Autodidakt Josef Georg Pollmann und sein Wissensdrang

Manche Menschen gehören einfach zum Stadtbild. Der Neheimer Josef Georg Pollmann ist so einer. Dass er sympathisch und bescheiden ist, wissen auch die, die ihn nur flüchtig kennen. Wer sich allerdings etwas länger mit ihm unterhält, ist verblüfft, wieviel Wissendrang in ihm steckt. 

Wissenschaftler oder Forscher, die ihren Lebensunterhalt nicht aus diesen Tätigkeiten bestreiten mussten, hat es immer schon gegeben. Ab dem 19. Jahrhundert wurden solche unabhängigen Forscher „Privatgelehrte“ genannt. Die Privatgelehrten konnten sich in der Regel ein freies, ungebundenes Leben leisten, sie waren begütert und mussten sich nicht um ihren Lebensunterhalt kümmern. Heute arbeiten die meisten Wissenschaftler und Forscher an Hochschulen oder Forschungsinstituten, also mit institutioneller Unterstützung zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts. 

Josef Georg Pollmann ist weder „begütert“ noch kann er auf eine akademische Ausbildung zurückgreifen. Er ist Arbeiter, wie sein Vater vor ihm, er hat sich sein Wissen ausschließlich selbst angeeignet, ohne institutionelle Unterstützung, und er ist ein bescheidener, sympathischer Mitmensch, der seine Leistungen und Forschungsergebnisse lieber herunterspielt und jeden Geschichts-, Architektur- und Umwelt-Interessierten zunächst einmal verblüfft. 

Woher weiß der das alles? 

„Ich lese natürlich gern und viel, und was ich in Büchern nicht finden kann, erkunde ich selbst. So einfach ist das.“ Los ging es mit der eigenen Familiengeschichte. Die Pollmanns können ihre ostwestfälischen Vorfahren bis zum 30-jährigen Krieg zurückverfolgen. Erst um 1900 siedelten sie sich im Sauerland an. Überwiegend waren sie Landarbeiter, Kleinbauern und später Industriearbeiter. Die Familiengeschichte führt zu den eigenen Wurzeln, verbindet unsere Vergangenheit mit der Gegenwart und schenkt uns Identität. Über die Ahnenforschung in eigener Sache gelangte Pollmann zur Lokalgeschichte: „Beim Joggen und wandern stieß ich immer wieder auf Kreuze, die am Wege stehen, da wollte ich einfach mehr wissen, warum, weshalb, wieso dieses Kreuz genau hier stand“. Seine diesbezüglichen Fragen an in der Nähe wohnende Bürger wurden genau und ausführlich beantwortet. Daraus erstand ein 260 Seiten umfassendes Kompendium unter dem gleichen Namen „Kreuze, die am Wege stehen“, welches 1988 von der Verlagsgemeinschaft Franz Josef Molitor in Oeventrop herausgegeben wurde und viel Beachtung fand. Es sollte die erste von insgesamt über 100 weiteren Veröffentlichungen Pollmanns sein. 

Der Mensch dahinter 

Pollmann hatte die Lokalgeschichte für sich entdeckt, die ihn zur Architektur führte. Wie genau sahen die Bauernhäuser, die Gutshäuser, aber auch die kleinen Häuser der Arbeiter aus? Unzählige Dachstühle, Häuser und andere Bauten wurden vermessen. Die differenzierten und exakten Zeichnungen dazu fertigte Pollmann selbst an. Wer sonst? Unglaublich, welche Fertigkeiten sich ein Mensch selbst aneignen kann. 

Sein Interesse galt und gilt bis heute aber immer „dem Menschen dahinter“. Wie haben die Menschen gelebt? Was hat sie bewegt? Wie sind sie miteinander umgegangen? Seine Forschungsobjekte in Lokal- Regional- und sonstiger Geschichte suchte Pollmann nicht; sie ergaben sich von selbst: „Ich beschäftige mich mit den Sachen, die andere noch nicht gemacht haben, ob es nun um Kreuze, Sakralbauten, Scheunen oder einfach nur Auffälligkeiten geht.“ 

Die Perspektive wechseln 

Seit der Wiedervereinigung fasziniert Pollmann der Osten Deutschlands, auch über die Grenzen hinaus. Zwei Rundfahrten durch die Neuen Bundesländer brachten neue Perspektiven. Polen war schließlich das Land, das ihn besonders faszinierte: Historische Plätze, Dorfgeschichte, immer im Hinblick auf die Menschen, die dort gelebt haben, gerieten in den Mittelpunkt seines Interesses. Die Gemeinde Gmina Krzeszyce, südwestlich von Landsberg an der Warthe zeichnete ihn aus für seine Arbeiten zur Gemeindegeschichte. Das deutsch-polnische Miteinander fand in Pollmann einen neuen leidenschaftlichen Verfechter. 

Es geht nur miteinander 

Neben seinen geschichtlichen Arbeiten findet Pollmann noch Zeit für den Umwelt- und Naturschutz, der ihm sehr am Herzen liegt: Jede Raupe wird gerettet, jeder Schmetterling behütet, was er mit vielen wunderschönen, selbst erstellten Fotos und als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft biologischer Umweltschutz belegen kann.  

Auf seine herausragenden Beobachtungen, Veröffentlichen und Studien angesprochen, erklärt Pollmann: „Es geht alles nur miteinander. Ohne Mentoren hätte ich nicht so viel erarbeiten können. Für alle meine Unterstützer möchte ich exemplarisch einen benennen: Zbigniew Czarnuch, meinen polnischen Mentor, der meine Arbeiten in Polen unermüdlich fördert und unterstützt.“  

Eigentlich zwangsläufig und irgendwie selbstverständlich hat Pollmann inzwischen als Autodidakt so viel polnisch gelernt, dass er sich unterhalten  und polnische Texte lesen kann. 

Ein wirklich guter Geschichts- und Architektur-Experte, ein Umweltschützer, aber in erster Linie ein aufrichtiger Menschenfreund, so könnte man Josef Georg Pollmann wohl am besten beschreiben.