Arnsberger erfindet die erste Waggonbrücke Deutschlands

Quelle: privat

Der Herdringer Ulrich Diehl und seine Visionen 

In einem Brief an Ulrich Diehl schrieb der damalige Bürgermeister der Stadt Heiligenhaus am 1. Juni 2012: „Mit der Waggonbrücke Nr. 1 haben Sie das Stadtbild in Heiligenhaus nachhaltig bereichert, geprägt und zugleich eine bleibende Erinnerung an den einstigen Bahnbetrieb in unser sich wandelnden Stadt geschaffen.“ 

Wie kam der Herdringer auf die Idee, einen ausrangierten Eisenbahnwaggon zu einer Fußgänger-Brücke umzufunktionieren? Den Diplom-Ingenieur treibt seit Jahren der Umweltgedanke um, lange bevor Fridays-for-Future auf die Straßen ging.  „Ressourcen sind, wie jeder wissen sollte, begrenzt. Deshalb dürfen funktionsfähige, intakte Dinge nicht einfach weggeworfen werden. Wir alle sind aufgefordert, uns um die Wiederverwendbarkeit Gedanken zu machen.“ Nachdem er urplötzlich, um genauer zu sagen, mitten in einer Nacht, eine zündende Idee hatte, stand er auf und kritzelte Notizen auf ein Blatt Papier.  

Ulrich Diehl

In Hüsten saniert 

Aus diesen Notizen entstand die erste Waggonbrücke Deutschlands, die als Fußgänger- und Radfahrerbrücke 2009 in Heiligenhaus in Betrieb genommen wurde. Vorher war der 20 Meter lange und 26 Tonnen schwere Güterwagen aus dem Jahr 1976 in Hüsten saniert worden. 

Am eigentlichen Waggon wurde nichts geändert, denn das wäre dem Anspruch von Ulrich Diehl nicht gerecht geworden. „Viele haben es nicht verstanden, dass mein Hauptantrieb für dieses Projekt eine wirtschaftliche Verwendung ausrangierter Waggons war. Sozusagen Recyling auf hohem Niveau. Alle Originalteile – Räder, Puffer, Schläuche, Leitungen – wurden verwendet, Zeichen und Beschriftungen an ihrem alten Ort angebracht.“ Hätte Diehl den Eisenbahnwagen nicht zu neuem Leben erweckt, wäre er geschreddert und eingeschmolzen worden. Rohstoffe und Energie wären verschwendet worden, ganz abgesehen vom CO2-Ausstoß durch die Arbeiten. 

Dass mit dieser ersten Waggonbrücke Deutschlands eine Steigerung der Attraktivität von Fuß- und Radwegen und somit ein touristischer Anziehungspunkt geschaffen oder allgemein das Interesse für technisches Arbeiten geweckt wurde, ist für den Tüftler aus Herdringen nur ein sekundärer Effekt. 

Kein Ding ohne Ing 

Ulrich Diehl musste sich oft für seine teils ausgefallenen Ideen belächeln lassen. Seit die Verbindung über die Bahnhofsstraße in Heiligenhaus von vielen bewundert wird, lächelt niemand mehr über seine Vorstellungen. Mehrere Fernsehsender berichteten über die Realisierung seiner kühnen Idee, eine Miniatur steht im Miniatur Wunderland Hamburg und beim Projekt „Kein Ding ohne Ing“, einer Kampagne der Ingenieurkammer-Bau NRW, wurde die Waggonbrücke als Beispiel für Ingenieurkunst ausgewählt. Anfragen erhielt er aus ganz Deutschland. Die Freude über die Resonanz ist ihm auch heute noch anzumerken. Seine Vision wurde Wirklichkeit, ein schier unbeschreibliches Gefühl im Leben eines Erfinders. 

Ein Prophet gilt nichts im eigenen Land 

„Gerne hätte ich auch für meine Heimatstadt Arnsberg eine solche Überquerung gebaut“, sagte Diehl, „als Verbindung zwischen Rathaus und Bahnhof. Aber das hat leider nicht geklappt.“ In diesem Zusammenhang scheint ein Bibelzitat passend: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland.“ Vielleicht fehlte den Entscheidern damals das Geld oder der Mut. Vielleicht aber auch beides. Nun schmückt sich die Stadt Heiligenhaus mit der ersten Waggonbrücke Deutschlands, erfunden von dem Arnsberger Ulrich Diehl. 

Quelle: privat

Ideen hat der Herdringer noch reichlich. „An der Wiese am Ruhrtalradweg könnte ein ausrangierter Speisewagen als gastronomische Einrichtung umfunktioniert werden Ein weiteres Modell habe ich für einen Übergang über die Ruhr am Arnsberger Bahnhof gebaut: Ein beladener Langholzwagen als Gedenkstätte für Kyrill. Fußgänger und vor allem Radfahrer hätten hier die Möglichkeit, sich das Ausmaß und die Folgen des damaligen Sturmes anschaulich vor Augen zu führen.“ Diehls Einfallsreichtum beschränkt sich nicht auf neue Verwendungsmöglichkeiten von Eisenbahnwagen. Er besitzt Patente für den Umbau von LKW, Schiffen oder Flugzeugen. Ihn reizt es, Gegenstände einer anderen Nutzung zuzuführen als ursprünglich gedacht. Wie den Zugwaggon, der nun eine Brücke ist und viele Touristen anzieht. 

Wer weiß, möglicherweise nutzen die Vertreter unserer Stadt doch irgendwann einmal die Ressourcen ihres erfindungsreichen Bürgers.