Interview mit Rainer Busemann
Rainer Busemann ist seit November 2021 parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Ense. Wir haben ihn gefragt, was er in der Zeit seiner Amtsführung schon bewirken konnte und welche Ziele er weiterhin hat.
WOLL: Herr Busemann, macht ein Bürgermeister auch Homeoffice?
Rainer Busemann: Ja, ein Bürgermeister macht auch Homeoffice. Allerdings hat sich das bei mir auf ein paar Tage beschränkt. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich trotzdem zweimal am Tag ins Rathaus gefahren bin, um gewisse Termine wahrzunehmen, habe ich mich dann doch dazu entschlossen wieder komplett im Rathaus zu arbeiten.
WOLL: Wie hat Corona die Digitalisierung des Enser Rathauses vorangetrieben?
Rainer Busemann: Das Thema Digitalisierung wurde in den letzten Jahren bereits angestoßen, aber wir treiben es jetzt gerade stark voran. Das Rathaus digitaler zu machen ist eins der festen Ziele, das ich erreichen möchte. Als Erstes steht das Dokumenten-Management-System an. Das Rathaus ist noch sehr papierlastig, was mich ehrlicherweise ein bisschen zurückversetzt hat. Aber dadurch, dass ich das als Geschäftsführer schon einmal gemacht habe, weiß ich, welche Schritte zu tun sind. Das Dokumenten-Management-System wird noch dieses Jahr eingeführt. Aus der Erfahrung weiß ich, dass man etwa zwei Jahre braucht, bis das alles reibungslos funktioniert.
WOLL: Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der Enser Wirtschaft?
Rainer Busemann: Ich denke, dass Industrie und Handwerk in Ense mit einem blauen Auge aus der Pandemie kommen werden. Aber bei der Gastronomie wird es langsam brenzlig. Diese Branche ist vielleicht die, die durch Corona am meisten geschädigt ist. Auch in Ense.
Wir haben nur noch etwas mehr als eine Handvoll Gastronomiebetriebe in Ense. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 13.000 halte ich das für nicht viel. Wir müssen es als Enser doch schaffen, dass die alle ihr Auskommen haben. Hier gilt es auch den Bürgern klarzumachen, dass man dort hingehen muss, wenn man Gastronomie vor Ort haben will. Nach der Pandemie besteht die Gefahr, dass sich viele längst an ein anderes Leben gewöhnt haben. Das gilt auch für die Vereine mit ihren großen Festen und Veranstaltungen.
WOLL: Warum gehören Sie keiner politischen Partei an? Zu welcher fühlen Sie sich am meisten hingezogen bzw. mit welcher Partei haben Sie die größten Schnittmengen?
Rainer Busemann: Bei mir stand immer das Ehrenamt im Vordergrund. Ob es die katholische Landjugend, die Kirche, die Schützen oder verschiedene Vereine waren. Ich habe mich da sehr stark engagiert. Da ist neben dem Beruf, in dem ich auch viel unterwegs gewesen bin, kein Platz mehr für politische Aktivität geblieben. Von daher war für mich auch klar, dass ich als Parteiloser antrete, wenn ich keiner Partei angehöre. Zum Glück habe ich sehr schnell gespürt, dass die Unterstützung der Parteien, mit denen ich gesprochen habe, gegeben war.
Als Mann aus der Wirtschaft könnte man sagen, ich sympathisiere mit CDU und FDP. Aber für mich ist das Thema Umwelt genauso wichtig. Ich arbeite in Ense sehr gut mit den Grünen zusammen. Auch die Zusammenarbeit mit der nicht immer parteipolitisch denkenden Bürgergemeinschaft macht mir Spaß. Also kann ich nach einem halben Jahr sagen, dass es auf jeden Fall die richtige Entscheidung war, parteilos anzutreten. Ich habe dadurch keinen Nachteil. Zumal ich denke, dass der Bürger diese Unabhängigkeit honoriert.
WOLL: Sie haben im Wahlkampf immer wieder betont, wie wichtig es Ihnen ist, junge Enser in der ländlichen Gemeinde zu halten – ohne dabei konkret zu werden. Mittlerweile sind Sie ein halbes Jahr im Amt. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen, um dieses Ziel zu erreichen?
Rainer Busemann: Das Thema Wohnraum schaffen ist mir wichtig. Wir sind gerade in Gesprächen mit Investoren, die diesen Wohnraum schaffen wollen. Wir als Gemeinde wünschen uns zum Beispiel Wohnraum zwischen 50 und 60 Quadratmetern, dabei denke ich auch an die jungen Leute. Denn nur wenn wir ihnen Wohnraum bieten, sehen diese sich nicht gezwungen, überhaupt erst aus Ense wegzuziehen und wir müssen nicht enorme Energie hineinstecken, diese Menschen wieder nach Ense zu holen.
WOLL: Wie schon Ihr Vorgänger veranstalten Sie regelmäßig Bürgermeistersprechstunden. Was sind die häufigsten Anliegen, die Ihnen dort vorgetragen werden?
Rainer Busemann: Ein großes Thema ist der Verkehr. Da geht es zum Beispiel um Straßen, die zugeparkt werden. Geschwindigkeiten, insbesondere in den Ortseinfahrten, spielen auch eine Rolle. Zudem ist das Interesse an Baugrundstücken und Baugebieten groß. Ab und zu gibt es auch Hinweise, die sozialer Natur sind. Menschen, die darum bitten mal ein Auge auf den ein oder anderen zu werfen, um den sie sich sorgen.
WOLL: Was ist für Sie im Moment die größte Herausforderung oder wichtigste Aufgabe, die Sie anpacken wollen?
Rainer Busemann: Das ist die Personalentwicklung im Rathaus. Herr Fresen (Anm. d. Red.: ehemaliger Beigeordneter) hat uns verlassen. Daraus ergibt sich für mich die Möglichkeit die Personalsituation zu prüfen. Wenn ich von Vision 2030 spreche und wie sich Ense in zehn Jahren entwickelt, dann spreche ich auch von den Leuten im Rathaus, die ich für diese Entwicklung brauche. Ich sage nicht, dass eine Stelle durch die andere ersetzt wird. Ich brauche qualifizierten Mitarbeiter an den richtigen Stellen.
Ich bin positiv angetan von dem, was ich an Mitarbeitern im Rathaus angetroffen habe. Ich merke auch, dass die diesen Weg mitgehen wollen. Ich möchte die Personalentwicklung an die Gemeindeentwicklung koppeln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die richtigen Stellen setzen.
Wir werden für Herrn Fresen niemanden neu einstellen. Ich sehe die Qualifikation für den Posten im Haus. Teilweise auch bei jungen Leuten. Wir werden denen Aufgaben und Führungsverantwortung geben, so dass sie ihre nächsten Entwicklungsschritte machen können. Das ist mir in der nächsten Zeit ganz wichtig, weil es akut ist. Da hängt letztlich auch die Digitalisierung des Rathauses dran.
WOLL: Sie sind nicht nur Vollblut-Schütze, sondern auch Fußballfan. Für welchen Verein schlägt Ihr Herz?
Rainer Busemann: Ich bin ja jemand der immer positiv nach vorne schaut, aber bei den Königsblauen fällt mir das im Moment schwer. Ja, ich bin Schalker. Durch und durch. Und ich werde immer Schalker bleiben. Wenn wir in die dritte Liga gehen, dann komme ich auch mit.