„Das Sauerland ist ein Raum, der mir Freiheit schenkt. Leider hat die Region aktuell einige große Probleme: der Zustand unsere Wälder, unser Umgang mit Wasser sowie die Folgen der Unwetter und natürlich die Pandemie. Das alles muss man lösen. Dabei gilt es, dass die älteren Menschen in Würde leben können und die jüngere Generation weiterhin gute Entfaltungsmöglichkeiten hat“. Das sagt Altabt Stephan Schröer von der Abtei Königsmünster in Meschede in einem Gespräch mit den WOLLRedakteuren Tiny Brouwers und Hermann-J. Hoffe.
Drei Probleme
WOLL: Was sind in Ihren Augen momentan die größten Probleme?
Altabt Stephan Schröer: Das ist erstens der Zustand unserer Wälder, dann unser Umgang mit Wasser und die Folgen der Unwetter und zum dritten die Corona-Pandemie. Alle drei haben großen Einfluss auf das Leben im Sauerland.
WOLL: Hat der Zustand unserer Wälder und der Umgang mit Wasser etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Altabt Stephan Schröer: Das Waldsterben und die Unwetter haben mich schon sehr nachdenklich gemacht. Wir sind wahrscheinlich auf dem Weg in eine Mischwaldgegend. Der Wald wird schöner werden und vielseitiger, aber wir müssen dran. Im Wald wird im Moment reagiert, die Borkenkäferstämme werden abtransportiert. Wir müssen also ernsthafter an eine Umstrukturierung der Natur gehen und das tun, was der Natur dient. Das wird nicht mehr mit Monokulturen gehen. Monokultur war sicher verkehrt. Im Schwarzwald und im Bregenzerwald hat man das rechtzeitig besser gemacht.
WOLL: Machen uns diese Herausforderungen sensibler für die Klimaprobleme?
Altabt Stephan Schröer: Das ist richtig, es macht uns tatsächlich sensibler für Klimaziele. Diese Katastrophen sind natürlich ein Hinweis, dass es so nicht weitergehen kann. Wann haben wir so etwas Mal gehabt? Wir müssen offen sein für Probleme, die über unseren begrenzten Blick hinausgehen. Ich denke, das ist ein wichtiges Anliegen. Wir brauchen eine Sensibilität für die Probleme und Chancen der großen Welt und gleichzeitig eine intensive Beschäftigung im Leben mit den Dingen vor Ort. Wir müssen nicht in unserer Käseglocke hier ersticken. Das bedeutet, zu schauen, was in der Welt passiert und gleichzeitig im Sauerland auf den Klimawandel reagieren. Und wenn ich über Wasser spreche: fürmich bleibt es ein Produkt der Zukunft und unser Schatz hier in der ländlichen Gegend. In einem Gleichklang mit der Natur ist auch ein Teil des Wasserproblems gelöst. Wasser ist unser Schatz. Wenn man öfter mal in Afrika war, dann sieht man das auch ganz anders.
WOLL: Wie haben Sie die Corona-Pandemie erlebt?
Altabt Stephan Schröer: Das war für uns in der Abtei eine schwierige Zeit, weil wir einen Teil unseres Lebens im Glauben einfach ausleben konnten. Die Menschen konnten wegen der teilweißen Schließung der Schule und der Schließung der Gästehäuser nicht kommen. Und ich weiß natürlich aus meinem Freundeskreis, wie grausam Einsamkeit ist. Es war für viele ein Problem, die sich eingesperrt fühlten. Umso mehr war es auch eine Zeit der Suche nach Kontakten. Ich habe in dieser Zeit über das Telefon manche Menschen wieder entdeckt, die ich im Alltag vergessen hatte. Und ich war dankbar, dass wir bei all den Einschränkungen, hier in der Gemeinschaft zusammenleben konnten. Teilweise lebten wir in der Abtei ohne Mitarbeiter. Da ist mir noch mal deutlich geworden, wie wichtig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für uns sind: in den Handwerksbetrieben und in der Schule natürlich. Es war schon eine schwere Zeit, denn wir mussten auch erstmal lernen, damit umzugehen.
Ältere Menschen
WOLL: Denken Sie, dass die Corona-Pandemie die Gesellschaft in den Sauerländer Dörfer verändert hat?
Altabt Stephan Schröer: Wir müssen wahrscheinlich ein bisschen abwarten, um das wirklich zu beurteilen. Die Pandemie hat mich in eine Nachdenklichkeit und Hilflosigkeit gebracht. Ich wünsche mir gerade in solchen Zeiten, wenn Probleme da sind, die Ruhe und die Ausgewogenheit, um gemeinsam zu einer Lösung zu finden. Das ist mir sehr wichtig, gerade auch aus meiner christlichen Überzeugung. Allgemein will ich auch wegen der Pandemie noch ein allgemeines Thema ansprechen: denkt an uns ältere Menschen. Ich denke an die Verödung der Dörfer, da hat sich wohl an Infrastrukturen im Sauerland nicht allzu viel geändert. Ich sehe das Problem, dass alleinstehende Ältere in den kleinen Dörfern ziemlich hilflos sind. Wir werden älter. Umso mehr brauchen wir da auch die Aufmerksamkeit, dass wir in Würde leben können. Selbstverantwortlich, das wollen meisten Alten. Aber wir würden uns auch hin und wieder Hilfe wünschen, dass uns das leichter gelingt. Wir möchten nicht abgeschoben werden. Wir möchten uns einbringen. Ich würde mal sagen, Ehrenamt ohne die alten Leute läuft nicht. Es gibt ja viele Bereiche, wo die Alten ein gutes Alleinstellungsmerkmal haben.
