Sauerländer Bräuche: Öhmensache – Deckeln (Rappeln)

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aus „Voll die Bräuche, woll!“ von Michael Martin

Wo? Zum Beispiel in Brachthausen und Altastenberg
Wann? Wenn ein Wilderer im Revier gesichtet wird

Im Sauerland findet jeder den richtigen Verein. Es gibt sogar solche für Junggesellen über 16 Jahre, die sogenannten Öhmen. Diese Vereine nennen sich beispielsweise „Öhmenclub“ oder „Fahnengesellschaft“. Letzteres natürlich nicht, weil die Jungs ständig von Alkoholfahnen umwabert sind, sondern weil der örtliche Schützenverein dahintersteckt. In Ermangelung einer Ehefrau verbringen die Öhmen ihre Freizeit nicht mit Müllraustragen, Kinderfüttern oder beim Shoppen, sondern mit sinnvollen Tätigkeiten, wie zum Beispiel Trinken, Rauchen sowie Deckeln oder Rappeln. Weitere wichtige Grundregeln des Junggesellenlebens finden sich im offiziellen Brachthausener Öhmenlied:

Männer vom Öhmenbund,
preiset mit Herz und Mund
den Öhmenbund.
Seid ihr zu Hause nur
oder auf großer Tour;
fröhlich erschallt es stets:
Prost Öhmen hier!

Wir lieben stets das Bier.
Wasser verachten wir.
Bei hellem Becherklang
und frohem Rundgesang
fröhlich erschallt es stets:
Prost Öhmen hier!

Heiraten tun wir nicht,
weil’s uns an Last gebricht.
Wir bleiben frei.
Ledig und frei zu sein,
niemals einWeib zu frei’n,
so wollen’s halten wir.
Prost Öhmen hier!

Öhmen und Nöhmen hier,
macht euch recht viel Pläsier
in eurem Stand!
Seid ihr zu Hause nur
oder auf großer Tour;
fröhlich erschallt es stets:
Prost Öhmen hier!

Was aber ist nun das Deckeln oder Rappeln? Gedeckelt und gerappelt wird immer dann, wenn ein Mädchen im Dorf zum ersten Mal Besuch von ihrem Freund aus dem Nachbarort bekommt. Dann kümmern sich die Öhmen persönlich um den unerwünschten Wilderer in ihrem Revier. Sie umstellen das Haus der besuchten Schönen und veranstalten mit Topfdeckeln und Trillerpfeifen einen Höllenlärm. Es wird solange geschellt, bis jemand die Tür öffnet und die gesamte Junggesellentruppe hineinstürmen kann.

Der älteste Öhme, auch „Oberrappelmeister“ genannt, stellt dem Mädchenwilderer eine nachträgliche Jagderlaubnis für das Ortsrevier aus. Dieser Jagdschein ist sehr ausführlich und beschäftigt sich unter anderem mit den verflossenen Liebschaften der besuchten Dame. Ein allgemein sehr geschätztes Traditionselement des Öhmenvortrags ist das gegenseitige Zuprosten und Ex-Trinken bei jedem Satzzeichen. Punkt, Punkt, Komma, Strich, rumms, da warn die Öhmen dicht! Sämtliche verzehrten Getränke müssen selbstverständlich vom erwischten Pärchen gelatzt werden. Kein Problem, da eine echte Sauerländer Maid immer ein paar Pils in petto hat – man weiß ja schließlich nie, woll?! Zum Schluss wird das Mädel offiziell gewogen, und ihr Freier, auch „Frigger“ genannt, muss eine dem Gewicht entsprechende Jagdgebühr entrichten. Kein Wunder, wenn sich die Junggesellen besonders über diejenigen Mädels im Ort freuen, die etwas stabiler sind und am laufenden Meter den Verlobten wechseln.

Wer das Sauerland als Revier für die persönliche Partnersuche wählt, dem kann ich nur gratulieren, denn nirgendwo auf der ganzen Welt gibt es so schöne Frauen, wie bei uns. Aber bitte nicht den Jagdschein vergessen, denn sonst rappelt’s!