Die nächste Waldgeneration wächst schon

Forstbetrieb Schmallenberg hat die Weichen für die Zukunft gestellt/22.000 Tonnen Co2 werden jährlich zusätzlich gespeichert

Text: Paul Senske                                    
Fotos: S. Droste

Stürme, Dürre, Hitzewellen und Borkenkäfer haben den Wäldern massiv zugesetzt. Natürlich ist davon auch der Stadtwald Schmallenberg betroffen. Vor allem die Borkenkäferkalamitäten, deren Höhepunkt erst für Mitte dieses Jahres erwartet wird, machen dem städtischen Forstbetrieb arg zu schaffen.  Doch in Schmallenberg geht es in der Bewirtschaftung des Waldes bei weitem nicht nur um aktuelle Schadensbegrenzung. Seit gut 30 Jahren arbeitet der Forstbetrieb an der Zukunft eines sogenannten klimaplastischen Waldes. Die nächste Waldgeneration ist schon da. Dank zukunftsorientierter Maßnahmen werden jährlich zusätzlich 22.000 Tonnen CO² zur bereits vorhandenen Kapazität im Stadtwald gespeichert.

Es ist eine Doppelstrategie, die der Forstbetrieb Schmallenberg fahren muss: Es gilt weiter wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen und gleichzeitig eine dramatische Situation zu meistern. Große Sorgen und Herausforderungen bereitet besonders der Borkenkäfer: „Wir laufen derzeit dem Borkenkäfer hinterher“, sagt Stadtförster Siegfried Hunker, der den Forstbetrieb leitet. „Nach Einschätzung von Experten ist die Krise noch nicht überstanden. Sie befürchten, dass der Höhepunkt der Borkenkäferkalamität und des Waldsterbens erst Mitte 2020 erreicht wird“, betont Bürgermeister Bernhard Halbe, gleichzeitig auch Vorsitzender des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW mit 141 Mitgliedern. Die Folgen sind teilweise verheerend: Ungeplanter hoher Holzeinschlag, Schadflächen und „Kalamitätslöcher“ im Wald sowie deren Räumung und große Einnahmeverluste beim Holzverkauf. Ein Beispiel: Für das Dreieck der Kommunalwälder Iserlohn, Hallenberg, Marsberg wurden Ende letzten Jahres 1,28 Millionen Festmeter Kalamitätsholz (Sturm + Käfer) geschätzt, das 6,5 fache des normalen Jahreseinschlags. „Der Wald ist voll mit aufgearbeitetem Schadholz. Bis zum Frühjahr wollen wir den Wald geräumt haben“, betont Hunker. Der Preisverfall ist ebenfalls dramatisch: Vor drei Jahren wurden für einen Festmeter (Fichte) rund 90 Euro bezahlt, derzeit liegt der Preis bei 30 – 50 Euro. Abrechnen muss man noch die Erntekosten. Nebensortimente sind kaum absetzbar, Restholz ist im Übermaß vorhanden. Durch den Preisverfall ist im Forstwirtschaftsplan der Stadt für 2019 ein finanzielles Loch zu erwarten.

Der Forstbetrieb Schmallenberg erntet in der Regel 70 Prozent Nadelholz (Fichte) und 30 Prozent Laubholz. Hauptabnehmer sind Sägewerke, auch Zimmereien. Das Rundholz geht in den Bausektor, die Nebenprodukte finden Absatz in der Holzwerkstoff-Industrie. Holz minderer Qualität wird u. a. für Paletten verarbeitet. Der Forstbetrieb exportiert auch Laubholz für die Möbelindustrie nach China.

„30 Prozent des Stadtwaldes sind mehrschichtig“ (Stadtförster Siegfried Hunker)

