Die Lücke von Paderborn nach Lennestadt-Elspe ist geschlossen
Viele Wege führen nach Santiago de Compostela: Jakobswege gibt es auf der ganzen Welt, allein in Deutschland kann er auf mehr als dreißig unterschiedlichen Routen gelaufen werden. In Nordrhein-Westfalen umfasst das Wegenetz seit der historischen und archäologischen Erforschung im Rahmen des 2015 abgeschlossenen Projektes „Wege der Jakobspilger in Westfalen“ deutlich über 1.000 Kilometer, doch eine Lücke war damals noch nicht geschlossen worden: Die vom Bischofssitz Paderborn bis ins Jakobusdorf Lennestadt-Elspe.
Immer der Muschel nach
„Der Jakobsweg beginnt vor deiner Haustür“, besagt ein altes Pilgersprichwort. Und so sind auch hierzulande seit Anfang der 90er Jahre zahlreiche Bemühungen erkennbar, die Pilgerstraßen des Mittelalters, die auf alten Fernwegen verliefen, nachzuweisen und entsprechend zu markieren. Die Laufrichtung ist dabei immer die gleiche: Ziel ist das Grab des Heiligen Jakobus des Älteren, einer der erstberufenen Apostel Jesu, im Nordwesten Spaniens.Pionierarbeit leisteten Annemarie und Herbert Schmoranzer aus Meschede-Remblinghausen, die schon früh Spuren der alten Wege in Südwestfalen entdeckten; zuletzt kümmerte sich die „Projektgruppe Heidenstraße“ – unterstützt vom Sauerländer Heimatbund und den Jakobusfreunden Paderborn sowie vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe – ehrenamtlich darum, die 134 Kilometer lange Strecke von Paderborn nach Elspe lückenlos zu schließen. Bis Marsberg verläuft der neu markierte und in sechs Etappen aufgeteilte Jakobsweg auf der mittelalterlichen Straße, die von Bremen nach Frankfurt führte; anschließend führt er bis Elspe über den Heer- oder Römerweg Richtung Bonn.
Wer ihm folgen möchte, braucht keine Landkarte – die gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund weist stets den richtigen Weg; das Muschelschloss zeigt dabei die jeweilige Gehrichtung an. Beim Gepäck sollte sich der Pilger auf das Allernötigste beschränken: Stab, Trinkflasche und Proviant, am Körper wetterfeste Kleidung, gutes Schuhwerk und natürlich den Pilgerhut. Das hat nicht nur praktische Gründe, sondern das Ablegen von Lasten gehört zu den „Zehn Geboten des Pilgerns“; häufig wird auch symbolisch ein Stein abgelegt.
Ein weiteres Gebot besagt: „Geh allein!“, daher sind auf dem Jakobsweg selten größere Gruppen anzutreffen; vielmehr besinnen sich die Pilger auf sich selbst, lernen ihren Körper kennen und sind achtsam für ihre Umgebung.
Der Heilige Jakobus jetzt auch in Isingheim
Seit fast dreißig Jahren ist auch Norbert Sapp aus Eslohe-Isingheim so unterwegs. „Ich war auf das Ehepaar Schmoranzer aufmerksam geworden; zunächst interessierte mich nur der Weg, der von Remblinghausen vorbei an meinem Wohnort Isingheim nach Elspe führte“, erinnerte er sich an die Anfänge. „Schnell war ich infiziert mit dem Jakobus-Virus, das zwar süchtig, aber nicht krank macht. Und es hat mich tatsächlich auch nie wieder losgelassen.“Unzählige Kilometer ist Norbert Sapp seither gepilgert; vor zwei Jahren ist er sogar in Nordspanien die letzten 120 Kilometer bis Santiago de Compostela gelaufen. Doch er kennt auch die Vorzüge seiner Heimat: „Die Wege im Sauerland sind genauso schön: die gleiche Aussicht, Wald, Felsen, Himmel – man muss nur die Augen öffnen für das, was da ist! Außerdem hat man hier seine Ruhe; bei dem Pilgertourismus auf dem Camino Francés ist es manchmal nicht so leicht, wirklich allein zu laufen.“Den Sauerländer Jakobsweg ist er schon zwei Mal komplett gelaufen; an Bildstöcken, Kapellen und Gotteshäusern macht er Halt, spricht ein Gebet oder eine Fürbitte, hält kurz inne. Immer wieder kommt er unterwegs auch mit anderen ins Gespräch. „Es gibt überall offene Türen, die Menschen begegnen mir sehr aufgeschlossen und interessiert. Natürlich gibt es im Internet auch Listen von Unterkünften, die jeweils am Weg liegen; ich empfehle aber jedem, einfach loszuziehen und zu schauen, was der Tag so bringt und wo man einkehren kann“, berichtet der erfahrene Pilger.
