Quelle: privat
WOLL-Lektorin Dr. Carina Middel
Einen holprigen Text mit fiesen Rechtschreibfehlern liest niemand gerne. Noch schlimmer ist es, wenn sich mitten in der Geschichte plötzlich ein echter Logikfehler eingeschlichen hat. Als Autor ist man oft blind für die eigenen Patzer und so ist ein objektiver Blick von außen unerlässlich. Das ist die Aufgabe einer Lektorin – so wie der Sunderanerin Dr. phil. Carina Middel.
„Diese Leidenschaft zu Büchern und zur Literatur war schon immer da. Meine Mutter erzählt mir heute noch, dass ich damals immer Kinderbuchautorin werden wollte“, erinnert sich Carina. „Die Idee, beruflich etwas in dem Bereich zu machen, kam fernab von Kindheitsträumen in der Oberstufe.“ Zum Deutsch-Leistungskurs und zur Teilnahme an einer Schreibwerkstatt kam ein freiwilliges Praktikum bei einem Poetry-Slam-Verlag in Paderborn: „Da habe ich das erste Mal praktisch erlebt, was es bedeutet, mit Literatur und mit Büchern zu arbeiten.“ Die Leute dort kamen alle aus der Poetry-Slam-Szene, alle mit viel Gespür für die und vor allem Spaß an der Sprache. „Das hat mich so richtig angefixt.“ Und da war klar: Carina wollte Lektorin werden.
Fleiß und Leidenschaft
Nach dem Abitur ging es nach Würzburg: Studium der Germanistik und Philosophie und Praktika in verschiedenen Verlagshäusern. „Auch in eine Zeitungsredaktion habe ich kurz reingeschnuppert, um noch etwas anderes kennenzulernen. Aber ich bin doch immer wieder zum Lektorieren zurückgekehrt.“
Auch nach dem abgeschlossenen Studium war die Liebe zur Literatur nicht erloschen. Deswegen entschied Carina, zu promovieren. „Rein beruflich war es vielleicht nicht sehr klug, sich fünf Jahre mit der Doktorarbeit zu befassen. Aber ich war so verliebt in Literatur und besonders in Schiller – da habe ich das einfach gemacht.“ Parallel arbeitete sie bereits als freiberufliche Lektorin. Als 2011 das erste WOLL-Magazin erschien, machte ihre Mutter sie darauf aufmerksam und Carina fragte an, ob dort eine Lektorin gebraucht werde. Das war der Fall und so ist Carina noch heute mit dabei – nicht nur beim Magazin, sondern auch im WOLL Verlag, für den sie regelmäßig Buchprojekte betreut.
Vom Manuskript zum fertigen Buch
In der Regel existiert das gesamte Manuskript schon, wenn Carina sich einen ersten Eindruck verschaffen soll. „Meistens weiß ich nach zehn Seiten ziemlich gut, wo ich das qualitativ einordnen kann.“ Wenn Carina es für gut befindet, überfliegt sie einen Großteil, um dem Verleger ein Feedback geben zu können. „Ich schaue zunächst, ob es ins Programm und allgemein zum Verlag passt und ob die literarische Qualität stimmt.“ Bevor Carina dann mit dem Lektorat beginnt, spricht sie einmal mit dem Autor darüber, was ihm besonders am Herzen liegt, ob es vielleicht Themen oder Schwierigkeiten beim Schreiben gab, auf die sie beim Lesen besonders achten soll.
Im ersten Schritt des Lektorats schaut Carina auf den Inhalt. Sie prüft die Schlüssigkeit, schaut, ob Passagen fehlen oder manche zu langatmig sind, ob die Figuren gut und spannend beschrieben sind, ob Erzählperspektive und Stil konsequent beibehalten werden. Wenn Carina am Ende angelangt ist, bekommt der Autor eine lange Liste mit Themen, Fragestellungen und Aufgaben, die zeigt, an welchen Stellen er nacharbeiten sollte oder kann. „Ich verstehe meine Korrekturen nicht als bloßes Verbessern. Stattdessen geht es mir um einen Dialog mit dem Autor. Ich stelle Fragen, die zum Nachdenken anregen. So bekommt der Autor durch meinen Blick von außen die Möglichkeit, noch einmal mit mehr Distanz an seinen Text heranzugehen.“ Wenn der Autor Carinas Vorschläge geprüft und seinen Text nachbearbeitet hat, schickt er das Dokument wieder an sie zurück. Manchmal wird in einem Telefonat dann gemeinsam überlegt, wie man die letzten schiefen Textstellen umschreiben könnte. Wenn das geklärt ist, pflegt Carina alle Korrekturen ein und der Text geht in den Satz. Ist er gesetzt, schauen Carina und der Autor noch ein allerletztes Mal drüber, bevor aus dem Manuskript endlich ein richtiges Buch wird.
Feingefühl und Diplomatie
Ein ganzes Buch zu schreiben ist eine große Leistung. „Wenn ich dem Autor als ‚Besserwissermaschine‘ gegenübertrete und verlange, dass er die Korrekturen genauso übernimmt, ist das wenig hilfreich. Das Manuskript ist ja quasi das Baby des Autors, nicht meins.“ Es gehört viel Feingefühl dazu, mit einem Autor an einem Manuskript zu arbeiten. Und vor allem muss man sich als Lektorin auch selbst immer infrage stellen, muss erklären können, wieso man manche Dinge nicht gelungen findet und andere besser. Da ist diplomatisches Geschick gefragt. „Manchmal hat es eben nur mit Geschmack und Gespür zu tun“, erläutert Carina. „Man darf nicht nur fehlerfixiert sein, sondern muss auch die positiven Dinge sehen und das Werk als Ganzes schätzen. Nur so schafft man es, im Dialog über problematische Stellen zu sprechen und gemeinsam die beste Lösung zu finden.“ Das Ergebnis: Ein Buch, mit dem Autor, Lektorin und auch die Leser glücklich sind.
Mail: kontakt@carina-middel.de – Web: www.carina-middel.de