Quelle: Claudia Zebandt / DRK WL
(von links) Vizepräsident Heinz-Wilhelm Upphoff, Präsident Dr. Fritz Baur und Vorstandsvorsitzender Dr. Hasan Sürgit mit dem Jahreskalender zum 75-jährigen Jubiläum, der am 8. Mai 2023, dem Weltrotkreuztag, beginnt und mit dem Weltrotkreuztag 2024 endet. Foto Claudia Zebandt / DRK WL:
Am 17. Januar 1948 wurde der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe als „Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Westfalen“ in das Vereinsregister des Amtsgerichts Münster eingetragen. Am Donnerstag, 4. Mai 2023, präsentierten Präsident Dr. Fritz Baur, Vizepräsident Heinz-Wilhelm Upphoff und Vorstandsvorsitzender Dr. Hasan Sürgit eine Sonderpublikation zum Jubiläum: einen Jahreskalender, der am 8. Mai – dem alljährlich international begangenen Weltrotkreuztag – startet und am 8. Mai 2024 endet.
Die Kalendergeschichten verdeutlichen beispielhaft, wie sich die jeweiligen zeitgeschichtlichen Bedingungen auf DRK-Aufgaben und -Dienste ausgewirkt haben. So führte die durch den Zweiten Weltkrieg bedingte soziale Verelendung vieler Menschen zu mehr Aktivitäten auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege. Zu den Arbeitsgebieten gehörten während der Nachkriegsjahre unter anderem die Fürsorge für Mütter und Säuglinge, Kriegsversehrte und Heimkehrer, der Betrieb sogenannter Volks- und Gemeinschaftsküchen sowie die Durchführung von Schul- und Kleinkinder-Speisungen. Für viele Menschen existentiell wichtig war auch der DRK-Suchdienst. Die Zusammenführung von Familien sowie die Klärung von Fragen nach Vermissten werde bis heute mit großem Dank und hoher Anerkennung verbunden, so DRK-Landesverbandspräsident Baur.
Das ehrenamtliche Engagement unzähliger Helferinnen und Helfer, ohne die viele Rotkreuz-Dienste nicht möglich gewesen wären, durchzieht die Jubiläumspublikation wie ein roter Faden. Aktuell zählen DRK und Jugendrotkreuz in Westfalen-Lippe insgesamt rund 29.000 ehrenamtlich Aktive. In den drei Sauerland-Kreisen HSK, OE und MK sind rund 4.000 Menschen ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz engagiert. Dazu kommen noch etwas über 1.500 angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter anderem in Kindereinrichtungen und in der Altenpflege. Seit nunmehr 55 Jahren dabei ist Vizepräsident Heinz-Wilhelm Upphoff, der 1968 als 14-Jähriger dem Jugendrotkreuz in Wilnsdorf im Siegerland beitrat. „Ich habe von Anfang an die Kameradschaft geschätzt, die dort herrschte“, so Upphoff. Dieses positive Grundgefühl habe sich bis heute nicht verändert. Über seine Ehrenämter hat er viele Erfahrungen sammeln können, etwa als Leiter eines DRK-Bautrupps, der nach dem verheerenden Erdbeben in Armenien (Dezember 1988) 540 Fertighäuser für die obdachlosen Menschen in der Region Spitak errichtete, oder als Einsatzleiter im Jahr 1992 bei der Evakuierung von Menschen aus der umkämpften Stadt Karlovac in Kroatien während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien. Zu Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat Heinz-Wilhelm Upphoff aufgrund noch nicht bestehender hauptamtlicher Strukturen Flüchtlingsunterkünfte des DRK in Unna-Massen, Olpe und Burbach ehrenamtlich geleitet.
Katastrophenschutz muss dringend verbessert werden
Heinz-Wilhelm Upphoff war auch lange Jahre aktiv in der Hilfszugstaffel IV des DRK-Landesverbandes, über die im Jubiläumskalender informiert wird. Das Hilfszugsystem wurde vom Deutschen Roten Kreuz mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums ab 1953 bundesweit aufgebaut, war in Hilfszugstaffeln gegliedert und ein wesentlicher Bestandteil des Zivilschutzes in Zeiten des Kalten Krieges. Er deckte die Bereiche Sanitätsdienst, Betreuungsdienst, Pflege- und Pflegehilfsdienst, Technischer Dienst und Fernmeldedienst ab. 2006 wurde er aufgelöst.
