„In Köln gibt’s keine Buiterlinge“

Quelle: NetFederation

Wie aus zwei jungen Sauerländern erfolgreiche Unternehmer wurden

Das Sauerland – Heimat vieler Hidden Champions, das ist bekannt. Aber auch außerhalb vom Sauerland gibt es viele erfolgreiche Sauerländer. Zum Beispiel in Köln. Zwei davon sind Thorsten Greiten (48) und Christian Berens (47). Im südlichen Sauerland geboren, entwickeln sie inzwischen in der Domstadt Lösungen für namhafte Konzerne, die ihre Unternehmenskommunikation digitalisieren wollen. Ihr Sauerländer Background kam den beiden auf dem Weg dorthin zugute.

Kennengelernt haben sich Thorsten und Christian vor etwa vierzig Jahren. Thorsten lebte in Benolpe, Christian in Bilstein. Bis zum Gymnasium trennte sie ein hoher Bergrücken, den wohl jeder schon einmal zumindest aus der Ferne gesehen hat, steht doch die Hohe Bracht darauf. Erst auf dem Schulhof von Maria Königin trafen sie aufeinander, der Beginn einer langjährigen Freundschaft und Startschuss für eine spannende berufliche Zusammenarbeit – aber das wussten die beiden damals natürlich noch nicht.

„Schon zu Schulzeiten haben wir mit unseren ersten Geschäften begonnen“, erinnert sich Christian. „Wir haben Partys organsiert und zusammen Musik gemacht.“ Nach dem Abitur ging es zur Bundeswehr, dann folgte eine Ausbildung – im Sauerland. „Wir gehörten zu den wenigen, die zunächst einmal im Sauerland blieben. Ich machte eine Lehre zum Industriekaufmann in Kirchhundem und Thorsten zum Steuerfachangestellten in Olpe.“ Zwei Ausbildungen, die den beiden später noch nützlich sein sollten. „Anschließend sind wir studieren gegangen“, erzählt Thorsten weiter. „Wir haben beide BWL studiert: Christian mit Schwerpunkt Marketing und Personal, ich mit Schwerpunkt Steuern und Finanzen und zusätzlich haben wir beide noch Wirtschaftsinformatik gewählt.“

Um das Studium zu finanzieren, haben die beiden ihr eigenes Unternehmen gegründet, das war 1997. „Damals ging das gerade los mit dem Internetgeschäft. Wir dachten uns direkt: Was für unglaubliche Möglichkeiten! Haben uns damit beschäftigt und dann auch angefangen, erste Webseiten zu basteln.“ Irgendwann saßen sie dann beim Notar in Grevenbrück: Mit Wanderschuhen und Fleece-Pullis. Zwei ziemlich junge Sauerländer, die eine GmbH gründeten. „Irgendwie war das auch unser großes Glück, dass wir so früh ins kalte Wasser geschmissen wurden.“

Einer ihrer größten Kunden saß in Köln und so ging es nach dem Studium auch dorthin. Die Firma musste saniert werden und die beiden hatten genug Geld gespart und brachten genügend betriebswirtschaftliches Knowhow mit, um bei NetFederation einzusteigen. „Abgesehen davon, war es einfach eine gute Zeit. Da wurden Internetfirmen ziemlich gehyped. Und hier in Köln entwickelte sich eine interessante Medienindustrie. Die Domstadt wurde für diese Themen neben Berlin ein Hotspot in Deutschland“, erinnert sich Christian. Und Thorsten fügt hinzu: „Hinzu kommt: Wenn du privat einen neuen Lebensabschnitt beginnen willst, dann ist Köln genau der richtige Ort dafür. Hier wird man sehr herzlich empfangen. Du bist fremd, aber jeder hilft dir. In Köln gibt es keine Buiterlinge!“

Tolerant sind die Kölner, aber von der rheinländischen Lässigkeit ist es oft ein schmaler Grat zur Nachlässigkeit. Der Sauerländer, erzogen zu Korrektheit und Zurückhaltung muss sich da erstmal dran gewöhnen. Und wenn man dann mal genauer hinschaut, erkennt man noch etwas: „An einem Tag liegt man sich in den Armen und am anderen Tag kennt man sich nicht mehr. Die Solidarität endet dann, wenn der Nubbel verbrannt wird. Das ist für den Sauerländer schwer zu verstehen.“

Teil einer Revolution

Aber ihre Sauerländer Erziehung kommt den beiden im Geschäftsleben häufig zugute. Angefangen mit sechs Mitarbeitern sind es inzwischen etwa 45 – viele davon ebenfalls mit sauerländischen Wurzeln, teilweise fest angestellt in Köln, teilweise Freelancer, die noch in der Heimat leben. Auch die gesamte Unternehmensinfrastruktur – von der Bank, über den Notar bis zum Steuerberater befindet sich  zwischen Olpe, Lennestadt und Attendorn.