WOLL: Was bedeutet für Sie, die Aussage „Sauerland als Lebensform“?
Altabt Stephan Schröer: Diese Satz „Sauerland als Lebensform“ gefällt mir gut. Ich möchte Sauerländer sein, weil das Sauerland für mich ein Raum ist, der mir sehr viel Freiheit schenkt. Ich kann Ideen umsetzen. Ich kann mit Menschen auf eine würdige Weise leben. Ich kann das Sauerland für mich als Basis schätzen, für meine weiten Kontakte in die Welt. Ich glaube, dass das Sauerland in seiner Prägung auch weiterhin ein guter Ort ist, einfach eine Lebensmöglichkeit zu einer guten Freiheit. Und zu dieser Freiheit gehört die weite Welt. Und umgekehrt möchte ich die weite Welt und die Menschen von auswärts bei uns begrüßen. Und ihnen erzählen, wie wir zu leben versuchen. Das sind Mehrgenerationenprojekte. Wir haben die Basis und auch die Menschen. Wir haben einen hohen Bildungsstand. Das sind doch tolle Sachen. Wir haben eine recht tolerante Struktur, auch was das Miteinander der Religionen angeht.
WOLL: Und das Sauerland als Lebensform gilt auch für junge Leute?
Altabt Stephan Schröer: 100 Prozent. Das Sauerland kann für junge Menschen ein Laboratorium sein, wo es auch Wohnmöglichkeiten zu entdecken gibt. Denn die Basis haben wir. Die Jugend kann sich in der Natur austoben. Die haben genug Wasser zum Schwimmen. Wir haben immer noch eine ziemlich intakte Natur. Wir haben Arbeitsmöglichkeiten. Wir haben tolle Ausbildungsmöglichkeiten. Wir haben positive Bausteine, die wir den jungen Menschen einfach mal vorsetzen und sagen: macht doch etwas was damit. Aber uns dann in einer Ernsthaftigkeit auch überraschen lassen, wenn es nicht nach unseren Vorstellungen ist. Das ist nämlich das Recht der jungen Leute. Und übrigens auch das Recht der Alten, auch die dürfen ein paar verrückte Ideen haben. Ich würde da natürlich gerne lieber die jungen Leute hören. Wie sie die Alltagskultur leben, das ist vielleicht für manchen Alten gewöhnungsbedürftig. Es gibt viele kleine Initiativen und die sollten gefördert werden. Junge Menschen reisen Gott sei Dank gerne und Menschen, die gereist sind, bringen Toleranz mit. Sollten wir sie nicht ermuntern, davon zu berichten oder Gäste aus dem Ausland hier zu haben? Wir können nur mit offenem Herzen schauen, dass die jungen Leute sich was trauen und dass sie Ideen haben. Aber das gilt auch für die Alten. Ich erlebe in meinem Alter Dinge neu, da staune ich immer wieder.
WOLL: Aber ist es trotzdem vernünftig, den alten, weisen Männern und Frauen zuzuhören?
Altabt Stephan Schröer: Ich möchte sehr vorsichtig sein. Die Weisheit habe ich früher bei Älteren bewundert, aber wo ich selbst alt bin, ist das sehr angekratzt. Ich würde sofort dabei sein, wenn es um einen erfahrenen Schatz geht. Weisheit ist ein sehr hohes Wort, was die Philosophen gepachtet haben. Da würde ich eher vorsichtig sein, aber natürlich, Erfahrung mitzuteilen, mit der Offenheit, dass es von jungen Menschen auch abgelehnt wird. Alte Leute sind schnell in den Klischee: ach, die Geschichte kennen wir schon von früher. Das darf es nicht sein! Wir Alten können beraten in aller Bescheidenheit und mit Wertschätzung gegenüber den Jungen.
WOLL: Haben Sie Ratschläge, wie jüngere und ältere Leute am besten miteinander umgehen können?
Altabt Stephan Schröer: Ratschläge eigentlich keine, aber meine Meinung will ich sagen. Das ist eigentlich kein spezielles Sauerländer Problem, sondern ein generelles Problem zwischen Alt und Jung. Eine Sorge ist sicher, bei noch so einer guten Gestaltung des Alters, mit betreutem Wohnen und so weiter, dass die Alten unter sich bleiben und sich vielleicht die jungen Leute nicht so akzeptiert fühlen. Dass eher geschlossene Welten entstehen. Das wäre nicht gut. Man lebt in seinen Bereichen. Ich lebe auch mit meinen alten Freunden und das macht ja auch Spaß. Ich muss denen auch treu bleiben. Ich kann nicht sagen, ihr seid alt, was will ich mit euch? Aber man muss den Blick drauf richten, dass da noch was anderes ist, nämlich Alt und Jung. Das braucht die Bereitschaft von beiden Seiten. Das ist vielleicht die Herausforderung, aber das geht. Das kann ich bestätigen. Was bin ich froh, dass mich junge Leute manchmal auf neue Ideen bringen.
WOLL: Lieber Altabt Stephan Schröer, wir bedanken uns für diesen intensiven Gedankenaustausch. Wir wünschen Ihnen weiterhin gute und kluge Gedanken, einen regen Meinungsaustausch mit Jung und Alt sowie Gesundheit und Gottes Segen in der Sauerländer Freiheit.