Auf 20 Streifen à 2 x 20 Metern wachsen Kartoffeln, verschiedene Sorten Salat und Zwiebeln, Kürbisse, Zucchini oder Wirsing. Roter Spitzkohl fällt ins Auge, außerdem die gelbe Bete. Dazwischen eine Reihe Kornblumen, um Blattläuse vom Gemüse abzulenken, auch Ringelblumen leuchten in orange.
Die ersten 14 Meter Ackerheldentum werden nach Plan vorgepflanzt und die letzten sechs Meter gestalten die Ackerhelden nach eigenem Gusto. Hier wachsen z. B. Mais, Fenchel oder Küchenkräuter. Außerdem wird die Nachkultur, also die frei gewordenen Plätze nach der Ernte des reifen Gemüses, selbst ausgewählt. Einzige Vorgabe: Die Pflanzen und Samen sind sämtlich biozertifiziert.
Klingt nach viel Arbeit? Ist es aber nicht. „Die ganze unbequeme Arbeit, die man bei so einem Garten hat, machen wir vorher. Also das Gartenland umgraben, mit Mist düngen, den Mist eingraben – das erledigen wir“, berichtet Ursula Tigges vom Tiggeshof in Ainkhausen. Ihr Familienbetrieb – ebenfalls mit Biozertifizierung und nun in der 19. (!) Generation in Familienhand – macht das Ackerheldentum im Sauerland überhaupt erst möglich. An 20 Standorten ackern die Helden bundesweit: Von München bis Hamburg, von Kamp-Lintfort bis Berlin und mitten drin: Ainkhausen!
Profi-Tipps aus 650 Jahren Erfahrung
Als Ackerheld-Kooperationspartner hält Familie Tigges nicht nur den Acker, sondern auch ein 5.000-Liter-Wasserfass zum Gießen bereit, nebst einer ganzen Reihe von Gießkannen, die fein säuberlich aufgereiht im Bauwagen stehen, dem mobilen Geräteschuppen. Hier finden die Hobby-Gärtner auch Harken und sonstige Gartengeräte für den üblichen Heldenbedarf. Mit zwei bis drei Stunden Aufwand pro Woche ist es laut Ursula Tigges normalerweise getan. Ihr Profi-Tipp für die Bewässerung: Einmal harken, spart dreimal gießen! Der aufgelockerte Boden kann das Wasser dann nämlich viel besser aufnehmen und auch deutlich länger speichern als die harte Ackerkrume.
„Bio – regional – saisonal“ ist das Motto der Ackerhelden. Das bedeutet natürlich auch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Gefräßige Kartoffelkäfer und nimmersatte Raupen des Kohlweißlings werden hier mit der Hand abgesammelt, Netze schützen vor allzu großem tierischem Mundraub. Dem scharfen Auge der Bio-Landwirtin entgeht nichts: Sobald die Fraß-Kandidaten fliegen, schlägt Ursula Tigges über Facebook Alarm und die Ackerhelden eilen zur Rettung herbei. Von der Ackerheldenzentrale in Essen kommt zusätzlich digitale Unterstützung durch E-Mails mit saisonalen Infos, Rezepten und jeder Menge anderer Heldentipps.
Gärtnern für Leib und Seele
Heroen aus Arnsberg, Neheim, Hüsten, Herdringen und auch ein paar überregionale „Exoten“ aus dem Märkischen Kreis ackern und ernten hier von Mai bis November. Im Oktober wird die nächste Parzelle bestellt, es gibt sogar eine Warteliste für Neu-Helden. Drei verschiedene Arten von Laien-Landwirten beobachtete Ursula Tigges in ihren Habitaten: Familien mit Kindern, wo es mehr auf das gemeinsame Tun und Erleben als auf das Ergebnis ankommt; dann die Helden mittleren Alters, die Wert legen auf gesundes Gemüse und die den Chill-Faktor beim meditativen Gärtnern in den frühen Morgenstunden oder am Abend schätzen; außerdem größere Familien, die generationenübergreifend ertragsorientiert ackern, also die Jüngeren ackern jedenfalls und die Älteren sitzen derweil gern in Rufweite auf dem mitgebrachten Klappstuhl und erteilen wohlmeinende Anweisungen.
Familie Unger aus Bruchhausen wollte diesen Sommer wegen der Corona-Situation anders angehen und hat den Garten auf ihren 11-jährigen Sohn Jonas angemeldet, der fleißig mitharkt und -erntet. Das gemeinsame Ackern ist auch eine willkommene Alternative zum Medienkonsum daheim. „Wir genießen das Ernten, das Land und das Panorama. Das ist eine gesunde Kombination und wir lernen alle drei dazu bei diesem schönen Familienprojekt“, schwärmt Familie Unger. Auch Heldin Beate L. aus Werdohl schätzt es sehr, an der frischen Luft zu sein, mit den eigenen Händen etwas zu schaffen und gesundes Gemüse zu ernten. „Hier gibt es keine Autos, rein gar nichts. Da bin ich nur mit mir und meinen Pflanzen. Da kommt man raus und ist ein anderer Mensch.“