800 Jahre Burg und Freiheit Bilstein

Im engen Veischedetal liegt der Ort Bilstein, der in diesem Jahr 800-jähriges Jubiläum feiert. Über dem schönen Lennestädter Ort thront das besondere Wahrzeichen, die beeindruckende Burg Bilstein mit ihren zwei markanten Rundtürmen. Sie ist historisch betrachtet eines der wichtigsten Gebäude im Kreis Olpe, der sogar kurzzeitig von 1817 bis 1818 Kreis Bilstein hieß. Viele Adlige sind in der Burg ein- und ausgezogen bis schließlich das Deutsche Jugendherbergswerk die Burg in eine heute sehr beliebte Jugendherberge mit mittelalterlichem Charme verwandelt hat. Die Geschichte des Ortes ist geprägt von fleißigen Fuhrleuten, Hexenverbrennungen, Tabakwarenindustrie und Tourismus. WOLL hat sich mit den Details der Historie vertraut gemacht und mit Dorfchronist Ulrich Rauchheld sowie dem neuen Burgherren Sebastian Kühn gesprochen.

Beginnen wir mit der Geschichte der Burg. Erbaut wurde sie zwischen 1202 und 1225 unter der Leitung des Edelherrn Dietrich II. von Gevore, der sich nach dem Einzug Dietrich I. von Bilstein nannte. Die Linie von Gevore starb Mitte des 14. Jahrhunderts mit Johann dem II. aus. „Eine Legende besagt, dass er heute noch als Lowwerhannes noch in der Burg spukt. Viele Geschichten und Spiele rund um das Gespenst machen die Aufenthalte in der Jugendherberge unterhaltsamer“, erzählte der neue Burgherr Sebastian Kühn hierzu. 1363 fiel die Burg an die Grafen von der Mark. Im Jahr 1445, während der Soester Fehde, wurde sie von kurkölnischen Truppen kampflos eingenommen.  Noch am Tag der Einnahme garantierte Erzbischof Dietrich II. von Moers den Bilsteinern ihre angestammten Rechte und Freiheiten.  Bis zur Säkularisation 1802 blieb die Burg im Besitz Kurkölns und war Verwaltungssitz des Amtes Bilstein. In ihren Mauern residierte der Amtsdrost – der Vertreter des Erzbischofs vor Ort. Ein bekanntes Kind der Burg ist Ferdinand von Fürstenberg, geboren 1626, der später als Fürstbischof von Paderborn zu Ansehen gelangte. Mit dem Ende des Kurstaates kam die Wende: Zunächst fiel Bilstein an Hessen-Kassel, ab 1816 gehörte es zu Preußen. Kurzzeitig – zwischen 1817 und 1818 – war die Burg Verwaltungssitz des Kreises Bilstein, ehe diese Aufgabe nach Olpe verlagert wurde. Noch bis 1920 diente sie der Forstverwaltung des Kreises. 

Heute erleben Kinder, Jugendliche und Familien kleine Abenteuer auf der Burg

Seit 1927 beherbergt die Burg eine Jugendherberge. Der zerstörte linke Seitenflügel, ein Opfer der Flammen in längst vergangener Zeit, wurde 1978 vollständig rekonstruiert. Er bietet heute gemütliche Gästezimmer und moderne Tagesräume – ohne den Charme der Geschichte zu verlieren. Burg Bilstein ist kein stilles Denkmal – sie lebt weiter. Als Ort der Begegnung, als Fenster in die Vergangenheit und als Zuhause auf Zeit für junge Reisende aus aller Welt, Familien, Schulklassen und dank des musikalischen Bildungsschwerpunkts auch für Orchester und Chöre. Besonders hervorzuheben sind außerdem regelmäßig stattfindende, über die Region hinaus bekannte Mittelalterspiele und erlebnispädagogische Angebote. 

