70 Jahre Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Interview mit dem LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, kurz LWL, ist als Kommunalverband für die Aufgaben für Städte und Kreise zuständig, die die einzelnen Kommunen in der Region nicht alleine stemmen können. Das Ziel: gleichwertige Lebensverhältnisse und Qualitätsstandards in ganz Westfalen-Lippe. Dabei vertritt der LWL die Interessen von insgesamt rund 8,4 Millionen Bürgerinnen und Bürgern – auch auf Landes- und Bundesebene. Vor allem das Thema Inklusion, aber auch Kultur steht hier ganz oben auf der Agenda. Dr. Georg Lunemann, in Olfen aufgewachsen, ist seit 2022 Direktor des Landschaftsverbandes und hat dem WOLL-Magazin Rede und Antwort gestanden.

WOLL: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe feiert in diesem Jahr das 70-jährige Bestehen. Dieses Interview erscheint in der 50. Ausgabe des WOLL-Magazins. Ist der Blick auf solche Jubiläen wichtig?
Dr. Georg Lunemann:
Ein Jubiläum ist für mich immer ein Grund, innezuhalten und sich bewusst Zeit zu nehmen und sich zu fragen, was das bedeutet. Mit einem Blick zurück, aber ganz besonders auch mit einem Blick nach vorne. Es gibt Anlass, sich Fragen zu stellen: Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Haben wir alles richtig gemacht? Sind wir für die Zukunft gewappnet? Das ist gerade auch für kommunale Bereiche sehr wichtig, weil wir kein Selbstzweck sind. Wir sind für die Menschen da. Werden wir diesen Ansprüchen gerecht? Ein Jubiläum sollte Anlass geben, auch kritisch zurückzublicken und zu schauen, was man in Zukunft besser machen kann. Und dann darf man natürlich auch noch feiern.

WOLL: Die kommunale Gliederung des Landes NRW hat folgenden Aufbau: Städte und Gemeinden, Kreise und dann die Bezirksregierungen. Warum gibt es dazu noch zwei Landschaftsverbände?
Dr. Georg Lunemann:
Nur am Rande: Das Land NRW ist ein bisschen älter als die Landschaftsverbände. Zeitlich dazwischen kam das ehemalige Fürstentum Lippe zu NRW dazu. Als der Landschaftsverband vor 70 Jahren gegründet wurde, wurde somit auch Lippe ein Teil davon, was sich im Namen widerspiegelt. Jetzt zu uns: In Ihrer Frage haben Sie die höchste kommunale Ebene, die Landschaftsverbände, nicht erwähnt. Es gab immer Aufgaben, die in kommunaler Selbstverwaltung wahrgenommen wurden, aber die Leistungsfähigkeit einer kreisfreien Stadt oder eines Kreises überstiegen haben. In welcher Trägerschaft wird sonst dafür gesorgt, dass beispielsweise Behinderte, psychisch kranke Menschen oder Straftäter versorgt werden? Es geht vor allem darum, dass diese Aufgaben überregional wahrgenommen werden, um die Lebensverhältnisse im städtischen und ländlichen Raum gleichwertig zu gestalten. Die Landschaftsverbände haben außerdem eine Ausgleichsfunktion. Und es gibt eine landsmannschaftliche Verbundenheit, gerade auch in Westfalen-Lippe. Die Region hat eine starke Tradition und ist kulturell geprägt.

WOLL: Gibt es trotz aller hervorgehobenen Gemeinsamkeiten zwischen dem Rheinland und Westfalen-Lippe Unterschiede, die zwei eigenständige Landschaftsverbände rechtfertigen?
Dr. Georg Lunemann
: Es gibt eine westfälische Identität und es gibt eine rheinländische Identität. Von daher finde ich, dass wir mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine Organisation haben, die ein Stück weit dieses kulturelle Erbe weiterführt, diese landsmannschaftliche Identität, und damit eben auch erhält. Westfalen-Lippe ist dabei trotzdem immer offen für alle Bereiche. Es war schon immer so, dass Regionen oder Teilregionen dazugekommen sind. Das ist praktisch ein Baustein von Westfalen. Westfalen ist so über viele Jahre zusammengewachsen.

