(Kleine) Menschen im Hotel

Ein erlebnisreicher Tag im Landhotel Cramer

Text und Fotos: Monika Loerchner

Wenn Madeleine Hauptmann ihre drei Kinder in der KiTa Hirschberg abgegeben hat und zur Arbeit geht, hat sie es nicht weit: Einmal quer über die Prinzenstraße und schon ist sie da. Die 40-Jährige arbeitet als Servicekraft im Landhotel und Gasthof Cramer. Und hatte eine ungewöhnliche Idee.

Das Frühstück als Erlebnis

Viele Kindertagesstätten leisten aktive Aufklärungsarbeit in Sachen Ernährung. So auch in der KiTa Hirschberg. Unter der Leitung von Angelika Nordsiek-Lischka findet hier alle 14 Tage ein gemeinsames, gesundes Frühstück statt. Dabei lernen die Kinder, ihre Morgenmahlzeit selbst zusammenzustellen und dabei neue Lebensmittel auszuprobieren und gesunde Zutaten zu nutzen. Auch Tischmanieren werden so mit viel Spaß vermittelt. „Es wäre doch toll, das auch mal im Hotel zu machen“, dachte sich Madeleine Hauptmann. Die Mutter zweier Zwillingssöhne und einer Tochter weiß, wie man Kinder begeistern kann. Ihre Chefin Tanja Stich war von der Idee sofort begeistert. „Einmal im Monat laden wir die Kinder zu uns ein“, erzählt die Betriebsleiterin des charmanten Landhotels, „die Kinder kommen abwechselnd in drei Gruppen zu uns. Dann dürfen sie sich genau wie echte Gäste am Frühstücksbuffet bedienen.“ Und das lassen sich die Kinder mittlerweile nicht mehr zweimal sagen: Anfangs noch schüchtern, haben sie ihre Scheu vor der ungewohnten Umgebung schnell abgelegt. „Die kommen jetzt hier rein, hängen von allein ihre Jacken auf, legen Schal und Mütze weg und holen sich dann ihr Frühstück.“ Madeleine Hauptmann freut sich: „Man merkt wirklich, welche Entwicklung die Kinder gemacht haben!“

Große Gäste, kleine Gäste

Dabei bleibt der Besuch im Hotel aber immer etwas ganz Besonderes. „Anfangs standen die Kinder noch ein wenig ratlos herum und haben sich dann nur das genommen, was sie schon kannten“, so die dreifache Mutter. Mittlerweile probieren die kleinen Gäste alles ohne Scheu aus.

Nun war zum ersten Mal auch die Gruppe der Kleinsten zwischen ein und drei Jahren zu Besuch im Landhotel. Die Kinder bekommen erst einmal alles von ihren Erzieherinnen Melanie Luig, Britta Wegener und Anja Albrecht an den Tisch gebracht.

Seit Oktober 2018 läuft nun schon die Kooperation zwischen der KiTa und dem Landhotel, das die Kosten des Frühstücks alleine trägt. „Der Besuch der Kinder ist hier eine richtig schöne Tradition geworden“, berichtet Tanja Stich. Nicht nur die Angestellten des Hotels erfreuen sich an den strahlenden und staunenden Kindergesichtern, sondern auch die Gäste: „Wir werden immer wieder darauf angesprochen, was die vielen Kinder hier machen“, erzählt Madeleine Hauptmann, „und alle sind begeistert.“ Ein Gast aus Bayern war sogar besonders von dem monatlichen Frühstück für die KiTa-Kinder angetan. „Als ich ihm die Hintergründe erzählte, war er so begeistert, dass er das Konzept übernehmen wollte. Er hat nämlich selber ein Hotel.“

Schulkinder hinter den Kulissen

Die Zusammenarbeit zwischen dem Hotel und der KiTa läuft so gut, dass nun ein weiteres Projekt gestartet wurde: Die angehenden Schulkinder durften erstmalig hinter die Kulissen schauen. Kaum dass die 13 Kinder mit den Erzieherinnen Melanie Luig und Yvonne Kellerhoff das Landhotel betreten hatten, wurden sie von Tanja Stich persönlich begrüßt. „Obwohl ich das sonst nur bei prominenten Gästen mache“, scherzte die Betriebswirtin. Die Kinder durften sich die Rezeption anschauen und ausnahmsweise auch tüchtig auf die Klingel drücken. Zimmerschlüssel und Anmeldeschein wurden ebenfalls von den kleinen Gästen sorgsam in Augenschein genommen. Anschließend ging es in zwei Gruppen einmal durch das ganze Hotel. Und da gab es viel zu entdecken für die großen Kinderaugen: Das Restaurant, die Bierstube, einen echten Geheimgang und die alte Rezeption („Ist die zehn Jahre alt?“ „Nein, etwas mehr.“ „100 Jahre?“). Weiter ging es in die gemütliche Jägerstube mit urigen Möbeln und großem Flachbildfernseher. („Hier wird oft Fußball geschaut.“- „Oh, dürfen wir jetzt Fernsehen gucken?“  „Äh, nein.“)

Überall was zu entdecken

Oben bestaunten die Kinder den Christopherus-Saal, den einige bereits vom Laternen-basteln im Oktober kannten. „Hier haben doch meine Eltern geheiratet!“, berichtet ein Kind, während andere ehrfürchtig feststellen: „Hier kann man ja wirklich überall essen!“ Auch beim Besichtigen eines der 28 Hotelzimmer beweisen die Kleinen einen Blick fürs Wesentliche: „Da liegen ja Süßigkeiten auf dem Bett!“

Unten durften die Kinder dann die Küche bestaunen. Hier lag das besondere Augenmerk der kleinen Inspektoren auf den Speiseeisbehältern sowie den Bildern der fertigen Eisbecher. „Das sieht so lecker aus!“, urteilt Heather. Doch zum Naschen blieb keine Zeit, zu viel wollte noch entdeckt werden: Die riesige Spülmaschine, der Herd („Der ist aber groß!“), die Wärmebrücke für die Teller. Außerdem die verschiedenen Kühllager und diversen Kellerräume.

In Zimmer Nummer 14 dann trafen die beiden Gruppen wieder zusammen. Das große Doppelzimmer war früher einmal ein Pferde- und Kuhstall – was Jannis mit einem angemessenen „Cool!“ quittierte.

All die Eindrücke wurden gewissenhaft fotografisch festgehalten; später soll dann gemeinsam in der KiTa eine Collage zu dem spannenden Hotelbesuch gebastelt werden.

Es schnibbelt sich nicht von alleine!

Nach so einer anstrengenden Tour wurde es für Luzie, Jannis, Lukas, Vince, Enja, Heather und ihre Freunde Zeit, sich erst einmal zu stärken. Doch auch dieses Mal sollten die Kinder nicht einfach ihr Essen vorgesetzt bekommen, denn Tanja Stich legt Wert darauf, neben Spaß auch Wissen und eine Wertschätzung für die Speisen zu vermitteln: „Die Kinder sollen lernen, dass sich Essen nicht mal eben so von alleine macht.“

Entsprechend mussten die kleinen Finger selbst aktiv werden. Dafür ging es in die Bierstube, wo sie Obst für einen leckeren, süßen Salat schneiden durften. Alle Kinder waren mit Feuereifer dabei und waren stolz, sich eine eigene Mahlzeit zubereitet zu haben. Ein Anblick, der Tanja Stich glücklich macht. „Ich wusste schon mit 16 Jahren, was ich später einmal machen will. Ich habe diese Hotelflair schon immer geliebt“, verrät sie. Nun den Kleinsten dieses ganz spezielle Flair nahezubringen, ist ihr wichtig. „Wir werden diese Hotelführung ab jetzt jedes Jahr mit den Vorschülern machen“, verspricht die Soesterin. „Das Dorf liegt uns allen am Herzen und Kinder sind nun mal unsere Zukunft – unsere zukünftigen Gäste und vielleicht ja auch unsere zukünftigen Mitarbeiter!“

Die Kinder werden von Hotelmitarbeiterin Marie Nawrotzki und Betriebsleiterin Tanja Stich an der Rezeption begrüßt
„Die Teller sind ja schon sauber und noch ganz warm‘‘, staunen die Kinder. Mit dabei Erzieherin Melanie Luig
‚‘So eine große Spülmaschine brauchen wir auch Zuhause!‘‘, fi nden Enja, Jannis, Vince und Luzie.
Tanja Stich, Madeleine Hauptmann; die Erzieherinnen Melanie Luig, Anja Albrecht und Britta Wegener mit den Kindern der Regenbogengruppe (v. l.)