winterausgabe 2020 des WOLL-Magazins Schmallenberg-Eslohe. Das WOLL-Magazin könnt ihr im Zeitschriftenstand oder im WOLL-Onlineshop https://woll-onlineshop.de/woll-magazin/ erhalten.