Abi oder Olympia? Beides!

Michelle Göbel aus Usseln startet als Skispringerin voll durch

Hätten Sie je gedacht, dass Sie sich DAS zutrauen? Sie rutschen auf den Balken und schauen hinab ins winterliche Tal. Tausende Zuschauer blicken zu Ihnen hinauf und warten auf Ihren Anlauf von der steilen Schanze, den beherzten Absprung und Ihren mutigen Sprung. Der soll möglichst perfekt und weit sein. „Ziiiiiiiiiiieeehhh“, schreien sie dort unten. Doch bevor Sie heftige Probleme mit der Landung bekommen, wachen Sie zum Glück schweißgebadet, aber erleichtert aus Ihrem Alptraum auf. Sie sind ja schließlich nicht Michelle Göbel, Deutschlands neue Skisprunghoffnung! 

Es gibt Sportarten, die betreibt man nicht als Hobby am Wochenende oder im Urlaub.  Skispringen gehört dazu. Wer sich auf Skiern von einem hohen Schanzenturm innerhalb weniger Sekunden viele Meter hinab ins Tal begibt, der hat zuvor lange geübt. Die sechzehnjährige Michelle Göbel aus Usseln trainiert seit vielen Jahren beim SC Willingen – und das hat sich ausgezahlt. Nach ihrer erfolgreichen Zeit bei den Juniorinnen begann nun die aufregende Zeit im Team der Seniorinnen.  

Sprung in die deutschen TOP 10 

Große Wettkämpfe locken. „Ich starte bereits seit drei Jahren im Alpencup; inzwischen auch im FIS- und Continental Cup“, erzählt sie, und sie verrät: „Es ist schon spannend, auf die echten Größen meines Sports zu stoßen, und es spornt mich an, mich beispielsweise mit der mehrfachen Deutschen Meisterin Katharina Althaus messen zu können, auch wenn ich gegen sie heute noch chancenlos bin.“ Immerhin: Die Sauerländerin landete kürzlich bei den Deutschen Meisterschaften in Oberstdorf unter den Top 10. Das riecht nach Zukunft! 

Auf dem Weg zum Abi an der Uplandschule 

Zuhause in Willingen ist Michelle in erster Linie Schülerin auf dem Weg zum Abi. An der Uplandschule werden Leistungssportler bedarfsgerecht unterstützt, damit neben dem Sport auch die „normale“ Schulbildung nicht zu kurz kommt. Freistellungen für das Training und die Wettkämpfe werden mit Förderunterricht und individueller Begleitung durch Sportkoordinator Michael Schulenberg ausgeglichen. „Für bessere Englisch- und Mathekenntnisse darf dann beispielsweise mal der allgemeine Sportunterricht geschlabbert werden“, weiß Michelle. Auch ihre Mutter Bettina Göbel ist begeistert. „Die Nachwuchssportler sind bei der Willinger Eliteschule des Sports in den besten Händen.“ 

Verein, Sponsoren, Eltern und Ehrenamtliche 

Auf sportlicher Ebene sorgt der SC Willingen dafür, dass die jungen Menschen ihren Weg erfolgreich gehen können. „Unsere Trainer Jörg Pietschmann und Heinz Koch setzen sich sehr für uns ein und kitzeln das Letzte aus uns raus“, berichtet Michelle. Sie weiß: „Neben unseren Eltern und den Sponsoren unterstützt uns der Verein auch sehr gut in finanzieller Hinsicht. Die Kosten für die Materialien oder die Fahrten zu den Wettkämpfen könnten ansonsten gar nicht aufgefangen werden.“ Ihre Mutter ergänzt: „Das ist dem Verein wohl nur wegen des hier jährlich stattfindenden Weltcups und dank der Arbeit der vielen Ehrenamtlichen möglich. Da bleibt genug Geld in der Kasse, das dann den Sportlern zugute kommt.“ 

Großereignis: Der Weltcup in Willingen 

Ja, der Weltcup! Nur für dieses Ausnahme-Wochenende, das Zuschauer hierher und vor die Bildschirmen lockt, wird die Mühlenkopfschanze, die weltweit größte Großschanze, aufwendig präpariert. In der übrigen Zeit fungiert sie als Touristenmagnet und Fotomotiv. Keine Chance also für Michelle und ihre Willinger Mitstreiter auf regelmäßige Sprünge von der Hausschanze. Diese finden an anderen Schanzen in schneereicheren Orten statt, zumeist in Oberstdorf. „Wir leben dann in Hotels“, erzählt Michelle Göbel. Der Gedanke an durchfeierte Nächte tut sich auf, aber sie versichert: „Alles ganz harmlos! Wir sind ja wegen des Trainings und der Wettkämpfe dort. Dafür leben wir und das gefährden wir nicht mit wilden Partys.“ Und mit einem grinsenden Blick in Richtung Mutter fügt sie hinzu: „Na ja, fast nie!“ 

Man muss sich beim Blick auf Michelles Terminkalender fragen, ob ihr bei all den Wochenendveranstaltungen sowie dem Kraft- und Sprungtraining in der Woche noch Zeit für andere Interessen bleibt, aber Michelle lacht: „Ich liebe die Zeit mit meinen Freunden, bin gern auf unserer Eislaufbahn und spiele sogar begeistert Eishockey. Außerdem geh ich auch gern mal mit den Eltern und den beiden Geschwistern Pizza oder Döner essen.“ 

„If you can dream it, you can do it“ 

Und so ausgeglichen blickt Michelle hoffnungsfroh in die Zukunft. „Meine großen Ziele sind die Olympischen Spiele. Ob ich schon in zwei Jahren in Peking so weit bin oder erst 2026 bei den Spielen in Italien, das muss sich zeigen. Mein Motto ist ‚If you can dream it – you can do it’, und ich gebe mein Bestes dafür. Ich freue mich unglaublich, wenn ich spüre, dass ich durch gezieltes Training meine Technik so perfektioniert habe, dass eine Leistungssteigerung gut messbar wird.“ Ihre Augen strahlen und verraten die Freude, die Michelle an ihrem Sport hat.   

Freude – die werden vermutlich auch wir Zuschauer haben, wenn wir künftig „unsere“ Sauerländerin auf dem Weg zu einer ganz Großen begleiten dürfen. Die Schanzen der Welt warten auf Michelle Göbel. Bisher hat sie mit ihrem Sprung über 73 Meter den Schanzenrekord im slowenischen Velenia inne – ein guter Ansporn für mehr! Und wir Fans? Wir sind uns mit Sicherheit darüber einig, dass es angenehmer ist, Michelle auf den hohen Balken rutschen zu sehen, als selbst „dran“ zu sein!