Alte Weihnachtsbräuche aus dem Sauerland

Bärbel Michels

Quelle: WOLL-Verlag

Die Sauerländer Autorin Bärbel Michels veröffentlichte 2014 das Buch „Das Fest der Liebe“. Darin beschreibt sie die zahlreichen Weihnachtsbräuche im Sauerland.

Die besinnliche Zeit steht vor der Tür. Zum Jahresausklang zelebrieren viele Menschen Traditionen, die sie bereits aus Kindertagen kennen. Weihnachten und das Neujahrsfest werden seit Jahrhunderten in der christlichen Welt gefeiert. Und obwohl in den meisten Familien die Rituale immer gleich ablaufen, ändern sich die Weihnachtsbräuche im Laufe der Jahrhunderte. Oftmals passiert das schleichend. Gut, dass es Menschen wie Bärbel Michels gibt, die sich mit den alten Weihnachtstraditionen aus dem Sauerland beschäftigen. So geraten die Rituale vergangener Tage nicht in Vergessenheit.

Das schwebende Christkind

Bis in die 1960-er Jahre sorgte das schwebende Christkind im Sauerland für kugelrunde Kinderaugen. Dabei handelte es sich um eine Puppe, die von den größeren Mädchen im Dorf oder in der Stadt in weiße Kleider gehüllt wurde. Einige Tage vor Weihnachten ging der Spaß los. Bei einem Spaziergang durch den Ort hielten die Mädchen die Puppe vor die Fenster der Wohnstuben. Die Bewohner und vor allem die Kinder in den Häusern starrten gespannt das schwebende Christkind an. Dadurch, dass die Kleinen das Christkind mit eigenen Augen gesehen hatten, steigerte dies die Vorfreude und Aufregung auf Weihnachten noch ein ganzes Stück mehr. 

Christkind, Nikolaus und Weihnachtsmann

Das Christkind geht übrigens angeblich auf den Reformator Martin Luther zurück. Er galt als ausgesprochener Gegner der Heiligenverehrung, weshalb er dem heiligen Nikolaus nichts abgewinnen konnte. Deshalb wurde ein engelsgleiches Wesen statt des bärtigen Mannes installiert. Mädchen in Brautkleidern und mit verschleiertem Gesicht zogen seither durch die Ortschaften des Sauerlandes und überreichten Geschenke. Der Weihnachtsmann gesellte sich erst im 19. Jahrhundert zu dem Heiligen Nikolaus und dem Christkind dazu.

Die Erfindung des Weihnachtsmanns hat ihren Ursprung vermutlich in den USA. Illustrationen des rot gekleideten Mannes mit Rauschebart wurden dort bereits 1821 im Buch „The Children’s Friend: A New-Year’s Present, to the Little Ones from Five to Twelve“ von William B. Gilley veröffentlicht.

Bis heute hat die Gestalt des Weihnachtsmannes immer mehr an Popularität gewonnen. Deshalb ziert er auch mittlerweile verschiedensten Dekorations- und Weihnachtsartikel wie die Gruß-, Einladungs- und Tischkarten von karten-paradies.de.

Die Bedeutung des 24. Dezembers

Im Sauerland wird heutzutage am 24. Dezember ausgiebig das Weihnachtsfest gefeiert. Doch das war nicht immer so. In früheren Zeiten diente der Tag zum Arbeiten und Fasten. Meistens wurde bis zur Mittagszeit geschuftet. Danach galt es, die letzten Besorgungen für die Weihnachtsfeiertage zu erledigen. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts fehlte von der großen Bescherung am Abend des 24.12. jede Spur. Im Gegenteil, denn die Bevölkerung ging an diesem Tag normalerweise sehr früh zu Bett. Der Besuch der Christmette war damals Pflicht. Der Gottesdienst fing in vielen Orten bereits zwischen drei und fünf Uhr früh an.

Dafür stellten früher die Kinder am Abend des 24. Dezembers leere Teller vor die Tür. Am nächsten Morgen waren darauf die Gaben drapiert. Während die Bescherung im 19. Jahrhundert nur spärlich und karg ausfiel, ändert sich das langsam mit der Jahrhundertwende. Jetzt lagen neben Süßigkeiten und Backwaren auch immer häufiger Spielsachen oder warme Kleidung als Geschenke bereit. Heute würden Kekse und Obst als einzige Weihnachtsgeschenke wohl eher einen Wutanfall als Freudenlaute hervorrufen.

Geschenke für Verkehrspolizisten

In Westfalen etablierte sich in den 1950-er Jahren ein lustiger Brauch. Dadurch, dass damals das Verkehrsaufkommen immer weiter anstieg, waren auch viele Verkehrspolizisten im Einsatz. An Weihnachten fingen Passanten an, den Beamten verschiedene Gaben zu überreichen. Meistens fuhren sie mit ihren Fahrzeugen langsam an den Hütern des Gesetzes vorbei, kurbelten die Fenster herunter und übergaben ihre Geschenke. Von der Flasche Wein über Bier und Zigaretten war alles Mögliche dabei. Natürlich verzehrte die Polizisten die alkoholischen Getränke nicht im Dienst.

Bleigießen als Mädchenbrauch

Bleigießen ist auch heute noch ein Brauch, der in vielen Familien zum Jahresende begangen wird. Dabei wird das Metall über einer Flamme geschmolzen und dann ruckzuck ins bereitgestellte Wasser gekippt. Aus der Form des erhärteten Bleis lassen sich alle möglichen Vorhersagen für das nächste Jahr ablesen.

Im Sauerland wird der Brauch des Bleigießens schon viele Jahrhunderte lang praktiziert. Dabei waren es früher vor allem die jugendlichen Mädchen und jungen Frauen, die sich im Orakeln übten. Sie wollten herausfinden, wer ihr zukünftiger Partner sein würde. Nicht nur geschmolzenes Metall nutzen die Frauen für die Prognosen. Einige versuchten sich auch im Waschbeckenschauen, wobei ebenfalls das Antlitz des Zukünftigen auftauchen sollte.

Heischelieder am Stephanustag

Bärbel Michels beschreibt in ihrem Buch “Das Fest der Liebe. Weihnachten im Sauerland und im Wittgensteiner Land in früherer Zeit” auch den Brauch der Heischelieder. Dabei zogen Gruppen junger Männer am zweiten Weihnachtsfeiertag durch die Straßen. Sie hielten vor den Häusern und sangen dort ihre Lieder. Dafür erhielten sie von den Bewohnern verschiedene Gaben wie Lebensmittel, aber auch Schnaps und Bier. Zudem wurden Wachs und Flachs bei dieser Gelegenheit eingesammelt. Daraus bastelte die Gemeinde eine schöne Kerze für die Kirche. So hatte das ganze Dorf etwas von der Tradition.