Akademikereltern – Handwerkerkinder?

Quelle: WOLL-Magazin

Immer mehr junge Menschen studieren. Die Zahl der Studierenden in Deutschland ist von 2,2 auf 2,7* Millionen angestiegen. Einige sprechen in diesem Zusammenhang gar von „Akademisierungswahn“. „Bildung für alle!“. Warum allerdings stammen nur 27 % der Studierenden aus Arbeiter- und Handwerkerfamilien?** Was läuft falsch?

Können sich Akademikerkinder wirklich frei für ein Studium entscheiden oder sitzen ihnen die Eltern „im Nacken“? Und: Führt dieser Druck nicht zwangsläufig zu einem Studienabbruch? Noch immer halten Akademikereltern ihre Kinder zum Studium an, Nicht-Akademikereltern raten zu einer „handfesten und soliden“ Ausbildung. Die Schere zwischen den Milieus klafft in diesem Bereich immer noch weit auseinander.

Akademikereltern haben natürlich mehr Ressourcen, um ihre Kinder zu fördern. Wobei Nicht-Akademiker die Kosten oftmals überschätzen. Eine gute Beratung diesbezüglich ist sicherlich sehr ratsam. Letztlich hat ein Hochschulabschluss noch immer einen sehr hohen sozialen Stellenwert.

Aber gleich, in welche Richtung die Beratung zielt. Entscheidend sollte der Wille des Kindes und dessen Fähigkeiten und Talente sein. Wenn ein junger Mensch auf Anraten seiner Eltern einen für ihn falschen Weg gegangen ist und feststellen muss, dass ein Studium nicht das Richtige für ihn ist, sollte er sich nicht unnötigerweise länger damit herumquälen, sondern nach Möglichkeiten suchen, anders zu seinem Traumberuf zu kommen. Außerdem ist es als Studienabbrecher in der Regel kein Problem, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Jeder dritte Betrieb hat schon einmal einen Studenten ohne Abschluss als Azubi eingestellt, belegt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Mehr als drei Viertel der Unternehmen sind bereit, Studienabbrecher auszubilden. „Sie sind die Führungskräfte und Unternehmensnachfolger von morgen“.

Zum Schluss sollte man auch einmal die Ausdrucksweise überdenken, wenn wieder von „bildungsfernen“ Familien die Rede ist. Ein Handwerksmeister oder Techniker als bildungsfern zu bezeichnen, entspricht nicht der Realität. Selbst ein einfacher Arbeiter kann sich neben seinem Beruf zeitlebens weitergebildet haben und es durchaus mit dem einen oder anderen Akademiker aufnehmen.

Quellen:
* Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.1, SS 2020
**Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW)