Oeventrop – Vereinigte Staaten, tolles Dorf !

„Die Rivalität besteht immer noch. Aber nur beim Vogelschießen“

Text: Markus Weber           
Fotos: Susanne Droste

Jeder Ortsteil hat eine eigene Identität, und auch die vielbeschriebene Rivalität untereinander gibt es noch, aber wenn es darauf ankommt, stehen alle wie ein Mann zusammen. Es herrscht ein großartiger dörflicher Zusammenhalt.

Aber beginnen wir von Anfang an: Zu Beginn der Geschichte der Ruhrdörfer steht eine Urkunde vom 08. März 1232, in der die einzelnen Ortsteile – Ouerendorp, Dinterscede und Clusinchem – erstmals als zusammenhängendes Dorf genannt werden. Im Laufe der Jahrhunderte“ wurden daraus Oeventrop, Dinschede und Glösingen, von einigen auch scherzhaft die „Vereinigte Staaten von Oeventrop“ genannt.

Zu Oeventrop gehört schließlich auch das Rittergut „Wildeshusen“, das heutige  Wildshausen.

Dörfliche Mittelpunkte : Einzelhandel, Sport, Kultur und Kirche 

Bis in die 80erJahre des 20. Jahrhunderts war die in der Mitte Oeventrops gelegene Kirchstraße das natürliche Zentrum des Ortes. Metzgereien, Bäckerei, eine Drogerie, Apotheken, Friseure, Bekleidungsgeschäfte, Tabak- und Zeitschriftenhandel und noch mehr. Auf der Kirchstraße gab es alles! Dem ersten Discounter (Spar), Supermarkt am Widayweg, folgten viele weitere. Mit den Jahren verschob sich das „Einkaufszentrum“ immer mehr in Richtung „Widay-Markt“, zwischen den Bahngleisen und dem alten Sportplatz gelegen. Die Vielfalt der Einkaufsmöglichkeiten – konzentriert an einem Platz – wissen auch Kunden aus dem benachbarten Arnsberg oder aus Freienohl zu schätzen.

Weiterer Anziehungspunkt für Jung und Alt ist das Sportzentrum „In den Oeren“. Hier „lebt“ der Ort sportlich, mit einer außergewöhnlichen Intensität.

Organisiert im „Turn-und Sportverein 1896“ (TuS) Oeventrop sind nicht weniger als elf Abteilungen: Fußball, Handball, Tennis, Judo, Ski, Schwimmen, Turnen, Reha-Sport, Leichtathletik, Tischtennis und Radsport. Außerdem gibt es diverse Kursangebote in der Sportstätte OaSE (Oeventrops außergewöhnliche SportEinrichtung). Viel zu weit würde es führen, alle Erfolge des heute 2400 Mitglieder (!) starken Vereins aufzulisten. Der größte Gewinn für das Dorf sind ohnehin nicht Pokale, Medaillen oder Aufstiege, sondern die Verbundenheit, die durch die immer neuen Begegnungen im sportlichen (und geselligen) Miteinander unter den Oeventropern aller Altersgruppen entsteht.  

Das kulturelle und christliche Leben – eng verbunden mit dem Schützenwesen – findet dagegen weiter zu großen Teilen in der Kirche und der in Sichtweite liegenden Schützenhalle statt. Überhaupt das Schützenfest: absoluter gesellschaftlicher Höhepunkt seit Jahrzehnten!  Nicht hunderte, sondern tausende Besucher von nah, fern und ganz fern zählt man an den drei Tagen Anfang Juli, vor denen waschechte Oeventroper sich gern gegenseitig „frohe Feiertage“ wünschen. Das aber weitaus mehr Hektoliter Bier auf dem Oeventroper Schützenfest getrunken werden, als beim zeitgleich stattfindenden Fest im (einwohnermäßig rund fünfmal so großen) Alt-Arnsberg, ist sicher nur ein Gerücht – oder?           

