Alphörner vom Haarstrang

Hubert Hense lebt seine Leidenschaftfür Musik und Holz aus

Text und Fotos: Thomas Nitsche

Späne fliegen durch die Luft in der kleinen Werkstatt von Hubert Hense. Die Fräse, die beim Kernelement des Alphorns, dem sogenannten „Becher“ zum Einsatz kommt,  gräbt sich ins Holz. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, strahlt der 65-jährige Holzkünstler. Seit gut 15 Jahren baut Hubert Hense das traditionelle Blasinstrument. Zuerst neben seinem Beruf als Geschäftsstellenleiter einer Tageszeitung in Werl und nun seit elf Jahren hauptberuflich.

Insgesamt 35 Stunden wird Hubert Hense hier zwischen Drechselbank, Schleifpapier und Leim arbeiten, bis er wieder ein Alphorn fertiggestellt hat. „Immer wenn ich Zeit habe, bin ich in meiner Werkstatt und erstelle Alphörner. Andere gehen zum Fußball oder sitzen in Kneipen. Meine Hobbies sind das Holz und die Musik und beim Alphorn passt eben beides zusammen“, beschreibt der Altenmellricher seine Berufung.

Schon in der Grundschule zeichnete sich das Interesse für das Kunsthandwerk ab. Beim Kunstunterricht werkelte er mit Holz; das Schnitzen, Schleifen und Entstehen von Formen weckten in Hubert Hense eine neue Leidenschaft, die ihn bis heute nicht losgelassen hat. Mit 14 Jahren fand er auf dem Dachboden seiner Eltern ein altes Feuerwehrhorn. Er blies hinein und brachte sogar schon kräftige Töne aus dem unbekannten Instrument heraus.

Zur gleichen Zeit gründete der damalige Pastor Gerhard Schulte-Ontrop eine Blaskapelle. Nun war es für den heute 65-Jährigen klar, dass er sich diesem Verein anschließen musste. Er lernte das Spielen des „Es-Wald-Horns“, später kamen Akkordeon und Orgel noch hinzu. Mit 18 Jahren gründete er mit Freunden die Tanzkapelle „Die Wegas“. Nun war die Musik sein Leben. Einige Jahre später entdeckte er erneut seine Leidenschaft für das Holz. Sein Interesse an Holzbildhauerei und Drechselarbeiten stieg, die kreative Holzgestaltung zog ihn immer mehr in den Bann. Angefangen hat Hense damit, Holzfiguren und Bilder zu fertigen. Es folgte das Schnitzen einiger Karikaturen des Karikaturisten Jürgen Tomicek, die er in Berlin ausgestellt hat. Im Sommer 2019 hat Hense mit seinem Alphorn- und Musikfreund Norbert Großewinkelmann aus Lippstadt im Museum der Schatzkammer Belecke eine Ausstellung zum Thema Alphorn organisiert.

Inzwischen spielte er im Musikverein Anröchte das Tenorhorn. Nun machte sich Hubert Hense Gedanken, wie  er seine beiden Hobbies verbinden kann. Da kam er Weihnachten 2004  auf die Idee, ein Alphorn zu bauen. Er besorgte sich Fachliteratur und machte sich ans Werk, ein Holzblasinstrument zu bauen. Für sein erstes Instrument hat Hubert Hense rund 120 Stunden gebraucht. Das Resultat war damals klanglich überzeugend. „Nur über die Optik konnte man streiten. Aber meine Musikfreunde und ich waren begeistert“, sagt er und lacht. Kurz danach kam auch schon der erste Kunde aus Belecke, der ein Alphorn haben wollte.

Anfragen aus aller Welt für Alphörner vom Haarstrang

Inzwischen finden seine Alphörner reißenden Absatz, bis hin nach Bayern, Österreich, Schweiz, Südkorea, Japan, Philippinen, Frankreich, USA oder England. Das Sinfonieorchester Bremen und das Orchester des Mitteldeutschen Rundfunks spielen Henses Alphörner. Die jüngsten Anfragen stammen aus Australien. Ein Musikhausinhaber aus dem Bundestaat Utah bestellt regelmäßig bei Hubert Hense neue Alphörner. Auch das bekannte russische Orchester des Bolschoi-Theaters bekam Instrumente geliefert.

