Alter, weiser Sauerländer aus Albaum (Olbäum)

Heinz Fischer liebt Bäume, Bienen und die Natur

Der 9. Februar ist ein frischer, sonniger Donnerstag im Jahr 2023. Punkt 10:00 Uhr drücken wir bei Heinz Fischer in Albaum die Türklingel. Heinz Fischer feiert heute seinen 96. Geburtstag. Wir, das sind Dr. Werner Beckmann vom Mundartarchiv Sauerland in Cobbenrode und der Autor dieses Berichtes. Freunde von Heinz Fischer haben diesen Besuch arrangiert. Er wohnt in dem von ihm selbst erbauten Haus im Erdgeschoss. Sein ältester Sohn und dessen Frau wohnen eine Etage darüber. Wir sind etwas zu früh. Heinz Fischer ist gerade mit dem Anziehen fertig geworden. „Ich brauche mit dem ‚Feinmachen‘ etwas länger, bis ich fertig bin. Das geht nicht mehr so schnell.“

Heute, an seinem Geburtstag, klingelt das Telefon am laufenden Band. Doch Heinz Fischer bittet uns, in der „Guten Stube“ Platz zu nehmen. „Wollt ihr einen Kaffee?“ Wir sagen nicht nein. Zwischen den Telefonaten stellt Heinz die Kaffeemaschine an, bringt mit Mühe Kaffeetassen und Untertassen ins Zimmer. „Nicht einfach, wenn man links und rechts einen Stock hält, um sicher in kleinen Schritten zu gehen“, meint er.

Wir sprechen Sauerländer Platt. Jeder in seiner Version. Dr. Beckmann spricht die Version aus Cobbenrode, ich das Kückelheimer Rest-Platt, da ich zu der Generation gehöre, die Platt zwar versteht, aber nur noch bruchstückhaft sprechen kann. Und dann Heinz Fischer, der sein Olbäumer Platt spricht. Ich merke bei einzelnen Wörtern, wie unterschiedlich sie ausgesprochen werden und klingen.

Fünf Kinder, vier Mädchen und ein Junge, elf Enkel und 19 Urenkel werden heute zu den Gratulanten des 96-Jährigen Sauerländers gehören. „Wir sind fleißig gewesen“, meint Heinz Fischer. Bei Cordes in Altenhundem hat er 1942 eine Ausbildung begonnen. Zum Kriegsende wurde er noch als Flakhelfer eingesetzt, was drei Jahre russische Kriegsgefangenschaft bedeutete. „Wir sind ordentlich behandelt worden. Zwar habe ich keinen Tag genug zu essen bekommen, aber die hatten selbst auch nichts.“ Heinz Fischer schildert seine Erlebnisse in der Zeit des Krieges und danach ohne Groll. 1951 hat er geheiratet und 1957 das Haus gebaut. Der erste Dachstuhl, der bei einem plötzlich aufziehenden Orkan vom Rohbau flog, bewegt ihn noch heute. „Da habe ich erst einmal richtig geheult.“ Sein Leben damals schildert er so: „Tagsüber war ich bei der Bahn, und wenn ich von der Arbeit kam, wurde bis in die Nacht das eigene Haus Schritt für Schritt fertiggestellt. Die Bruchsteine für das Kellerwerk habe ich im Steinbruch selbst gehauen.“

Sein Leben lang hat sich Heinz Fischer am liebsten in der freien Natur aufgehalten. „Ich liebe die Natur. Vor allem die Bienen und Vögel: besonders Schwalben, Krähen, auch die Spatzen.“ Immer, wenn es Frühjahr wurde, hat der Albaumer Bäume gepflanzt. „Mindestens eine Million Bäume habe ich wohl in die Erde gebracht“, berichtet der 96 Jährige. Und ergänzt: „Und mich dabei auch eine Million Mal gebückt.“

Heinz Fischer erzählt uns viele Episoden und Ereignisse aus seinem Leben. In Albaumer oder Sauerländer Platt bekommen sie dazu eine besondere Note. Heinz Fischer hat viele Lieder und Texte aus anderen Sauerländer Dialekten in sein Albaumer Platt übersetzt. „Für die Nachwelt“, sagt er. „Geht ja sonst alles verloren. Spricht ja keiner mehr“. „Ick sin de letzte im Doarpe, doi Platt kuiert.“ Und auf Hochdeutsch ergänzend: „Als die Kinder früher in die Schule kamen, konnten sie meist kein Hochdeutsch. Das mussten sie erst lernen.“

Bevor wir uns verabschieden und einen weiteren Termin im Frühjahr vereinbaren, wenn die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht ist, hat Heinz Fischer noch einen praktischen Rat für Menschen, die nicht mehr so gut hören: „Wenn man auf einem Ohr schlechter oder kaum noch hört, dann legt man sich nachts auf das andere Ohr. Dann kann man gut schlafen.“