Es sind noch längst nicht alle Vereine und Gruppierungen des Dorfes aufgezählt: da wären u. a. noch der Musikverein, der Freiwillige Tambourkorps, der LSC (Segelfliegen), der Sportfischerverein, der Sauerländische Gebirgsverein SGV, die katholische Frauengemeinschaft, die freiwillige Feuerwehr… und die erst vor fünf Jahren gegründete INO, die Initiative für Oeventrop, über die später noch etwas mehr erzählt werden wird. 

Die Ortsteile – individuell und doch gerne auch Teil des Ganzen

Wie ist das nun mit der Rivalität der Ortsteile untereinander? Franz-Josef Molitor, intimer Kenner der örtlichen Szene, meint dazu: „Die Rivalität besteht – Gott sei Dank – immer noch. Sie ist tatsächlich zwischen Dinschede und Glösingen größer als zwischen Oeventrop und Dinschede. Ein Grund dafür liegt sicher an der Ruhr, die unseren Ort in der Mitte geografisch teilt, dagegen sind Dinschede und Glösingen direkte Nachbarn auf der nördlichen Ruhrseite. Daher mag die Rivalität kommen. Sie tritt aber nur noch im Schützenwesen zutage (beim Vogelschießen kämpft jeder Ortsteil für sich), ansonsten sind wir ein Dorf!“  

Jeder Ortsteil ist also stolz auf seine eigene Identität, und es gibt diese identitätsstiftenden, markanten Örtlichkeiten. Hier einige davon, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:  

In Oeventrop sind das, auf einer Achse zwischen Kreuzung und Rumbecker Brücke („Zur Hünenburg“) gelegen, der „Appelhof“, sowohl Festplatz der Oeventroper Kompanie als auch aufwendig hergerichteter Großspielplatz. Dann das „Heiligenhäuschen“, liebevoll gepflegtes religiöses Kleindenkmal am Waldesrand, und natürlich die Vogelstange „unter den Buchen“.   

Für Dinschede gilt das sicher für das „Strülleken“, den wunderbar lauschig gelegenen Festplatz und den „Dinscheder Bahnhof“, die 2016 neu errichtete Ruhe- und Schutzhütte am hochgelegenen Plackweg. Dort steht auch das „Leo-Löwe-Kreuz“ (2008 renoviert) zu Ehren des ehemaligen SGV-Vorsitzenden.  

Auch Glösingen hat einen eigenen Kompanie-Festplatz „Im Siepen“, auf dem im Mai 2013 eine neue Hütte und ein toller neuer „Wanderpilz“ eingeweiht wurden. Die drei großen Äste des „Pilzes“, auf denen jeweils ein Teil des Oeventroper Wappens vom Holzschnitzer Hermann Reiter eingeschnitzt wurde, laufen unten zusammen und symbolisieren die Zusammengehörigkeit der drei Ortsteile. Und Glösingen hat den „Lattenberg“, beliebtes Wander- und Ausflugsziel.  

Dörflicher Zusammenhalt im besten Sinne

Wie schon erwähnt, steht über der eher augenzwinkernden Rivalität ein großartiger dörflicher Zusammenhalt, der vor einigen Jahren, zu Beginn der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015, im ganzen Sauerland und darüber hinaus bekannt wurde.

Franz-Josef-Molitor hierzu: „Was da in Oeventrop passiert ist, das war wohl in dieser Präsenz sicher einmalig im HSK. Bei der ersten Dorfversammlung wurde zwar heftig gemeckert und kritisiert, insbesondere wegen der Beschlagnahme der alten Sporthalle durch die Stadt Arnsberg. Daneben spürte man aber sofort eine große Welle der Hilfsbereitschaft. Als Pfarrer Ernst Thomas am Ende der Diskussion an die Anwesenden appellierte, hier und heute sofort einen „Runden Tisch“ von freiwilligen Flüchtlingshelfern einzuführen , meldeten sich spontan über 100 Personen. Im Laufe des Jahres erhöhte sich die Zahl auf fast 160 (!) Ohne jemand Einzelnen hervorheben zu wollen: Sehr viele Personen haben für einzelne Gruppen Verantwortung übernommen, um die Organisation und die Hilfsaktionen steuern und bündeln zu können.“