Einen außergewöhnlichen Auftrag bekam der Holzkünstler 2010: Der Heeresmusikkorps Gebirgsjäger Garmisch Partenkirchen bestellte vier Alphörner bei ihm. „Da war ich schon überrascht, dass die Bundeswehrmusiker zur mir kamen und nicht  in ihrer Gegend bestellten“, denkt er an die Anfänge zurück. Ein Musiker aus Kassel hatte dem im Kreis Soest wohnenden Hubert Hense empfohlen.

Ein fertiges Alphorn bringt rund acht Kilogramm auf die Waage. Für den Bau verwendet Hubert Hense feinjährige Fichte, Ahorn- oder Erlenholz.

In der Werkstatt werden die Hölzer geschliffen und mit Hilfe von Zeitungspapier aneinander geleimt. Später werden diese auf der Drehbank in Form gebracht und anschließend wieder auseinander geschnitten, geschliffen, mit der Schleifhexe ausgehöhlt und erneut verleimt.  Auf diese Weise entstehen Mund-, Mittel- und Endrohr sowie der Becher am Ende des Alphorns.

Die Haarstrang-Alphornisten proben regelmäßig in Günne

Verbunden werden die einzelnen Teile mit Messingmuffen. Als Verbindungsstück zwischen Endrohr und Becher dient ein stützender Holzring. Das Mundstück wird vom Hubert Hense ganz nach den Wünschen seiner Kunden angefertigt. Auch bei den Verzierungen darf der Käufer mit entscheiden.

Der Durchmesser der Holzrohre muss genau von 28 Millimetern auf 108 Millimeter hinauslaufen. Wenn das nicht der Fall ist, bekommt auch der talentierteste Alphornist keinen wohlklingenden Ton heraus. Und der Holzkünstler hat inzwischen an einer weiteren Optimierung seiner Alphörner getüftelt. Da seine gebauten Holzblasinstrumente über keinerlei Tasten oder Löcher verfügen, kann man damit auch keine chromatische Tonleiter, auch Halbtonleiter genannt, spielen. „Ich möchte gerne ein Instrument entwickeln, in dem die Tastatur eines Blechbläsers integriert ist“, blickt er nach vorn. „Dann aber dürfte das Alphorn nur 2,64 Meter lang sein, damit in der Grundstimmung B die Halbtonleiter gespielt werden kann“, so Hense. Seine Entwicklung an Holzblasinstrumenten geht immer weiter. Zahlreiche verschiedene Modelle sind in den Jahren entstanden. Dazu gehört auch ein Alphornsaxophon. Sein längstes selbstgebautes Alphorn hat eine Länge von 7,30 Meter und die Grundstimmung F.

Hubert Hense baut aber nicht nur die Instrumente. Bei öffentlichen Auftritten zeigt er sein Können auch beim Spielen der Alphörner. Erfolgreich tritt er mit Kollegen in Kirchen auf. Alle zwei Wochen probt er mit den „Haarstrang-Alphornisten“ (Matthias Köhler, Josef Schulte, Josef Horstmann, Ute Bovensmann und Jörg Drewing) in Günne bei Christof Winkelmann in der Werkstatt. In der Wiesenkirche in Soest ist das nächste Kirchenkonzert am 20. Oktober 2019. Ein Archiv-Video von der Alphornprobe in Günne gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=re7DEfUQ9DQ

Hubert Hense aus Altenmellrich baut Alphörner. Inzwischen hat er mehrere Hundert Alphörner gebaut und in diue ganze Welt verschickt.
Hubert Hense aus Altenmellrich baut Alphörner. Inzwischen hat er mehrere Hundert Alphörner gebaut und in diue ganze Welt verschickt.