Leben kam erst in die Gegend mit dem Bau der Burg

Auch die Geschichte des Ortes Bilstein hatte viele interessante Begebenheiten zu bieten. Den Anfang der Historie beschreibt Dorfchronist und Heimatpfleger Ulrich Rauchheld so: „Bereits im Jahre 1190 soll es hier eine sehr kleine Siedlung gegeben haben. Mit dem Bau der Burg Bilstein wurde nach Überlieferungen erst zirka 20 Jahre später begonnen. Leben kam erst ins Dorf als die Burg gebaut wurde.“ Der Bereich Freiheit Bilstein erstreckte sich vom Kreis Olpe bis ins Hochsauerland hinein. „Freiheit“ sagte man, weil den Bewohnern – mehrheitlich Bauern – etwas mehr Freiheiten gelassen wurden als üblich. 

17. Jahrhundert: Hexenwahn, Pest, ein großer Brand und die erste Schule

Die Hexenverfolgung ist ein dunkles Kapitel der Geschichte Bilsteins. So erklärt Rauchheld: „Der Gemeindearchivar Martin Vormberg hat herausgefunden, dass in Bilstein im 17. Jahrhundert 452 Männer und Frauen der Hexerei angeklagt wurden und 251 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sind. Auf meine Frage an ihn, wo genau sie denn in Bilstein verbrannt worden, antwortete er: „Ausschließlich alle bei Dir vor dem Haus!“ – Ich wohne etwas unterhalb der Burg, an der Pforte sozusagen. Er meinte es ernst.“. Auch sucht Rauchheld eine plausible Erklärung für die umfangreichen Hexenverbrennungen: „Ein bedeutender Grund für ausufernden Hexenwahn ist mangelnde Bildung. Die Adeligen auf der Burg und Geistlichen genossen damals eine sehr gute Schulbildung aber sie konnten den Hexenwahn des einfachen Volkes ohne Bildung nicht stoppen“. Es war eine schwierige Zeit: 1636 herrschte die Pest und Bilstein ist zum ersten Mal abgebrannt. (WANN GENAU) Ungewöhnlich fortschrittlich: Ab Mitte des 17. Jahrhunderts hatte Bilstein erstmalig eine eigene Schule, in die alle Kinder ohne Gebührenzahlungen gehen konnten. Gestiftet wurde diese von Johann ab Haardt, einem Bilsteiner Bürger, der durch Fleiß zu Wohlstand gelangte. 

Florierende Tabakindustrie und Kreisverwaltung in Bilstein

„Bilsteiner waren häufig Fuhrleute. Sie brachten auch den Rohtabak vom Rhein in den Ort und stehen so am Beginn der Bilsteiner Tabakindustrie“ erzählte Rauchheld. Im Laufe der Jahre entstanden vier große und mehrere kleine Tabakfabriken, die in Spitzenzeiten bis zu 500 Menschen beschäftigten. Bemerkenswert ist, dass im 19. Jahrhundert Bilstein einmal Kreisstadt war. Rauchheld dazu: „1817 kam es zur Gründung des Kreises Bilstein. Ja, so hieß der heutige Kreis Olpe. Bis 1819 war die Kreisverwaltung auf Burg Bilstein und der erste Landrat Freusberg residierte dort. Als Landräte folgten weitere drei Männer aus dem Hause Freusberg – alles Bilsteiner Männer. Das Amt Bilstein mit vier Gemeinden war entstanden, mit Amtssitz im Ort. Das gleiche galt bis 1930 für das Amtsgericht. Beides war dann bis zur Auflösung des Amtes und Gründung der Lennestadt 1969 in Grevenbrück.“ Am 30. Juli 1827 brach in Bilstein ein verheerender ein Brand aus, der fast den ganzen Ort vernichtete. Durch den Wiederaufbau entstand im Ortskern die heutige Straßenführung. 

Innovation im 19. Jahrhundert: Gleislose, elektrische Bahn gebaut

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Bahnstrecke von Siegen nach Hagen gebaut. Hiermit verschwand das Fuhrmannswesen in Bilstein. Der Transport per Zug war günstiger. Die Tabakwaren mussten nur noch bis zum Bahnhof transportiert werden. Hierzu entwickelten Bilsteiner eine neue Transportmöglichkeit: Eine gleislose, elektrische Bahn, die über eine Oberleitung mit Strom versorgt wurde und auf Vollgummireifen fuhr. Die Tabakwaren und auch Menschen konnten mit ihr nach Grevenbrück zum Zug gebracht werden. Rauchheld zur weiteren Geschichte, der damals innovativen Bahn: „1916, im ersten Weltkrieg, baute man die Oberleitung ab, und verbrauchte das Material für die Rüstungsindustrie. Welch ein Schwachsinn. Die Gleislose war Geschichte! Aber Bilstein hatte dadurch auch Strom bekommen. In der Rinscheid´s Mühle wurde er erzeugt und die Gleislose, wie auch vereinzelt Bilsteiner Häuser, wurden damit versorgt.“

Viele Vereins- und Unternehmensgründungen, Kirchenbau und der Fremdenverkehr nimmt Fahrt auf

Kulturell und kirchengeschichtlich tat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts einiges mit dem Bau der eigenen Kirche sowie der Gründung des Musik- und Schützenvereins. Beide Vereine prägen noch heute das Dorfleben. Anfang der 20. Jahrhunderts kamen ein Turnverein und eine SGV Abteilung dazu. Die neue Gewerbefreiheit sorgte Ende des 19. Jahrhunderts für viele Gründungen von diversen Handwerksbetrieben bis hin zu Lebensmittelgeschäften. Zu dieser Zeit begann auch der Fremdenverkehr in Bilstein aufzublühen. Es gab zu besten Zeiten 15 Pensionen und sechs Hotels. 1928 wurde das Bilsteiner Freibad eingeweiht. Dazu kennt Rauchheld eine besondere Anekdote: „Nach Einspruch des damaligen Bilsteiner Pfarrers Stachelscheid wurde durch das Schwimmbecken ein großes, undurchsichtiges Tuch gespannt. Rechts durften die Männer schwimmen und links die Frauen, oder umgekehrt. So wahrte man Sitte und Moral!“. Das Schwimmbad ist heute noch als Naturschwimmbad „Aqua Fun“ sehr beliebt.

Besonderheit im zweiten Weltkrieg: Entbindungsheim für Frauen aus dem Ruhrgebiet im zweiten Weltkrieg

1827 – 100 Jahre nach dem letzten großen Brand – wurde die Feuerwehr gegründet. Im zweiten Weltkrieg gab es etwas besonders in Bilstein. Rauchheld berichtet: „Zwischen 1943 und 1945 wurde für schwangere Frauen im Hause Heller ein Entbindungsheim eingerichtet. Hier konnten die durch Bombenangriffe gefährdeten Frauen aus dem Ruhrgebiet in Ruhe und gefahrlos ihre Kinder zur Welt bringen. In gut zwei Jahren wurden im Ort 790 Kinder geboren.“ Die Burg diente in die Kriegsjahren als Wehrertüchtigungslager.  1982 wurde der FC Bilstein gegründet. Er bestand bis 2017. 1995 fand in Anlehnung an den Bilsteiner Markt im 19. Jahrhundert, in der Dorfmitte und Poorte wieder ein Markt statt. Dieser wurde im Laufe der nächsten 10 Jahre drei mal wiederholt. Seit 2007 ist die Tabakindustrie Geschichte in Bilstein mit der Schließung der Tabakfabrik Berens. 

Bilstein heute

Heute hat Bilstein 1043 Einwohner, eine Schule, einen Kindergarten, zwei Hotels, mehreren Pensionen und Ferienwohnungen, die Jugendherberge, ein Naturfreibad, die Bäckerei Vente und eine Filiale der Bäckerei Sangermann aus Oberveischede. Und ein besonderes Lebensmittelgeschäft mit „Hoff´s Wertvoll“ welches  seit ein paar Jahren von der Caritas von Menschen mit Einschränkungen betrieben wird. Als Sportverein gibt es den TuS 08 Bilstein, einem Breitensportverein.

Kommende Termine in Bilstein:
Freitag, 17. bis Sonntag, 19. Oktober: Erweitertes „Bilstein leuchtet“ im Rahmen der Aktion „Lennestadt leuchtet“