Auch Joseph Ratzinger referierte in Oeventrop

Quelle: Karl Hesse und Hiltruper Missionare

Hochschule für Philosophie und Theologie sowie Ausgangspunkt der Welt-Mission 

Auf diese Epoche der Geschichte kann Oeventrop stolz sein. Das (ehemalige) Kloster an der Egge war über 60 Jahre eine renommierte Hochschule für Philosophie und Theologie der Missionare vom Heiligen Herzen Jesu aus Hiltrup. Von 1902 bis 1969 wurden in dem aus rotem Klinker errichteten imposanten Gebäude Priester ausgebildet, die als Missionare in Papua-Neuguinea, Peru und in Afrika wirkten. Einer der in Oeventrop geweihten und ins Dorfleben eingebundenen Seminaristen und Patres war der gebürtige Voßwinkeler und spätere Erzbischof von Rabaul (Papua-Neuguinea) Karl Hesse (85). Die mit dem Kloster einhergehende Thomas-Akademie war hoch angesehen. Als einer der Dozenten referierte 1965 der Theologie-Professor Joseph Ratzinger über das Zweite Vatikanische Konzil. 

Dass der als „Konzils-Theologe“ berufene Professor Ratzinger, damals mit Lehrauftrag an der Universität in Münster, später als Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, war 1965 natürlich nicht vorauszusehen. Im Nachhinein hat Ratzingers Teilnahme an der Thomas-Akademie aber eine besondere Dimension. Der Professor referierte über das Konzil, genau über die Beziehung zwischen Bischofs- und Papstamt. „Welche Zukunftssymbolik lag in diesem für Oeventrop ausgewählten Vortragsthema“, sagte der damalige Arnsberger Bürgermeister Hans-Josef Vogel bei seinem Festvortrag zum 775-jährigen Oeventroper Jubiläum am 5. Mai 2007. „Pater Superior Martin Kleespies führte den zukünftigen Bischof und Papst durch Kloster und Missionsseminar. In Bayern gibt es den touristischen Benedikt-Weg, der die Stationen des Papstes verbindet. Oeventrop liegt heute am Benedikt-Weg zwischen Münster, wo Ratzinger damals Professor war, und Rom.“ 

Ratzingers Vortrag war einer der Höhepunkte im Klosterleben. Im 1902 von den Hiltruper Missionaren errichteten, offiziellen „Herz-Jesu-Missionshaus“, wurden Abiturienten zunächst in Philosophie und danach in Theologie unterrichtet. 93 Studenten waren beispielsweise 1938 eingeschrieben, die von 18 Hochschullehrern unterrichtet wurden. Der Zweite Weltkrieg beendete zunächst die Blütezeit des Klosters. Nach der Beschlagnahme diente es als Lazarett für lungenkranke Soldaten. Davon sind 1.300 im Kloster gestorben und wurden auf dem Oeventroper Soldatenfriedhof bestattet. Später waren auch alte und kranke Menschen aus Dortmund im Kloster untergebracht. 

Nach dem Krieg nahmen Seminar und Lehrtätigkeit wieder an Fahrt auf. Welche Bedeutung und Dimension die Lehrstätte hatte, verdeutlicht einmal mehr die fundamentale Bibliothek mit 45.000 Bänden, die sich heute im Besitz des Erzbistums Paderborn befindet. Aufgebaut wurde auch ein Missionsmuseum „Schätze der Südsee“.  

