Antiquariat Attendorn

WOLL Sauerland Antiquariat

Eine Banane, Kaffee, Zigarette und eine halbe Stunde lesen. So beginnt im Grunde jeder Tag von Alfred Knebel. Für den 56-jährigen Attendorner ist es ein echtes Ritual. „Wenn ein Tag so beginnt, dann ist es ein guter Tag“, sagt der Mann, dem die schmucke Hansestadt als junger Mensch zu eng wurde und den es in die große Stadt zog: nach Berlin. Im Jahr 2006 kehrte er der Metropole den Rücken und kam zurück in seine Heimat Attendorn. Im Gepäck: 35.000 Bücher.
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„Der gesamte Umzug dauerte gut ein Jahr“, erinnert sich Alfred Knebel bei unserem Gespräch, „wie viele LKW-Ladungen es waren, weiß ich gar nicht mehr.“ Er schloss die Türen seines Bücher-Antiquariats in Berlin und zog mit Unmengen von Literatur in die oberen Räume des elterlichen Autohauses Knebel ein. Hier tummelt sich auf 140 Quadratmetern so ziemlich alles, was in den letzten 150 Jahren geschrieben wurde. Mehr als 20.000 Bücher reihen, stapeln, quetschen und türmen sich in meterlangen Regalreihen. Die Regale sind meist selbst gebaut; aber Goethe, Schiller, Kafka, Ganghofer, Konsalik, Marie Luise Fischer oder Steven King interessiert das nicht. Sie stehen geduldig in ihren Reihen und machen das Antiquariat von Alfred Knebel zu einem ganz besonderen Ort.
„Das ist hier noch gar nicht alles. Insgesamt habe ich jetzt etwa 45.000 Bücher gelagert“, erzählt Alfred, während wir durch die Gänge auf Entdeckungsreise ins Land der Buchstaben gehen. „Die Buchstaben sind überhaupt eine gute Erfindung der Menschheit. Das ist viel besser als die Erfindung von Waffen oder sowas“, sagt der Mann, der im hinteren Büro des Ladens seinem eigentlichen Job nachgeht: Buchführung. „Eigentlich bin ich Steuerfachgehilfe“, erklärt er. Auf den ersten Blick mag es manch einer kaum glauben. 25 Jahre Leben in Berlin-Kreuzberg, haben ihre Spuren hinterlassen. Aber Bücher gehörten schon immer zu diesem Leben dazu. „Mit acht Jahren habe ich von meinen Eltern Karl-May-Bücher geschenkt bekommen. Seitdem bin ich eine Leseratte.“ Im Durchschnitt liest Alfred Knebel ein Buch pro Woche – und meist drei bis vier Bücher parallel. Und er freut sich über jeden Besucher in seinem Antiquariat: „Ich mag es, wenn Leute sich bilden“, sagt er. „Man muss dazu gar nichts kaufen. Wenn man möchte, kann man auch einfach nur kommen und lesen. Kaffee und Tee habe ich auch immer da“, erklärt Alfred. „Ein Leben ohne Bücher und Musik wäre für mich ein ganz armes Leben“, sagt er, während wir auf dem Sofa Platz nehmen, das, vollgepackt mit Büchern, immerhin noch Platz zum Sitzen bietet. Alfred liest am liebsten Krimis – und das am liebsten vor dem Einschlafen. „Ich mag aber auch Biografien oder Reiseberichte. Mit 15 Jahren habe ich schon Engelmann und Brecht gelesen. Manche Bücher lese ich auch mehrmals.“ Wenn er liest, dann ist das für Alfred Knebel wie eine Reise in eine andere Welt. Ein Buch wegwerfen? Nein! „Bücher darf man nicht wegwerfen“, sagt er entschieden. „Die Seele der Bücher, ihren Inhalt, muss man bewahren. Ein Buch ist ein bleibender Wert.“
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Ein Wert, „der heute vor allem bei den Kindern viel zu kurz kommt“, befindet Alfred Knebel. „Vom etwa 6. bis zum 10. Lebensjahr werden die Kinder vollgedüst mit Kinderbüchern. Und dann verläuft sich das irgendwie – es hört einfach irgendwann auf. Daran ist aber nicht nur das Internet schuld.“ Als (ehemaliger) Jugendtrainer lud er seine jungen Fußballspieler gerne ein, sich kostenfrei Bücher auszuleihen. „Getan hat es kein einziger“, so das ernüchternde Ergebnis.
Das Antiquariat „Lesezeichen“, Attendorn, Kölner Straße 32, ist täglich von 13 – 19 Uhr geöffnet.
von Daniela Köhler [Text/Fotos]
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