Eine europäische Begegnung

20 Jahre „Poetischer Frühling im Sauerland“

Von Herbert Somplatzki

Der „Poetische Frühling 2000“ war für die literarische Gesellschaft Sauerland Christine-Koch-Gesellschaft-e.V., die an Mitgliedern stärkste literarische Gesellschaft der Region, die damals noch Christine-Koch-Gesellschaft hieß, jener große Schritt, der zum Wendepunkt für die Literatur des Sauerlandes werden sollte; ein historischer Schritt über die Grenzen der Region hinaus zur Begegnung mit internationaler Literatur und Kultur.

In jenem Jahr 2000 veranstaltete die Landesregierung NRW, aus Anlass des Schwerpunktes „Polen“ auf der Internationalen Buchmesse Frankfurt, die landesweite deutsch-polnische Kulturbegegnung „Polen erlesen. Literatur. Kunst und Kultur. NRW 2000“. 50 polnische Dichterinnen und Dichter, darunter Nobelpreisträgerinnen und -preisträger, wurden nach Nordrhein-Westfalen eingeladen, um an 40 Orten des Landes ihre Literatur vorzustellen.

Damals waren meine Frau und ich, beide Kriegsflüchtlinge aus dem Osten, gerade aus der Großstadt Essen ins Sauerland gezogen und hatten schon seit einem Vierteljahrhundert Kontakte nach Polen aufgebaut. Deshalb machte ich dem Vorsitzenden der Christine-Koch-Gesellschaft, Dieter Wiethoff, den Vorschlag, das Sauerland mit meiner Geburtsregion Ermland-Masuren literarisch zusammenzuführen. Sowohl Dieter Wiethoff als auch der stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Westfalen, Dieter Wurm, waren sofort bereit, diese Idee zu realisieren. Und da sich damals auch die Musik des Sauerlandes, betreut von Georg Scheuerlein sowie dem Kulturamt des HSK, vertreten durch Wolfgang Meier, dieser landesweiten Großveranstaltung angeschlossen hatte, ergaben sich weitere Ideen. Etwa bei einer literarisch-musikalischen Gemeinschaftsveranstaltung mit einem polnischen Chor in der Herz-Jesu-Kirche in Schmallenberg-Gleidorf, die den Begegnungsgedanken auch zwischen den Künsten erfolgreich umsetzte. Zwischen Iserlohn im Westen und Brilon im Osten, Attendorn im Süden und Arnsberg im Norden erblühte in Akademien, Kirchen, Verwaltungsgebäuden, Schulen und Museen ein „Poetischer Frühling“ über europäische Grenzen hinweg und er
wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Diese erste Begegnung damals war für alle Beteiligten so erfolgreich und herzlich, dass unsere polnischen Gäste die Christine-Koch-Gesellschaft zu einem Gegenbesuch einluden. 2002 reisten zwei Dutzend Literaturfreunde aus dem „Land der 1000 Berge“, dem Sauerland, 1000 Kilometer nach Osten, um im „Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen“, Ermland-Masuren, polnischen Poetinnen und Poeten zu begegnen. Diese Begegnung zweier Sprachkulturen währt nun anderthalb Jahrzehnte und ist wohl einmalig in NRW. Und sie legte das Fundament für neue Begegnungen über Grenzen hinaus und erweiterte und bereicherte durch das literarische Wort auch die weitere Entwicklung der Kultur des Sauerlandes.