In die Südsee, genau nach Papua-Neuguinea, führte es 1966 auch Karl Hesse aus Arnsberg-Voßwinkel. Der heute 85 Jahre alte emeritierte Erzbischof von Rabaul wirkte über 50 Jahre als Missionar. Sein Studium absolvierte er im Herz-Jesu-Missionshaus Oeventrop (HJMOe) und wurde am 23. Mai 1963 zusammen mit sieben Mitbrüdern von Johannes Hoehne, dem damaligen neuen Erzbischof von Rabaul, in der Kapelle des Klosters zum Priester geweiht. Vier Jahre studierte Karl Hesse in Oeventrop: „Das HJMOe spielte eine wichtige Rolle in Oeventrop und Umgebung. Durch die seelsorgerischen Tätigkeiten der Patres und der handwerklichen Arbeiten der Brüder war es ein Ausgangspunkt des christlichen Lebens in der Region.“ 

Auf den Dörfern Kartoffeln gesammelt 

Er erinnert sich auch an Traktorfahrten sowie Fahrten mit einem Pferdewagen durch verschiedene Dörfer, um Kartoffeln und andere Lebensmittel von den Bauern „zu erbitten“. Denn, so Karl Hesse, es fehlte den Patres an Geldern, um Lebensmittel zu kaufen. Zudem wurden die Seminaristen in die Dörfer des Sauerlandes geschickt, um den Hiltruper Jahreskalender zu verkaufen. „Das war keine angenehme Tätigkeit, aber so lernten wir die Menschen kennen und die Art und Weise, mit ihnen auszukommen.“ Ein Anziehungspunkt des Klosters waren die Ausstellung von Kulturelementen der Missionsgebiete Peru und Papua-Neuguinea. 

Ein Hobby der Seminaristen war der Fußball. „Gepöhlt“ wurde auf dem Kloster eigenen Bolzplatz, u. a. gegen seinen Voßwinkeler Jahrgang oder Vereine. Auch der TuS Oeventrop spielte eine Rolle. Walter Gödt schaffte es als Seminarist und Pater gar in die erste Mannschaft, die in der Landesliga spielte. Gödt war Torjäger und kam immer mit „Kutte und Sporttasche zum Sportplatz“, wie sich seine Sportkameraden erinnern. Überhaupt waren die Patres und Missionare in Oventrop hoch angesehen und verwurzelt. Sie gehörten dazu – Oeventrop als weltoffene und gastgeberfreundliche Gemeinde. 

Quelle: Karl Hesse und Hiltruper Missionare
10.03.1965 Prof. Ratzinger in Oeventrop

Karl Hesse reiste im Juni 1966 mit drei Mitbrüdern auf dem Auswandererschiff Achille Lauro von Rotterdam aus als Missionar nach Papua-Neuguninea. Dass er als Missionar nach dorthin ging, daran hatte der erfahrene Missionar Pater Karl Laufer großen Anteil. „Durch seine Vorlesungen und seine ausstrahlende Persönlichkeit wurde ich bestärkt, als Missionar nach Papua-Neuguinea auszureisen.“ Dort arbeitete er als „Mann Gottes und Mann des Volkes“, gab einen von der örtlichen Regierung in die Berge abgeschobenen Stamm von rund 3.000 Menschen Selbstvertrauen und Identität zurück, baute das Schul- und Gesundheitssystem auf. „Missionare reden nicht nur, sie packen auch an, vor allem als Sauerländer“, so Karl Hesse, der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde und von der britischen Königin zum „Mitglied des Britischen Empire“ ernannt wurde. „Liebe und Gerechtigkeit standen immer an erster Stelle. Den Willen und die Bedürfnisse der Menschen habe ich immer akzeptiert. Die Menschen sind mir ans Herz gewachsen.“  

Seinen Lebensabend genießt er in Papua-Neuguinea: „Voßwinkel ist meine Heimat, Papua-Neuguinea ist mein Zuhause.“ Und Oeventrop: „Ich bin sehr dankbar für die vier Studienjahre im HJMOe. Sie haben mich geprägt.“ 1969 wurde das Seminar in Oeventrop geschlossen. Die Seminaristen absolvierten in den Folgejahren ihre Ausbildung in Innsbruck.  1975 wurde „Auf der Alm“ ein neues Kloster errichtet, es war zunächst ein Altersheim für ehemalige Missionare und ältere Patres. Inzwischen ist es verkauft und nicht mehr im kirchlichen Besitz.