
Die Auferstehungskirche am Neumarkt
Nach dem Wiener Kongress wurde Westfalen 1816 preußische Provinz und Arnsberg im Zuge der neuen Verwaltungsstruktur Sitz einer Bezirksregierung. Die Stadt und ihre Einwohner waren allerdings noch sehr ländlich strukturiert, daher wurden preußische Beamte für die neue Behörde hierhin versetzt. So fanden sich die Familien von etwa 60 Bediensteten in einer noch mittelalterlich anmutenden Kleinstadt wieder. Dort gab es keinen angemessenen Wohnraum und als Protestanten waren sie zudem in einer stockkatholischen Gegend gelandet.
„Sind wir hier nach Sibirien versetzt worden?“, war die Reaktion. Mit großzügiger staatlicher Unterstützung bezogen sie bald ein völlig neues Stadtviertel mit 75 Wohnhäusern im zeitgemäßen klassizistischen Stil auf dem Gelände zwischen Arnsberg und dem ehemaligen Kloster Wedinghausen. Schnell bildete sich eine protestantische Glaubensgemeinschaft, deren erster Pfarrer Ferdinand Hasenclever wurde. Der hatte zwar eine Gemeinde, aber kein Gotteshaus. Da war es ein Glücksfall, dass Hasenclevers katholischer Kollege, Adolf Sauer, in bemerkenswerter ökumenischer Gesinnung den Protestanten die Arnsberger Stadtkapelle zur Mitbenutzung für ihre Gottesdienste anbot.
Ein Gotteshaus für die neue Gemeinde
Schon bald entwarf der äußerst rührige Hasenclever zusammen mit Bauunternehmer Hunzinger Pläne für eine eigene Kirche und reichte diese bei der zuständigen Oberbaudeputation in Berlin ein, wo sie der berühmte Architekt und Künstler Friedrich Schinkel bearbeitete. In der Folge ergab sich zwischen Berlin und Arnsberg ein Hin und Her geänderter und erneuerter Baupläne. Doch schließlich konnte sich 1824 die neue Kirche an der Südseite des Neumarkts nach vierjähriger Bauzeit präsentieren. Ein bis heute stattlicher Bau im klaren, auf die Antike zurückgreifenden klassizistischen Stil, der Schinkels Einflüsse verrät. 1825 wurde die Kirche eingeweiht, was nun, im Jahr 2025, als 200-jähriges Jubiläum gefeiert wird.
Der Grundriss stellt ein gleichschenkliges Kreuz dar, die Außenfassaden stehen auf einem Sockel und werden von Wandpfeilern mit Kapitellen (Pilastern) gegliedert. Dazwischen teilen hohe, schmale Sprossenfenster und Eingangstüren die Wandabschnitte ein. Ein umlaufender, abgestufter Sims trägt das flach geneigte Dach, das in der Mitte einen dachreiterar- tigen, achteckigen Glockenturm aus Holz trägt. Weil er kein Fundament hat, schwebt er förmlich, dank einer aufwendigen Dachstuhlkonstruktion, über der Mitte des Kirchenraums.
Das neue preußische Stadtviertel mit dem Neumarkt als Zentrum und der akzentsetzenden Kirche muss das städtebauliche und gesellschaftliche Gepräge der engen Stadt, die gerade erst das Korsett ihrer mittelalterlichen Stadtbefestigung gesprengt hatte, stark verändert haben. Der Platz sah damals ähnlich aus wie heute, jedoch nicht von lärmendem Straßenverkehr umrundet, und bot so Gelegenheit zur Kommunikation. Nach dem sonntäglichen Kirchgang traf sich das gutbürgerliche Publikum elegant gekleidet zum Flanieren und beobachtete, wer vor dem vornehmen Hotel „Zum preußischen König“ (heute Braubrüder) abstieg. Einige Männer vergnügten sich auf ihre Art im benachbarten Kasino.
Der Zahn der Zeit
In den folgenden Jahrzehnten blieb die Auferstehungskirche von notwendigen Reparaturen und auch Kriegsschäden nicht verschont und musste sich den fortschreitenden technischen Standards anpassen. Da die evangelische Gemeinde ständig wuchs, baute man 1889 an die westliche Seite der Kirche einen zwar sehr harmonisch angepassten Trakt an, zerstörte dabei aber leider den klassischen, kreuzförmigen Grundriss.
In den letzten Jahren schrumpfte die Zahl der Gemeindemitglieder, sodass das Presbyterium unter Leitung von Pfarrer Johannes Böhnke beschloss, unter Aufgabe fast aller evangelischen Einrichtungen in der Stadt die Gemeindearbeit in der Auferstehungskirche zu konzentrieren. Von 2019 bis 2021 wurde sie von Grund auf saniert und umgestaltet. Der Kirchenraum passt sich wieder an den ursprünglichen, quadratischen Grundriss an und die Kirchenbänke wurden durch flexible Stuhlreihen ersetzt, um mehr Gestaltungsspielraum für Veranstaltungen über den Gottesdienst hinaus zu bekommen. Im Anbau von 1889 sind nun Gemeinde- und Jugendraum untergebracht. Durch Öffnen einer Zwischenwand erweitert dieser Trakt den Kirchenraum bei Bedarf für größere Veranstaltungen. Von außen zeigt sich die Auferstehungskirche jetzt in strahlendem Weiß.
Wenn der Besucher das Gotteshaus betritt, ist er gefangen von der aufgefrischten zarten, klassizistischen Harmonie in Weiß und Gold, die völlig ohne Prunk Besinnlichkeit und Würde ausstrahlt. Acht dorische, kannelierte Säulen tragen umlaufende Emporen mit goldenen Schmuckbändern aus Palmetten, Sternen und Schriftzügen. Man spürt erhabene Festlichkeit in einem tempelartigen Raum. Zwei bunte Glasfenster flankieren den Altar, den das Gemälde des Künstlers Ernst Deger seit 1834 dominiert. Es zeigt die Auferstehung Christi und gab der Kirche ihren Namen.
Pfarrer Böhnke ist überzeugt, dass die Auferstehungskirche dem Gemeindeleben auch in Zukunft ein angemessenes Zuhause geben wird.