Der Katastrophenschutz der früheren Jahre war wesentlich besser aufgestellt, so die Vertreter des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe. Die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre (Covid-19-Pandemie, Unwetterkatastrophe, Ukraine-Krieg) hätten gezeigt, dass dringend ein moderner, an den gesellschaftlichen Entwicklungen ausgerichteter Bevölkerungsschutz benötigt wird. Mit Blick auf die anstehende Novellierung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes in NRW mahnen sie einen Systemwechsel bei der Förderung der anerkannten Hilfsorganisationen auf diesem Gebiet an. Entsprechend der Bundesebene sollte auch in Nordrhein-Westfalen ein Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz gebildet werden. Die Einrichtung und der Betrieb sollten unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände, des Verbandes der Feuerwehren und der anerkannten Hilfsorganisationen geschehen.
Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte aus den Hilfsorganisationen müssten mehr Wertschätzung erfahren, schließlich würden sie erheblich dazu beitragen, dass der Katastrophenschutz funktioniert. Darüber hinaus müssten sie von bestehendem bürokratischem Aufwand, der ihr Engagement ausbremst, entlastet werden.
So werden zum Beispiel beim Mittelnachweis der Zuwendungen für den Katastrophenschutz zurzeit Förderkriterien angesetzt, die in ihrer Anwendung vor Ort mitunter als praxisfern und wenig handhabbar erscheinen. „Außerdem sprechen wir uns für eine Finanzierung hauptamtlicher Unterstützungsstrukturen im Bereich des Katastrophenschutzes aus“, sagte Präsident Baur. „Es bedarf an dieser Stelle einer strukturellen Stärkung. Ohne hauptamtlich geprägte Unterstützung wird es zukünftig nicht möglich sein, ausreichend Ehrenamtliche zu motivieren, auszubilden und zu halten.“
Darüber hinaus müsse die notwendige Infrastruktur vorhanden sein: Zum Beispiel sollten für eine Region wie Westfalen-Lippe mit mehr als acht Millionen Einwohnern die neuen „Mobilen Betreuungsmodule 5.000“ des Bundes verfügbar sein.
Resilienz der Bevölkerung stärken
Gestärkt werden müsste auch die Fähigkeit der Bevölkerung, sich in der Krise wieder besser selbst helfen zu können. „Als sinnvolle Maßnahmen sehen wir hier u.a. zielgerichtete Aufklärungsprogramme, eine möglichst frühe Vermittlung der persönlichen Notfallvorsorge an Schulen und die Ausbildung in Erster Hilfe, bei denen das DRK mit seinen flächendeckenden Strukturen unmittelbar mitwirken kann“, sagte Präsident Dr. Baur. „Das Bewusstsein in der Landespolitik, dass der Bevölkerungsschutz gestärkt werden muss, ist vorhanden, die Bedarfe werden gesehen. Das stimmt uns optimistisch.“
Fachkräftemangel in der Pflege
Zu den großen aktuellen Themen gehört der Fachkräftemangel in der Pflege. Das Problem ist nicht neu. In den 1960er und in den 1970er Jahren herrschte akuter Personalmangel im deutschen Gesundheitswesen. So fehlten in den 1960er Jahren 30.000 Stellen vorrangig in der Pflege. Damals forcierte der DRK-Landesverband die vom Bund finanzierte Ausbildung sogenannter „Schwesternhelferinnen“. Als freiwillige Helferinnen unterstützten sie beim DRK-Unfalldienst, beim Krankentransport, bei Diensten in Bahnhöfen oder halfen bei DRK-Erholungsmaßnahmen mit. Während es 1953 1.374 Schwesterhelferinnen in Westfalen gab, meldete der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe im Jahr 1976, dass die zehntausendste Schwesternhelferin ihre Ausbildung abgeschlossen habe. Trotz der guten Erfahrungen und der vorhandenen bundesgesetzlichen Grundlage sei die Finanzierung dieses Zivilschutzprogramms in der ersten Hälfte der 1990er Jahre eingestellt worden, so der Landesverbandsvorstandsvorsitzende Sürgit. „Ein vergleichbares Programm zur Ausbildung von Pflegehilfskräften, angepasst auf die aktuelle Zeit und aktuelle Bedarfe würden wir uns sehr wünschen.“