WOLL: Fernab von Münster kann man den Eindruck gewinnen, dass sich gerade bei der Kulturförderung alles auf Münster und die größeren Städte konzentriert. Ist das so?
Dr. Georg Lunemann:
Wir möchten auch eher ländliche Bereiche mit einbeziehen, weil auch da Kultur hingehört. Wir haben im Kulturbereich 18 Museen und zwei Besucherzentren. Diese erstrecken sich vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica bis zum Kahlen Asten in Winterberg und vom LWL-Textilmuseum in Bocholt bis zum LWL-Klostermuseum in Dalheim. Da müssen wir schauen, wie wir die Menschen dorthinbringen. Aber es gibt weitere Bestandteile unseres Kulturnetzwerkes, wie das Museumsamt oder das Archivamt, mit denen wir insbesondere auch kleinere Kommunen unterstützen. In der Politik haben wir aktuell das Thema Kulturlandschaften und die Förderung von biologischen Stationen und Naturverbänden. Da ist das Sauerland sehr präsent. Und wir haben im Sauerland sehr viele Beschäftigte.

WOLL: Welche Institutionen und Aufgaben im Sauerland genießen beim Landschaftsverband eine besondere Aufmerksamkeit? Und gibt es in den kommenden Jahren besondere Ereignisse und Projekte des LWL im Sauerland?
Dr. Georg Lunemann:
Es gibt sehr viele Themen, die an uns herangetragen werden, natürlich können wir nicht alles übernehmen. Aber wir schauen: Was hat einen großen Mehrwert für die Region und vielleicht auch darüber hinaus? Da bieten wir ganz unterschiedliche Formate an. In Arnsberg waren wir beim Sauerland-Museum dabei. Hanse-Tage sind auch immer eine tolle Sache. Und wir merken dort, dass eine sehr große Bevölkerungsschicht hinter diesen Aktivitäten steht. Das hat man nicht überall.

WOLL: Eine persönliche Frage: Was gefällt Ihnen am Sauerland besonders? Gibt es einen Ort oder Platz in der Region, der für Sie persönlich herausragend ist?
Dr. Georg Lunemann:
Ich habe den Kahlen Asten sehr ins Herz geschlossen. Meine erste Klassenfahrt mit Übernachtung ging damals nach Neuastenberg in die Jugendherberge. Das war, als ich gerade aufs Gymnasium gekommen war. Daher ist der Kahle Asten etwas ganz Besonderes für mich. Außerdem bin ich auf dem Bauernhof großgeworden und da schaut man natürlich ganz anders auf den ländlichen Bereich als jemand, der in der Stadt großgeworden ist. Ich bin fasziniert von der Natur und möchte, dass sie so erhalten bleibt. Und natürlich trinke ich als Westfale auch gerne mal ein Bier. Damit wird man im Sauerland natürlich auch sehr gut versorgt.

Quelle: WOLL Magazin

WOLL: Gibt es noch etwas über die Arbeit des LWL, was die Menschen im Sauerland unbedingt wissen sollten?
Dr. Georg Lunemann:
Mir ist es wichtig, dass wir auch als LWL und Westfalen politisches Gehör finden. Dass es nicht nur um Münster, sondern um die gesamte Region geht. Ich lege großen Wert darauf, dass wir als LWL auch versuchen, Werte zu vermitteln. Dass wir auch gegenüber den Menschen, denen wir verpflichtet sind, Verlässlichkeit ausstrahlen. Wir haben schon den Anspruch, fortschrittlich und modern zu sein. Wir wollen zum Beispiel das Thema Digitalisierung vorantreiben. Nicht nur in der Verwaltung, sondern auch für die Menschen, die letzten Endes für uns arbeiten. Vielleicht sogar behinderten Menschen damit helfen, ihren Tag besser zu strukturieren. Dann ist das Thema Klima und Umwelt für uns von großer Bedeutung. Vor allem geht es aber auch um verantwortungsvolles Handeln. Wir arbeiten mit öffentlichen Geldern, da ist das ganz wichtig. Wir machen uns auch Gedanken darum, gesellschaftspolitisch ein Stück weit eine Meinung zu vertreten. Das erkennen wir ganz stark daran, dass wir in einem Bereich tätig sind, den vielleicht viele Menschen glücklicherweise nicht in Anspruch nehmen müssen. Ich spreche mich persönlich sehr stark für ein Gesellschaftsjahr aus. Wir brauchen viele junge Menschen, die sich vielfältig einsetzen. Dafür müssen sie andere Bereiche kennenlernen. Wir haben früher sehr stark von den jungen Menschen, die Zivildienst gemacht haben, profitiert. Da müssen wir wieder hinkommen. Dass sie ermutigt werden, mitgestalten zu wollen.

WOLL: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Lunemann!