Besonders am Herzen liegt Norbert Sapp der Jakobsweg rund um Isingheim, daher hat er natürlich auch mitgeholfen, als es um die neue Beschilderung ging. Aus eigener Erfahrung weiß er um die Wichtigkeit des Pilgerpasses; also hat er eigens einen Stempel für seinen Wohnort besorgt – die ersten Pilger haben ihren Pass bereits bei ihm abstempeln lassen.Diese haben dann auch gleich noch in der 1764 eingeweihten St.-Antonius-Kapelle, in der die Eheleute Elisabeth und Norbert Sapp seit vielen Jahren den Küsterdienst verrichten, vorbeigeschaut. Denn seit etwa einem Jahr ist der Heilige Jakobus auch hier zuhause: „Von Unterstützern, die unbenannt bleiben möchten, haben wir hier in Isingheim eine wunderschöne Holzfigur bekommen. Mein lang gehegter Wunsch nach einem Jakobus für unsere kleine Kapelle ist also endlich wahr geworden!“, freut sich Norbert Sapp noch immer.
Die letzte Etappe
Gut fünfzehn Kilometer sind es von Isingheim nach Elspe; in Altenvalbert besteht noch eine Möglichkeit, einen weiteren Stempelabdruck in den Pilgerpass zu bekommen. Dann ist der Zielort endlich erreicht – das „Santiago des Sauerlandes“ mit der prächtigen Pfarrkirche St. Jakobus der Ältere. Erst vor ein paar Jahren wurde sie umfassend renoviert, vieles erinnert hier weiterhin an den namensgebenden Apostel: Eine große Jakobus-Figur am Treppenaufgang und eine weitere im Kirchenraum, zwei durch braune Steine markierte Wege, die den Pilger durch das Kirchenschiff direkt zum Altar führen und ein Kompass auf dem Kirchvorplatz, der den Weg weiter ins über 2.000 Kilometer entfernte Santiago de Compostela weist.
Denn auch wenn das Ziel des Sauerländer Jakobsweg hier erreicht ist, zu Ende ist er noch lange nicht. In Elspe stößt ein weiterer Pilgerweg hinzu, der von Winterberg nach Attendorn führt und auf der ehemaligen Heidenstraße Köln – Leipzig verläuft; anschließend geht es zum Pilgersammelpunkt Köln und über Frankreich nach Spanien. Doch bevor es weitergeht, gibt es natürlich auch in Elspe einen Stempel: Wer nicht rechtzeitig zum Gottesdienst kommt und sich seinen Pass direkt im Anschluss stempeln lässt, kann dies jederzeit in der nahegelegenen Buchhandlung Görg nachholen.Während bei einer Wallfahrt die Religion im Vordergrund steht, geht es beim Pilgern auch darum, festgefahrene Strukturen im Alltag aufzubrechen und mit sich selbst in Einklang zu kommen. Zuletzt erfreute sich diese Form des Wanderns anlässlich Hape Kerkelings Bestsellers „Ich bin dann mal weg“ wieder großer Beliebtheit, und vielleicht führt ja auch der Sauerländer Jakobsweg dazu, dass sich wieder mehr Menschen auf den Weg machen – buen camino!