30 Tage Faszination “Himalaya“

Foto: Kim Dania Schierhorn und Helena Evers

Eine Sauerländerin und eine Sauerlandbegeisterte sammeln einzigartige Eindrücke fürs Leben von Kulturen, Menschen und Bergen

Eine Reise in ein fernes Land, knapp 6.500 km von unserer Heimat entfernt, und in eine Welt, die mit der unsrigen nur wenig gemein hat. Nepal ist laut, quirlig und voll, aber auch wunderschön, faszinierend und mit jeder Menge lieber Menschen gesegnet.
Anfang April haben wir uns auf den Weg gemacht, Nepal mit seinen höchsten Bergen zu erkunden. Entgegen der Meinung einiger sogenannter Experten und trotz der Bedenken unserer Familien haben wir uns entschlossen, ohne Guide (Führer) und ohne Porter (Träger) insgesamt 30 Tage durch das Himalaya-Gebirge zu wandern. Gut vorbereitet und bewaffnet mit Wanderkarte, Rucksack und unserer riesigen Neugierde, stürzten wir uns in das Abenteuer.
Schon bald nach unserer Ankunft wurde uns klar, dass wir in diesem Land alle Vorstellungen und Gewohnheiten, wie wir sie in unserer Heimat entwickelt haben, zurücklassen müssen. Die Menschen hier haben nichts und gleichzeitig doch so viel. Sie führen ein simples Leben – es ist nicht immer einfach, aber es ist frei von den Ängsten, die in unserer Welt durch Status und Besitztümer ausgelöst werden.
Auf der Trekkingroute des Annapurna Circuit begegneten wir zunächst noch einigen anderen Wanderern. Jeder, der sich die Umrundung des Annapurna-Massivs zum Ziel gesetzt hat, muss den auf 5.416 Metern Höhe gelegenen Thorong-La Pass überwinden. Da der Sauerstoffgehalt auf dieser Höhe weniger als 50 % der Luft auf Meereshöhe beträgt, galt es im Vorfeld einiges zu beachten. Nur diejenigen, die ihre Körper langsam akklimatisieren, schaffen es, ohne gesundheitliche Probleme hinaufzusteigen. Dieser Tag war sicher einer der spektakulärsten, aber auch anstrengendsten auf der Route. Knapp 1.000 m Aufstieg und 1.700 m Abstieg bis zur nächsten Übernachtungsmöglichkeit forderten uns einiges ab.
Für sehr viele Wanderer stellt dies eine sehr große Herausforderung dar. Um uns herum sahen wir einige Gruppen, die sich sehr langsam und geführt von einem Guide fortbewegten, während ihr Gepäck von einigen Portern hinaufgetragen wurde. Wir hingegen haben auf unsere eigenen Fähigkeiten und unsere körperliche und mentale Kraft vertraut. Es ist ein gutes Gefühl, unabhängig und frei zu sein. Der Geist ist stärker, als viele von uns denken, und wenn man etwas wirklich will, dann ist (fast) alles möglich!
Im Unterschied zum Annapurna Circuit sahen wir auf dem Tamang Heritage Trail tagelang keine anderen Wanderer. In Erinnerung blieben uns weniger die spektakulären Gebirgszüge als vielmehr die Bergbewohner und die Bedingungen, unter denen sie leben. Viele der Familien, die sich in den Bergdörfern angesiedelt haben, stammen aus dem angrenzenden Tibet und mussten von dort wegen ihres buddhistischen Glaubens über die Berge nach Nepal flüchten. Wir begegneten ihnen in Gegenden, wo niemand Menschen erwarten würde und wo Kinder zwei Tagesmärsche zurücklegen müssen, um in die nächste Schule zu gelangen. Wir haben in die Augen vieler Menschen geschaut, die uns angestrahlt haben. Einfach nur, weil wir da waren.
Ein Erlebnis ist uns besonders in Erinnerung geblieben. Auf einem Plateau auf 3.165 m Höhe und mit atemberaubendem Ausblick auf die umgebenen Berge gesegnet, befindet sich Nagthali. In dem kleinen Bergdörfchen ließen uns die Bewohner an den Zeremonien und Festlichkeiten eines wichtigen buddhistischen Festes teilnehmen. Als einzige Gäste im ganzen Dorf luden sie uns zu sich ein. Bei Kerzenschein lauschten wir ihren Gesängen, probierten uns an ihrem traditionellen Tanz um den Ofen und tranken gemeinsam „Wein“ (Wodka mit Wasser). Das Gefühl dieser Momente können wir mit Worten nicht beschreiben, aber es lebt noch heute ganz tief in uns weiter.
Nach unseren Wanderungen haben wir noch einige Zeit in einem kleinen Bergdorf bei einer nepalesischen Familie gewohnt. Diese Region wurde von dem verheerenden Erdbeben im Jahre 2015 mit am stärksten getroffen und viele Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben. Während unseres Aufenthalts konnten wir ihnen ein wenig dabei helfen, ihr Haus wieder aufzubauen. Wir haben mit ihnen die Tage verbracht, uns mit Händen und Füßen verständigt, viel gelacht und zusammen nepalesische Speisen gekocht.
Nun sind wir mit all den Eindrücken unserer dreimonatigen Reise durch Nepal wieder zurück in der heilen Welt des Sauerlandes. Was bleibt, sind unzählige Erinnerungen und vor allem die Frage, was in unserem Leben wirklich wesentlich ist … Sollten wir nicht alle mit dem, was wir haben und was wir sind, glücklich sein? Ist nicht das, was wir sind, genug?
von Helena Evers und Kim-Dania Schierhorn
Helena Evers
Ist im Sauerland geboren, aufgewachsen und hat schon früh ihre Liebe zur Natur
und zu den Bergen entdeckt. Sie mag es, Menschen zu inspirieren, sei es musikalisch
mit eigenen Songs oder in ihrem Beruf als Ergotherapeutin. Eine weitere
Passion ist das Reisen. So lernte sie Kim-Dania 2010 beim Wandern in Neuseeland
kennen.
Kim-Dania Schierhorn
Geboren und aufgewachsen in der Lüneburger Heide, liegt ihr die Liebe zu den
Bergen dennoch im Blut. So hat sie als begeisterte Ultratrailläuferin u. a. 2014
beim Hollenlauf in Bödefeld den 2. Platz über 67 km belegt. Sie genießt es, im
Sauerland zu laufen und hier für Wettkämpfe in den Bergen zu trainieren.