Russendisko im Sauerländer Kuhstall

Wladimir Kaminer

Quelle: Zintel

Jetzt ist es amtlich. Aufgrund der aktuellen Wetterlage findet die heutige Lesung mit dem bekannten Autor Wladimir Kaminer in Iserlohn-Reihen, auf dem Hof Mikus, im Kuhstall statt. Noch vor seiner Abenteuerreise ins Sauerland haben wir den deutschen Schriftsteller und Kolumnisten sowjetischer Abstammung am Telefon erreicht. Seine Antworten lassen einen unterhaltsamen Abend in den duftenden Stallungen des Hofes Mikus erwarten.

Quelle: Screenshot

WOLL: Lieber Herr Kaminer, wissen Sie überhaupt, wohin Sie heute Abend reisen?

Wladimir Kaminer: Ich kenne das Sauerland. Seit über 20 Jahren bin ich in Deutschland unterwegs. Einmal war ich bei Mennoniten im Sauerland, die aus Kasachstan ausgewandert sind. Gleichzeitig habe ich das Sauerland als Porsche-Fahrer kennengelernt. Das sind Leben, die überhaupt nicht zusammen gehören. Eine Zeit lang habe ich gedacht, dass ich schon in jedem kleinen Dorf war. Aber anscheinend nicht. Deutschland ist einfach zu komplex. Das sind zu viele Parallelgesellschaften. Man kann sie, glaube ich, nicht innerhalb eines Lebens kennenlernen.

WOLL: Was wissen Sie über das Sauerland und über die Sauerländer, einer der unbekanntesten und unverstandestens Stämme unter den Deutschen, wie Ulrich Raulff gerade in seinem Buch „Sauerland als Lebensform“ geschrieben hat, genau?

Wladimir Kaminer: Ich habe ständig selbst mit Klischees und Vorurteilen zu kämpfen. Ich weiß, wie es den anderen geht. Niemand hört so etwas gern, wenn jemand sagt, ja der Sauerländer, der ist so und so und wir sind anders. Man muss sich über die Diversität unserer Gesellschaft freuen, die ich jedesmal bewundere. Das ist doch schön, dass wir alle verschieden sind.

WOLL: Dem berühmten russischen Dichter und Nobelpreisträger Boris Pasternak hat es anscheinend die Sprache verschlagen, als ihm eine junge Frau aus dem Sauerland begegnete. In einem Briefwechsel mit seiner Berliner Brieffreundin Renate Schweitzer schreibt er am 14. Mai 1959: „Nenne mir also bitte das Fräulein, wenn du mir einmal schreibst. Das Mädchen war unbeschreiblich hellblau und bildschön, ich fing ihr etwas an zu sagen in einem schlechten Deutsch, das mir plötzlich völlig versagte.“ – Haben Sie Angst, dass Ihnen heute Abend die Sprache verschlägt, wenn Sie im Sauerland jungen Sauerländerinnen begegnen?

Wladimier Kaminer: Nein, davor habe ich keine Angst. Pasternak war ein sehr feinfühliger Dichter. Ein Mann, der eine ungeheuere Empathie an den Tag legte. Er hat sich für alle möglichen Menschen begeistert. Das war seine Art mit ihnen umzugehen. Eine sehr kluge und weise Art. Zum bewundern und besingen. – Ich bin kein Dichter. Der Sinn meines Schreibens ist eigentlich in Kontakt zu kommen mit lebendigen Menschen. Ins Gespräch zu kommen. Deswegen glaube ich nicht, dass es mir die Sprache verschlägt. Ich bin ja in Iserlohn auf dem Land, wenn ich das richtig sehe. Und dort, das habe ich festgestellt, leben die Menschen in der Natur, sind bodenständiger. Man kann sie besser verstehen, glaube ich, als die Menschen in der Großstadt. Ich freue mich auf die Reise nach Iserlohn und auf heute Abend.

Wer den Menschenversteher Wladimir Kaminer heute Abend live erleben möchte, der kann sich noch um Karten beim Hofmusikfestival bewerben. Hier geht es zur Website: https://www.hofmusik-agentur.de/