Aktuell, im Jahr 2020, sind die Oeventroper sehr froh, dass ihr Petitionsverfahren zur Errichtung einer Behelfsbrücke, die eine Zerschneidung des Ortes während der fälligen Renovierung der Dinscheder Brücke verhindert, erfolgreich war. Genauso viel Erfolg erhofft sich die Gruppe, die sich gegen die auf der „Hellefelder Höhe“ geplanten, 240 m hohen Windräder wendet und hierzu in einer Bürgerabstimmung bereits 3000 Unterschriften gesammelt hat.

Die Initiative für Oeventrop (INO)

2015 aus einer Idee am Kaffeetisch entstanden, ist die INO ihren Zielen, die in der Satzung u. a. mit „Verschönerung und Pflege öffentlicher Räume“ und „Verbesserung der Lebensqualität in Oeventrop“ angegeben sind, durch eine große Anzahl von tollen Maßnahmen schon sehr nah gekommen. „Trotzdem“, so der 1. Vorsitzende Olaf Spindeldreher, „geht es ja immer weiter, wir haben inzwischen viele sich jährlich wiederholende Aktionen, wie beispielsweise das Pflanzen von Narzissen (insgesamt wurden inzwischen 17.000 gepflanzt!) oder den umfangreichen Osterschmuck, das Aufstellen neuer Skulpturen und Bänke…und das, obwohl wir nur ca. 20 aktive Vereinsmitglieder sind, bei einer Gesamtmitgliederzahl von heute 87. Wir sind selbst vom Erfolg überrascht und freuen uns darüber, dass wir so viel Zuspruch für unsere Arbeit bekommen. Einzig die tatkräftige Unterstützung könnte noch ein wenig größer sein!“ Die Kunstwerke am Radweg vom Flugplatz nach Wildshausen, der „Schwalbenbaum“ an der Ruhr als neues Wahrzeichen Oeventrops, die Neugestaltung des kleinen Platzes vor der ehemaligen Grundschule, aber auch Aktionen wie das „Dinner in Weiß“, die „Konzerte im Garten“- die Liste ist bald endlos, und am besten schaut man sich einfach mal alles „vor Ort“ an! Übrigens wurde – ganz aktuell – die Initiative Oeventrop für ihr „beispielhaftes bürgerschaftliches Engagement“ am 12.01.2020 mit der Bürgermedaille der Stadt Arnsberg ausgezeichnet!    

   Das Schützenfest: absoluter gesellschaftlicher Höhepunkt seit Jahrzehnten   

  • Die alten Ortsnamen

Oventrop: Oeurendorp, bedeutet „oberes Dorf“. Das steht in Beziehung zu Uentrop= „unteres Dorf“.

Dinschede: Dinterscede (scede=-scheide) lag und liegt unterhalb der Bergscheide, dem Kamm des Arnsberger Waldes,

Glösingen: Clusinchem (Clus=Klaus, chem= Heim) rührt vermutlich von einem der ältesten Höfe des Dorfes, dem Nikolaus-Hof, her.  

Aus „Die Ruhrdörfer“,von Carl Kessemeier, erschienen 1982 in Arnsberg

Oeventrop – Vereinigte Staaten, tolles Dorf ! „Die Rivalität besteht immer noch. Aber nur beim Vogelschießen“
Oeventrop – Vereinigte Staaten, tolles Dorf ! „Die Rivalität besteht immer noch. Aber nur beim Vogelschießen“
Oeventrop – Vereinigte Staaten, tolles Dorf ! „Die Rivalität besteht immer noch. Aber nur beim Vogelschießen“
Skulpturen in der Ruhraue Oeventrop – Vereinigte Staaten, tolles Dorf ! „Die Rivalität besteht immer noch. Aber nur beim Vogelschießen“