Unterwegs

Foto: Lisa Mörchen

Erfahrungsbericht über den Ausbruch von Corona in Kolumbien und Brasilien

Kreuzfahrtschiffe liegen vor Anker und kleine Yachten wiegen sich im glitzernden Wasser, die von Musik erfüllten Straßen sind gesäumt von farbenfrohen Häusern, um die sich bunte Blumen ranken. In Geschäften werden selbstgemachter Schmuck und Kaffee aus der Region verkauft. So beginnt unser Aufenthalt im kolumbianischen Cartagena – bis das Coronavirus auch Südamerika erreicht.

Mit dem Rucksack nach Rio

Meine Schwester Laura und ich brachen Anfang Januar auf. Mit dem Rucksack bereisten wir Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und erreichten Mitte März Cartagena, eine Hafenstadt an der Karibikküste Kolumbiens. Der Plan war, einige Tage am Strand zu verbringen, bevor es nach Rio de Janeiro weitergehen soll. Zu diesem Zeitpunkt bekommen wir über Familie und Freunde zwar mit, welche Ausmaße die Pandemie in Europa annimmt, doch in Südamerika spüren wir davon nichts. Bis die ersten Restaurants in Cartagena jeden zweiten Tisch entfernen, Bedienungen Handschuhe und Mundschutz tragen und sich die Supermarktregale merklich leeren. Von Tag zu Tag werden mehr Vorschriften in Kraft gesetzt, so schließen die der Küste vorgelagerten Inseln, Nationalparks, Strände, Sehenswürdigkeiten und schließlich auch Hotelpools. Die Straßen werden leerer – weniger Flüge, Kreuzfahrtschiffe bleiben aus, Touristen reisen ab.

Foto: Lisa Mörchen
Foto: Lisa Mörchen

„Das wird die Tourismusbranche hier hart treffen. Ganze Familien leben davon, so viele sind auf Touristen angewiesen“, erklärt uns ein Schweizer, der seit 20 Jahren in Kolumbien lebt und einen Kaffeeladen führt. Unter den verbleibenden Reisenden macht sich Ungewissheit breit, in den noch geöffneten Cafés wird gemeinsam überlegt, was zu tun ist. Umliegende Länder schließen ihre Grenzen, Flüge nach Europa werden gestrichen, die Stimmung verändert sich. Uns wird klar, dass wir unsere Reise leider vorzeitig abbrechen müssen. Wir entscheiden uns, den Flug nach Rio de Janeiro wie geplant anzutreten, denn Brasiliens Grenzen sind noch offen, während Kolumbien die Verbindungen ins Ausland zunehmend kappt.

Am Abend vor unserem Flug verlassen wir das Hotel, um essen zu gehen. Sofort spüren wir die angespannte Stimmung, die sich schnell in Unbehagen wandelt, denn überall steht Polizei, das Militär fährt durch die Straßen. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt: Ab 18:00 Uhr müssen sich Einheimische in ihren Häusern und Touristen in ihren Hotels aufhalten, am Wochenende gilt die Ausgangssperre ganztägig. Das Essen bereiten wir uns an diesem Abend in der Hotelküche zu, denn die Supermärkte sind leergeräumt oder haben schon geschlossen.

Gecancelte Träume

Früh am Morgen machen wir uns auf den Weg zum Flughafen und erreichen ohne Zwischenfälle Rio de Janeiro. Noch am Flughafen versuchen wir, einen Rückflug nach Deutschland zu organisieren. Die Anzeigetafeln verdeutlichen das Ausmaß, hinter jedem zweiten Flug steht cancelado. Es herrscht Trubel, überall stehen gestrandete Reisende, viele wollen nach Europa. Das Warten zahlt sich aus: Wir bekommen Tickets für einen Flug mit der niederländischen KLM in fünf Tagen und machen uns auf zum Hotel.

Foto: Lisa Mörchen
Foto: Lisa Mörchen

Die Metropole Rio de Janeiro gleicht einer Geisterstadt, auch ohne strenge Vorschriften. Wir organisieren einen Helikopterflug – die weltberühmten Strände Ipanema und Copacabana sind menschenleer, die über der Stadt thronende Christusstatue ist wohl zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht von Besuchern umringt.

Wir kommen mit einer Italienerin ins Gespräch, die in einem Restaurant in London arbeitet und überlegt, in Brasilien zu bleiben. Wir treffen auf einen Amerikaner, der fest entschlossen ist, das Ganze „auszusitzen“, denn irgendwie werde das am Strand schon gehen. Wir sitzen mit einer Berlinerin zusammen, die gerade erst ihre Zelte abgebrochen hat, um auf einjährige Weltreise zu gehen, und jetzt nach nur einer Woche den Rückflug antreten muss. Wir scherzen mit einem Briten, dass wir uns nächstes Jahr zur gleichen Zeit am gleichen Ort wiedertreffen und unsere Reise fortsetzen.

Die Suche nach einem Rückflug

Am Tag vor unserem Abflug bekommen wir die Information, dass der Flug gestrichen wurde und wir werden umgebucht. Auch dieser Flug findet nicht wie geplant statt. Wir erhalten nur spärliche Informationen von der Fluggesellschaft und fahren mehrfach zum Flughafen, nur um eine halbe Stunde später wieder im Hotel aufzuschlagen. Wir tragen uns in die Liste des Auswärtigen Amts ein und rechnen damit, auf einen der Sonderflüge warten zu müssen. Doch dann findet der Flug, auf den wir schlussendlich umgebucht wurden, tatsächlich planmäßig statt und wir fliegen von Rio de Janeiro über Amsterdam nach Frankfurt.

Trotz angespannter Stimmung und Ungewissheit haben wir unter den Reisenden einen starken Zusammenhalt erlebt – man rutschte in Cafés zusammen, teilte Informationen und Wein, Reiseerfahrungen und Sorgen über das, was uns alle wohl zuhause erwartet. Man blieb in Kontakt, auch um sicherzugehen, dass es jeder wohlbehalten nach Hause schaffen würde. Was trotz Abbruch der Reise bleibt, sind Erinnerungen an eine unvergessliche Zeit in Südamerika – und das Versprechen, mit unseren Rucksäcken loszuziehen, sobald das Reisen wieder möglich und sicher ist.