Alle wissen, wo sein Auto steht – er pfeift drauf!

Schiedsrichter Willi Pilger

Text von Andrea Gödde-Kutrieb – Foto: Frank Gries

„Es ist wie ein Virus.“
Willi Pilger hat eine Leidenschaft. Seit 44 Jahren ist der 62-jährige Cobbenroder als Schiedsrichter auf den Fußballfeldern der Kreisliga und als Linienrichter bis zur Regionalliga unterwegs. Viele schöne Begegnungen mit Fußballstars und anderen Unparteiischen sind ihm in wertvoller Erinnerung. „Es ist wie ein Virus, der einen nicht mehr loslässt“, sagt er selbst. Die Begeisterung für sein Hobby gibt er außerdem seit 37 Jahren an den Schiedsrichter-Nachwuchs weiter, zuletzt als Mitglied des Lehrstabs im Hochsauerlandkreis. Die Ausbildung zum Schiedsrichter ist nicht nur fachlich interessant, man wächst auch an der Aufgabe und formt den eigenen Charakter.

„Wie wichtig Schiedsrichter sind, merken die Leute erst, wenn keiner da ist.“
Ärgerlich ist die Respektlosigkeit, die den Schiedsrichtern in letzter Zeit zunehmend von Spielern und auch Zuschauern entgegenschlägt. Immer öfter werden sie persönlich oder im Netz beleidigt, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. „Die Hemmschwelle ist stark gesunken. Überall auf den Plätzen – auch bei uns im Sauerland“, so Pilger. Er nennt Zahlen: „In der Saison 2018/2019 wurden in unserem Verband 426 Gewaltdelikte registriert. Eine Steigerung um 10 Prozent zum Vorjahr. In 315 Fällen handelte es sich bei den Opfern um Schiedsrichter.“ Wahrscheinlich ist diese Zahl noch höher, denn Delikte wie psychische Gewalt werden oft gar nicht gemeldet. Willi Pilger nennt nur einige Fälle aus jüngster Vergangenheit: In der A-Liga West haben sich Spieler einer Mannschaft nach einem Verweis um den Schiedsrichter geschart. Dieser habe dann einen Schlag mit der Linienrichterfahne auf den Hinterkopf bekommen. Die Anzeige wegen Körperverletzung wurde fallengelassen, weil angeblich keiner der in unmittelbarer Nähe stehenden Personen den Täter identifizieren konnte.

Ähnlich erging es einem Unparteiischen bei einem anderen Spiel der A-Liga. Ihn hatte man mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Wenigstens haben sich hier, unmittelbar danach, der Verein und der Täter selbst persönlich und schriftlich beim Opfer entschuldigt. Einem Schiri in der Kreisliga C wurden heftige Beleidigungen zugerufen, die wir an dieser Stelle lieber nicht zitieren möchten. Die Reaktion des Sportgerichtes: Der Täter, selbst Trainer, wurde, auch wegen seiner Vorbildfunktion, mit einer Geldstrafe und einem längeren Ausübungsverbot belegt. Willi Pilger ist es vor kurzem passiert, dass ihm von einem Spieler, den er mit einer Gelb-Rot-Entscheidung des Platzes verwiesen hatte, massiv Gewalt angedroht wurde. „Leider ist dieser Vorfall vom Staffelleiter nicht geahndet worden, so dass der Täter jeglicher Strafe entging“, ärgert sich Pilger. „Solche Ereignisse tragen natürlich nicht gerade dazu bei, dringend benötigte neue Schiedsrichter zu gewinnen.“

In mehreren Landesverbänden des DFB habe der Trend zum Schiedsrichter-Bashing im letzten Jahr schon zu Streiks geführt. Aber was ist, wenn die Referees irgendwann keine Lust mehr haben, ihrem Hobby nachzugehen? „Wie wichtig ein Schiedsrichter ist, merken die Leute erst, wenn keiner da ist“, weiß Pilger aus Erfahrung. Die Vereine sollen eine festgelegte Anzahl an Unparteiischen stellen, sonst werden Bußgelder fällig. Normalerweise muss jeder gemeldete Schiri dann mindestens 15 Spiele pfeifen, um für den Verein zu zählen. Die meisten von Pilgers Kollegen pfeifen viel mehr Spiele, sonst ginge es gar nicht.

Alle sollten zusammenhalten
Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) hat reagiert und unter anderem die Sportgerichte zu einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Gewalttätern aufgefordert. Auch der DFB hat in der Winterpause beschlossen, künftig härter durchzugreifen. Vergehen wie das wiederholte Reklamieren, jede Form von aggressivem Verhalten gegen den Schiedsrichter, Zeitspiel oder Auslösung einer Rudelbildung sollen künftig strenger geahndet werden, wie jüngst in Bundesligaspielen schon geschehen. „Alle müssen hier zusammenhalten und dem Trend zur Respektlosigkeit entgegenwirken“, findet auch Willi Pilger. Denn das, was die Stars in der Bundesliga vormachen und wie es geahndet und kommentiert wird, findet sich schnell in den unteren Ligen wieder.

Über den scheinbar saloppen Spruch „Schiri, ich weiß, wo dein Auto steht!“ kann Willi Pilger eigentlich nicht mehr lachen. Ab und an kontert er aber: „Kann gar nicht sein, ich bin nämlich mit dem Fahrrad da!“