
Quelle: Naturschutzverein miS
Im aktuellen Mitgliederbrief informiert der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg e.V. über den aktuellen Stand zum Thema Windkraft im Schmallenberger Sauerland.
Was wurde geplant (Ausgangslage):
Die Bundesregierung beschließt im Jahr 2023 verpflichtende Flächenziele von ~2% je Bundesland, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen. NRW muss demnach 1,8% seiner Fläche bis zum Ende des Jahres 2032 als Windenergie-Fläche ausgewiesen haben. Die schwarz-grüne Landesregierung hat dafür den Landesentwicklungsplan (LEP) geändert und verbindliche Flächenziele für die sechs Planungsregionen/Bezirksregierungen festgelegt. Die Bezirksregierung Arnsberg hat einen Flächenbeitragswert von 13.186 Hektar zu erbringen.
Im Juni 2023 wurde der Entwurf zur Änderung des LEP von der Landesregierung vorgelegt und die Bezirksregierung Arnsberg hat das Flächenziel mit dem Entwurf des Regionalplanes vollständig umgesetzt. Über §36.3 (LPiG) des LEP sollte den Planungen der Bezirksregierungen Rechtssicherheit in Bezug auf weitere Planungen außerhalb der von den Regionalplänen ausgewiesenen Flächen gegeben werden. Konkret sehen die Planungen des Regionalplans für unsere Region so aus:

Was hat alles geändert?
Am 26.09.2024 entscheidet das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Eilverfahren für einen Einzelfall, dass die aufschiebende Wirkung der Regionalplanung (über §36.3 LPiG), für Planvorhaben außerhalb der Regionalplanung, voraussichtlich gegen Bundesrecht verstößt!
Was sind die möglichen Konsequenzen für uns in der Region?
Die Projektierer werden nach Meinung der Umwelt- und Naturschützer bestrebt sein, den OVG-Richterspruch auf weitere Planvorhaben zu übertragen. Da der Spruch eines Oberverwaltungsgerichtes in einem Bundesland quasi Gesetzeskraft hat, wird dies vermutlich so umgesetzt werden. Dadurch können die Projektierer im nahezu rechtsfreien Raum agieren, d.h. sie können Windindustrieanlagen mit einer einfachen Absichtserklärung (es reicht im Grunde ein 3-Zeiler) beantragen, wo fast immer sie sich Flächen sichern können.
Der Regionalplan inkl. aller Rahmenbedingungen wie Abstandsgrenzen von mindestens 1000 m zur Wohnbebauung ist damit hinfällig. Abstandsgrenzen zur Wohnbebauung werden nur noch durch die TA-Lärm definiert. Das bedeutet übersetzt, Abstände von ~500m zur Wohnbebauung sind möglich! Ebenso sind alle anderen Ausschlusskriterien des Regionalplans wie touristisch wichtige Orte/Attraktionen, Wasserschutzgebiete oder Laubmischwälder damit hinfällig.
Die von dieser Bundesregierung vorgegebenen Flächenziele, die von den gewählten regionalen Volksvertretern aller Fraktionen im Land NRW und in der Bezirksregierung zeitgerecht und verantwortungsvoll umgesetzt wurden, sind ebenso hinfällig. Das bedeutet, mit dem Regionalplan wurde dem vorgegebenen Flächenziel der Bundesregierung Genüge getan, aber gleichzeitig verstößt dieser Regionalplan nach dem Urteil des OVG Münster dennoch gegen Bundesrecht. Wer soll das noch verstehen?
Der Verein für Umwelt- und Naturschutz im Sauerland e.V. fragt in diese Zusammenhang: Werden Gesetze und Vorgaben des Bundes bewusst so kompliziert und widersprüchlich gestaltet, dass am Ende die Rechtsprechung über ein ausgewiesen “windkraftfreundliches” OVG in Münster erfolgen muss? Das, was uns mit dieser Entscheidung drohen könnte, würde in Ergänzung zu den sowieso schon ausgewiesenen Flächen des Regionalplans ungefähr so aussehen:

Wie geht es weiter?
Nach Meinung des Vereins für Umwelt- und Natuschutz Schmallenberg e.V. wird es die Strategie der Projektierer sein, sich jetzt vor allem auf die Gebiete außerhalb des Regionalplanes zu konzentrieren, um einen größtmöglichen Zubau an Windenergieanlagen sicherstellen zu können. Dem ungezügelten Zubau sind, so die Meinung der Umwelt- und Naturschützer damit so gut wie keine Grenzen gesetzt (auch wenn Lobbyisten gerne das Gegenteil behaupten) und unser schönes Sauerland wird zum „Land der tausend Windräder statt der tausend Berge“! Wald- und Wiesenflächen werden auf Generationen dauerhaft versiegelt bleiben. Was an Flächen frei bleibt, kann dann noch mit Freiflächen PV zugebaut werden.
Auf der Internetseite des HSK (einfache Google-Suche nach: „HSK Windkraft“) ist eine aktuelle Karte mit beantragten, genehmigten und bereits gebauten Windindustrieanlagen zu finden. Diese Karte ist eine Momentaufnahme und gibt aktuell einen Bruchteil der Vorhaben wieder, die sich in Vorbereitung auf einen Genehmigungsantrag befinden. Die uns zugetragenen Planvorhaben, die sich zusätzlich zur Regionalplanung in Vorbereitung befinden, haben wir einmal versucht so genau wie möglich einzuzeichnen.