Die beiden Sauerländer und ihr Team unterstützen heute große Konzerne in Europa in den verschiedenen Bereichen der Unternehmenskommunikation. Die Palette reicht von der Erstellung großer Webseiten über Intranet-Plattformen bis hin zu Social-Media-Aktivitäten. „Alles, was irgendwie digital ist, kommt aus einer Hand – unserer. Rund drei Viertel der Unternehmen aus dem DAX 40 dürfen wir schon unterstützen“, erklärt Christian.

Es geht um Mega-Trends in einer unglaublich schnelllebigen, digitalen Welt. „Du musst immer am Ball bleiben, bereit für Veränderungen sein und dich jedem fremden Thema schrittweise, aber sofort annähern. Das macht wahnsinnig viel Spaß, wir hatten noch nie Langeweile“, so Thorsten. Dass es einmal so gut laufen würde, damit hatten die beiden allerdings nicht gerechnet: „Wir sind in dieses Thema langsam reingerutscht und konnten plötzlich interessante Nischen besetzen, zum Beispiel „Digitale Investor Relations“. Dass das einmal alles so kommt, das war nicht vorauszusehen. Dass wir mit dem Thema Digitalisierung auf dem richtigen Weg waren, dafür hatten wir sicher sehr früh ein Näschen. Aber dass es solche Ausmaße annimmt und das Internet so brachial unseren Alltag beherrscht, das konnte niemand ahnen. Wir sind definitiv Teil einer Revolution und es ist großartig, da aktiv mitzugestalten.“

Die Pandemie hat die digitale Transformation in Deutschland noch einmal beschleunigt. So tragisch die Auswirkungen von Corona in vielen Bereichen für jeden Einzelnen sind, so positiv hat sie sich doch auf den digitalen Fortschritt ausgewirkt. Aber es gibt auch andere wichtige Themen: „Wir leben in einer Zeit voller Umbrüche. Die Themen Digitalisierung, Klima und Wertschöpfung sind drei Punkte, die wir – gerade als Sauerländer – gut zusammenzubringen können. Wenn Du die Kindheit in den Bergen und Wäldern verbracht hast, kannst Du selbst ausgefuchsten Bänkern in Frankfurt erklären, was es mit Nachhaltigkeit auf sich hat.“

Thorsten hat sich vor zehn Jahren in Benolpe ein Stück Wald gekauft. Gerne erzählt er seinen Kunden davon. Alle paar Wochen schaut er nach seinen exotischen Mammutbäumen und kalifornischen Sequoias, die er dort als Alternative zur borkenkäfergeplagten Fichte gepflanzt hat, und an denen sich die Enkelkinder hoffentlich irgendwann erfreuen können. „Viele Kunden möchten gerne Kapitalmarkt-Themen mit Nachhaltigkeit und ihrem eigenen Geschäft verbinden und hier sind viele Formen von Kompensation gefragt. Sie greifen mittlerweile nach jedem Halm oder, in diesem Fall, nach jedem Baum. Hier können wir mit unserer Sauerländer Erfahrung und unserer eigenen Geschichte auch Stadtmenschen in Großkonzernen die Nachhaltigkeitsidee näherbringen. Das gefällt uns sehr und eröffnet neue Chancen, die man nicht auf der Uhr hatte“, sagt Thorsten. „Dieses Nachhaltige, Naturverbundene und das bedachte Kaufmännische verbunden mit guten Ideen und Cleverness ist das, was uns Sauerländer erfolgreich sein lässt. Mit dieser Kombination stolpert man einfach nicht so schnell. Es gibt weniger Risiken.“

Die Bindung bleibt

Wenn die beiden nach Hause ins Sauerland kommen, dann atmen sie erst einmal die frische Luft, die ihnen in Köln so sehr fehlt. „Die Bindung bleibt einfach. Es ist gut zu wissen, wo man herkommt. Wenn jemand danach fragt, dann sagen wir nicht Kirchhundem-Benolpe oder Lennestadt-Bilstein, dann sagen wir: Wir sind Sauerländer“, erklärt Christian. Und das schafft überall einen guten Start, das wissen auch Nicht-Sauerländer: verlässlich, loyal und verschwiegen – genau der Typ Mensch, den man gerne als Geschäftspartner hätte.

Der Unterschied zwischen Köln und dem Sauerland – und damit zwischen dem Kölner und dem Sauerländer – ist eigentlich schnell erklärt: „In Köln stehst du an Karneval am Straßenrand, jubelst dem Dreigestirn zu und hast am Ende des Tages deine Taschen voll mit Süßigkeiten. Im Sauerland ist das Endergebnis das gleiche – aber da gehst du bei Eis und Schnee an „Lütticke“ kilometerweit durch den Ort, klingelst an jeder Haustür und lieferst semi-plattdeutsches Liedgut ab. Im Sauerland muss man sich alles hart erarbeiten – und das ist irgendwie eine sehr prägende, aber auch schöne Sache.“

Thorsten ist sich sicher: „Irgendwann geht’s sicher wieder zurück. Heimat ist da, wo das Herz hängt. Und dort möchte ich auch begraben werden – am liebsten in meinem eigenen Wald.“