Ein durchgängiges Qualitätsmerkmal des Forstbetriebs und der durch den Stadtrat verabschiedeten Wirtschaftspläne ist die Nachhaltigkeit. „Rund 16.000 Festmeter ernten wir jährlich“, erklärt Hunker. „Es wird so viel geerntet wie nachwächst. Tatsächlich wächst aber mehr nach.“ Diese „Philosophie“ weist in die Vergangenheit und in die Zukunft. „Die Zukunft hat schon vor gut 30 Jahren begonnen“, erklärt Bürgermeister Halbe. „Damals haben wir uns damit beschäftigt, wie wir unseren Wald zukunftsgerecht aufstellen können.“ Wichtige Themen, die auf dem Weg zum „klimaplastischen Wald“ im Laufe der Jahre angepackt wurden, waren neben der Schadensbegrenzung die Naturverjüngung, Wiederaufforstung mit klimagerechten Jungpflanzen und damit auch und besonders eine Durchmischung des Waldes, eine Waldumwandlung. „Wir haben rund 15 verschiedene Baumarten gepflanzt“, so Hunker. „Der Mischwald hat deutlich zugenommen. Wir arbeiten mit mehrschichtigen Beständen, das heißt Naturverjüngung oder Neuanpflanzungen wachsen unter dem Schutz der Altbestände. Rund 30 Prozent des Stadtwaldes sind schon mehrschichtig. Die nächste Waldgeneration ist schon da.“ Vor diesem Hintergrund fordert Halbe, dass der „Wildverbiss“ unterbunden werden muss. „Die Aufforstungen werden teilweise aufgefressen. Die Wilddichte muss angepasst werden. Wir brauchen einen Einklang von Wald und Wild.“

„Je mehr Holz genutzt wird, desto mehr Co² wird dauerhaft gebunden“ (Bürgermeister Bernhard Halbe)

Gleichzeitig macht sich Halbe für eine „bessere Nutzung des Holzes“ stark. Auf der Veranstaltung „Waldsterben 2.0“ am 12. Dezember 2019 in Arnsberg betonte er u. a., dass die Kommunen „gerne bei der Holznutzung mitmachen. Ein Festmeter Holz speichert stark vereinfacht eine Tonne Co². Je mehr Holz nachhaltig genutzt wird, desto mehr Co² wird dauerhaft gebunden. Wildnis-Wälder leisten das nicht.“ Für den Stadtwald Schmallenberg kann Halbe eine positive Bilanz ziehen. „Seit zwei Jahren betrachten wir die Co²-Speicherung des Stadtwaldes mit Hilfe der Forstinventur. Wir speichern jährlich zusätzlich 22.000 Tonnen Co² zu dem, was schon im Stadtwald vorhanden ist.“

Beim Blick in die Zukunft setzen Halbe und Hunker insgesamt auf einen nachhaltigen Landschafts- und Naturschutz, für den in Schmallenberg eine Menge getan werde. „Die Wasser- und Luftreinhaltung ist genauso wichtig wie die Holznutzung.“ Und wie schätzen die beiden die Zukunft des Waldes ein? „Der Fichtenhochwald wird weiter abnehmen. Es wird eine buntere Mischung geben, der Wald sieht in Facetten anders aus. Wir werden weiter unseren Wald haben – zur Rohstoffgewinnung, zum Klima- und Wasserschutz und zur Erholung.“

Stadtwald mit vier Revieren

Schmallenberg ist eine der waldreichsten Kommunen in NRW. Gut 60 Prozent der Gesamtfläche (303 Quadratkilometer) sind Waldfläche. Die Stadt Schmallenberg ist Eigentümer von rund 2.850 Hektar. Das sind gut 15 Prozent der gesamten Waldfläche im Stadtgebiet. Der Stadtwald ist in vier Reviere aufgeteilt: Das Revier Schmallenberg mit einer Fläche von gut 800 Hektar, Bad Fredeburg mit 750, das größte ist Bödefeld (1050) und schließlich das Revier Ortswald Nordenau mit Viehweide Westfeld und Gemeinde Oberkichen (rund 225 Hektar). Das Verhältnis der Baumarten beträgt 62 Prozent Nadelholz, 38 Prozent Laubholz. Im städtischen Forstbetrieb sind zwei Förster, ein Forstwirtschafts-Meister, drei Forstwirte und ein Auszubildender beschäftigt.

Die Waldfläche im restlichen Stadtgebiet befindet sich zu rund 72 Prozent in Privatbesitz, ca. 13 Prozent sind Landeswald. Für diese Fläche ist das Regionalforstamt Oberes Sauerland mit Sitz in Schmallenberg zuständig.

Stadtforstrat Siegfried Hunker im Gespräch mit Stadtförster Christian Bröker.
Stadtforstrat Siegfried Hunker und Bürgermeister Bernhard Halbe