Ausgewählte Feldpostbriefe

Quelle: WOLL Magazin

von Wilhelm Lauber aus dem 2. Weltkrieg

Feldpostbriefe dienten während Kriegszeiten als portofreies Kommunikationsmittel zwischen Soldaten mit ihrer Heimat sowie innerhalb der Truppen. Sie vermitteln die Alltagsgeschichte und das eigene Leben im Krieg, die individuelle Reflexion von historischen Entscheidungen, aber auch das Erlebnis mit dem Tod.

Während des Zweiten Weltkrieges sind im deutschen Postbereich geschätzt 30 bis 40 Milliarden Feldpostsendungen versandt worden. Davon ist bislang lediglich ein kleiner Teil erfasst. Auch im Stadtarchiv Schmallenberg befindet sich eine Sammlung von Feldpostbriefen (Stadtarchiv Schmallenberg, Depositum Heinrich Lauber). Diese zeigen einen Einblick in den Briefwechsel der Familie Lauber aus Gleidorf. Unter anderem finden sich dort auch die Briefe des damaligen Soldaten Wilhelm Lauber an seinen Bruder Heinrich Lauber und seine Schwägerin Hertha Lauber sowie deren Kinder. Exemplarisch werden nachfolgend drei Briefe von Wilhelm vorgestellt.

„Im unhimmlichen Lande“
Der erste Brief von Wilhelm Lauber ist an seinen Bruder Heinrich adressiert und auf den 25. August 1941 datiert. Er schreibt, dass sie sich bereits „über zwei Monate in diesem armen ausgepressten unhimmlichen Lande“ [Russland] befinden und hofft, dass der Feldzug noch vor dem Winter endet. Wilhelm klagt, dass es selbst zu dieser Jahreszeit nachts schon sehr kalt sei, dass sie bereits „in Scheunen und Zelten geschlafen“ haben und „schon mit Schrecken an ein Hierbleiben“ denken. Wilhelm beschreibt auch die schwierige Zeit, als seine Truppe auf dem Weg nach und durch Russland war: Er und seine Kameraden marschierten teilweise „innerhalb von 24 Stunden 70 bis 80 Kilometer“ und machten nach 45 bis 50 Kilometern eine lange Pause von mehreren Stunden. Da es am Tage so heiß gewesen sei, konnte er nicht schlafen und berichtet von einem Marsch von „etwas über 70 Kilometer ohne Schlaf“. Bei einer kurzen Rast war Wilhelm erschöpft auf der Straße eingeschlafen und musste von seinen Kameraden geweckt werden. Hinzu kam, dass sie nach über sieben Wochen in Russland, noch keine Post aus der Heimat erhalten hatten und sich immerfort fragten, ob „die Lieben zu Hause noch leben, oder sind die schon längst tot?“ Als dann schließlich am 14. August die Post ankam, waren zwar Briefe und Karten dabei, die Päckchen waren allerdings wieder zurückgeschickt worden.

Weihnachtspost im März
Die anderen beiden Briefe datieren auf das Jahr 1942 und stammen wieder aus Russland. Beide wurden am selben Tag verfasst. Einer ist an seinen Bruder Heinrich und der andere an seine Schwägerin Hertha sowie seine Nichten und Neffen adressiert.

Am 12. März 1942 schrieb Wilhelm an seinen Bruder Heinrich, dass am Abend zuvor endlich Post angekommen sei. Es hatte für längere Zeit keine Nachrichten für Wilhelm oder seine Kameraden gegeben, denn er schreibt: „Die letzte Nachricht von Zuhause datierte vom 15.11.1941, seit der Zeit haben wir nichts aus der Heimat bekommen oder gehört“. Auch die zuvor beschriebene gefürchtete Kälte hatte Einzug erhalten. Wilhelm schreibt von einer „grimmige[n] Kälte“ und betitelt die derzeitige Lage als „Bewegungskrieg bei Eis und Schnee“. Aber nicht nur das Wetter und ausbleibenden Nachrichten aus der Heimat setzten den Soldaten an der Front zu, sondern auch die „Tiefangriffe der russischen Flieger mit Bomben“ zu Tage und zu Nacht. Im Gegensatz hierzu waren von den eigenen Flugzeugen nur selten welche zu sehen. Wilhelm beschreibt die angespannte Lage folgendermaßen: „[…] der Russe drängte mit starken Kräften überall nach. Die Artillerie schoss rund um uns, wir waren im Sack, sollte uns der Iwan einkassieren?“ Zum Ende des Briefes erwähnt Wilhelm noch, was er mit der Post erhalten hat, und spricht von „Weihnachtspost im März“, da die Briefe und Pakete so lange unterwegs waren.

Hurra, die Post ist da!
Der zweite Brief, den Wilhelm an diesem Tag verfasste, ist an Hertha und ihre Kinder gerichtet. Wilhelm beginnt seinen Brief mit dem Ausruf „Hurra, die Post ist da!“ und zeigt den hohen Stellenwert, den die Nachrichten aus der Heimat für die Soldaten hatte. Ähnlich wie in dem Brief an seinen Bruder berichtet er auch hier von 37 Briefen und drei Karten, vier Päckchen, die er erhalten hatte. Besondere Freude bereiteten ihm die Zigaretten und die „vielen lieben Briefe“ für ihn. Für diese bedankt er sich mehrmals an verschiedensten Stellen. Wilhelm geht auch hier auf die lange Spanne ohne Nachricht aus der Heimat ein: „Du kannst dir die seelische Verfassung von uns vorstellen, Monate lang keine Nachricht aus der Heimat, Strapazen, Bomben und Granaten, Feinde ringsum, das Los der Frontsoldaten.“ Auch seiner Schwägerin berichtet er von seiner schweren Zeit der letzten Monate und dass er hofft, im Sommer Heimaturlaub zu bekommen. Im letzten Absatz geht er näher auf die Strapazen des Winters in Russland ein. Aufgrund der Kälte musste er mit Erfrierungen an Zehen und Fingern kämpfen, berichtet aber auch, dass alles gut verheilt und er keine bleibenden Schäden mit sich ziehen wird.

Feldpostbriefe sind nicht nur ein Mittel zur Erinnerung, sie dienen auch für die Forschung als wichtige Quelle. Neben den individuellen (Alltags-)Erfahrungen und Blickweisen können auch die Ideen zur Bewältigung des Kriegserlebnis und die Mentalitäten an der Front und in der Heimat rekonstruiert werden.