Selbst eine Kommune wie Bad Berleburg, die deutlich über das gesetzte Flächenziel hinausgegangen ist und ca. 8% der Kommunalfläche als Windkraftvorrangzone ausgewiesen hat, wird mit weiteren Anträgen überrannt. Für die Umwelt- und Naturschützer aus Schmallenberg ist klar: Es wird ohne Rücksicht auf Mensch und Natur weiter geplant und beantragt. Das ist „Wildwuchs“ in Reinkultur und rücksichtslose Wahrung von Geschäftsinteressen! Das hat gravierende Auswirkungen auf die Natur, den Zusammenhalt in den Dorfgemeinschaften, das Landschaftsbild im Sauerland und damit auf den wichtigen Wirtschaftsfaktor Tourismus! Selbst wenn durch den flächendeckenden Zubau nur 10-15% weniger Gäste ins Sauerland kämen, wird das viele Fremdenverkehrsbetriebe in ihrer Existenz bedrohen.
Wer entscheidet, wo Windindustrieanlagen aufgestellt werden?
Wie kann es sein, dass heute Gerichte und Projektierer entscheiden, wo Windindustrieanlagen aufgebaut werden dürfen? Muss eine solche Entscheidung nicht immer durch die Mehrheit der Bevölkerung oder durch Menschen getroffen werden, die als Vertreter gewählt wurden, um diese Verantwortung zu übernehmen? Aus unserer Sicht kann niemand sonst als unsere lokalen Volksvertreterinnen und -vertreter die Belange vor Ort besser einschätzen. Daher darf kein Gericht in Münster oder irgendein gewinnorientiertes Unternehmen eine Entscheidung mit dieser Tragweite treffen!
WDer Verein für Umwelt- und Naturschutz verurteilt die ungesteuerte Ausweisung von Windindustriezonen, insbesondere im Wald, aufs Schärfste! Auf Basis des letzten Waldberichtes (kürzlich veröffentlicht vom Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir) ist der Wald ohnehin schon massiv geschädigt. Er muss wieder mit heimischen, klimaresistenten Arten als CO2 Senke aufgebaut werden statt durch (Wind-)Industriegebiete dauerhaft geschädigt zu bleiben!
Im Übrigen sehen die Umwelt- und Naturschützer auch Nadelwälder als wichtigen Lebensort für Vögel und unzählige Insekten. Sie tragen zur Förderung der Biodiversität gegen das Artensterben bei und sind daher genauso schützenswert wie Laubwälder, denn niemand kann heute beurteilen was passiert, wenn Arten in unseren Ökosystemen fehlen. Die Bedeutung des Waldbodens, der ein nicht zu ersetzendes Ökosystem darstellt, der Wasser speichert und damit vor Dürren und Hochwasser schützt, CO2 dennoch aufnimmt, wird aktuell viel zu geringgeschätzt. Klimaschutz geht nicht kurzfristig, sondern nur langfristig und da ist das Neuwachstum eines Waldes strategisch klüger als eine mit dem ungezügelten Zubau an Windindustrieanlagen einhergehende dauerhafte Flächenversiegelung/Zubetonierung! Dazu passt ein Zitat von Reinhold Messner: „Alternative Energiegewinnung ist unsinnig, wenn sie genau das zerstört, was man eigentlich durch sie bewahren will!“
Wer sich den Bau von Windrädern z.B. in Olsberg-Elpe am Mannstein genauer anschaut, sieht welche Auswirkungen dies auf Natur und Umwelt hat. So kann in Zukunft unser Landschaftsbild bzw. der Blick auf fast jeden Bergrücken im Sauerland aussehen:

Der Verein für Umwelt- und Naturschutz e.V. Schmallenberg appelliert an die Bürgerinnen und Bürger: „Wenn ihr der Meinung seid, dass diese Ansicht keine Realität auf jedem Berg im Sauerland werden darf, schreibt oder sprecht die zuständigen Ministerien und Abgeordneten in Bund, Land und Kreis persönlich an und gebt eurer Überzeugung Ausdruck! Jeder Brief, jede E-Mail oder jedes Telefonat hilft!„