276 Kurven um die Thermen in Rom

Jon Knolle

Quelle: TEAM SKS SAUERLAND NRW

Hi, mein Name ist Jon Knolle. In diesem Jahr starte ich in meinem letzten U23-Jahr für das Team SKS Sauerland im Radsport. Die organisatorische Umsetzung von Radrennen ist unter Einhaltung der Pandemie-Maßnahmen nach wie vor nicht einfach. Wir freuen uns über jedes Rennen, das wir bestreiten können.

Am letzten Wochenende ging es für einen Teil des Teams nach Rom. Hier wartete mit dem GP della Liberazione eines der traditionsreichsten und renommiertesten Radrennen auf uns. Der Gran Premio findet bereits seit 1946 statt. Jedes Jahr geht es auf einem knapp sechs Kilometer langen Rundkurs um die Caracalla-Thermen im Süden Roms.

Die Konkurrenz war groß. Zwar kamen die meisten Teams aus Italien. Es waren allerdings zwei Nachwuchsmannschaften von WorldTour-Teams am Start. Die Schweiz, Groß Britannien, Slowenien und Monaco hatten Nationalteams am Start.

Für uns persönlich war das Rennen, da es ausschließlich für U23-Fahrer offen war, eine sehr gute Chance ein starkes Ergebnis zu holen.

Bereits am Vortag erahnten wir bei der Streckenbesichtigung, wie schwer der Kurs war. 138 Kilometer auf 23 Runden klingen zunächst überschaubar. Drei 180 Grad Kurven, neun 90 Grad Kurven, sowie einige giftige Wellen machten aus dem Rundstreckenrennen jedoch ein Schlachtfeld. Uns allen war klar: Das Rennen wird bretthart.

Jon KnolleQuelle: Claudia-Dilay-Hauf
Jon Knolle Foto: Claudia-Dilay-Hauf

Und genauso kam es: Von Kilometer 1 an wurde attackiert. Aufgrund der vielen Kurven mussten wir immer vorn fahren. Positionierung war alles. Unsere Taktik bestand darin, Lars Kulbe und Johannes Hodapp für die zweite, entscheidende Rennphase zu schonen. Wir drei: Michel Gießelmann, Per Münstermann und ich wollten bereits vorher versuchen in Fluchtgruppen zu gehen und offensiv zu fahren. Für unser Küken, Tim Neffgen, ging es ums Überleben. Es war sein zweites Rennen bei den Männern. Für ihn hieß es: Erfahrung sammeln, lernen und ankommen – möglichst sturzfrei.

Und es wurde nicht langsam. Gerade die erste Stunde musste ich sehr tief gehen. Es war ein Systemschock. Entweder Sprint am Anschlag oder Rollphasen vor den Kurven. Es war durchgehend ungleichmäßig und erforderte maximale Konzentration. Zeit für Essen und Trinken im Rennen war so gut wie keine. Es war ein Kampf im Kopf, ein Durchbeißen – genau das machte die Schönheit des Rennens aus. In genau diesen Momenten fühle ich den Radsport in all seinen Facetten. Ich verfluche und liebe dieses Gefühl.

Es war ein Ausscheidungsfahren. Mit der Zeit fielen immer mehr Fahrer dem Tempo zum Opfer. Auch Michel, Per und mich erwischte es in den letzten Runden. Einzig Lars und Johannes hielten sich in der Spitze.

Das starke Team Colpack aus Italien kontrollierte das Rennen. Wenige Runden vor Schluss wurde die acht Fahrer starke Spitzengruppe gestellt. Spätestens jetzt war klar: Die besten Teams fahren auf den Endsprint. Johannes schaffte es auf einen guten 17. Platz, Lars rollte dahinter als 41. über die Linie.

Ich persönlich kann sagen, das war eines der härtesten und absurdesten Rennen in meiner Zeit als Rennfahrer. Es hat Spaß gemacht, auch wenn mir andere Radrennen besser liegen. Nicht zuletzt die Erfahrung und die harten Rennkilometer sind am Ende gold wert.

Da unser Rückflug erst am nächsten Tag ging, nutzten wir die restliche Zeit, um Rom auf uns wirken zu lassen. Aufgrund der Erschöpfung habe ich ein paar Stunden gebraucht, um diese Stadt wahrzunehmen und aufzusaugen. Erst gegen Abend genoss ich die letzten Stunden in der Stadt der sieben Hügel. Mit diesen Worten: Auf viele weitere spannende Rennen und einzigartige Erlebnisse mit dem Team.