Eine lange Reihe von Zwingern, es müssen um die 500 sein. In fast jedem davon wartet ein Hund auf den Tod …
Text und Fotos: Monika Loerchner
Der Besuch in der spanischen Tötungsstation geht Alexandra Hoppe, Vermittlerin bei den Warsteiner Tierfreunden, unter die Haut. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern ist sie im Sommer 2019 wieder einmal nach Spanien gereist, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. In Zwinger Nummer 104 drückt sich ein Welpe zitternd gegen die Wand. Alexandra Hoppe weiß, sie kann nicht alle retten. Aber den hier.
Als der kleine Rüde aufgelesen und in die Tötungsstation gebracht wurde, war er schwer krank, die empfindlichen Ohren und die Schnauze waren entzündet. Als die Warsteiner Tierfreunde ihn vor der todbringenden Spritze retten, ist er gerade einmal vier Monate alt.
Heute ist „Sangrio“ nicht wieder zu
erkennen. Der Podenco-Mischling ist 72cm groß, verspielt und fröhlich. „Sangrio
ist ein sehr freundlicher Hund und sehr sanft. Vor allem zu älteren oder
kranken Menschen“, erzählt Alexandra Hoppe. Die Pflegedienstleiterin nimmt den
Rüden sogar mit zur Arbeit. „Im Büro ist er so ruhig, man könnte ihn glatt
vergessen.“
Wenn er dann wieder Zuhause ist, muss sich Sangrio – immerhin ist er mit seinen
zehn Monaten mitten in der Pubertät – allerdings erstmal tüchtig austoben. Das
tut er am liebsten mit den beiden anderen Hunden der Familie, Cookie und
Chicharito, „Kleine Erbse“. Die aufgeweckten Dalmatinerdamen stammen aus Polen
und Spanien.
„Sangrio sollte eigentlich nur so lange bleiben, bis wir ihn an eine andere Familie vermittelt haben.“ Frau Hoppe lacht. „Doch nach dem ersten gemeinsamen Urlaub wollten wir ihn nicht mehr hergeben!“ Tanja Schannath, 1. Vorsitzende der Warsteiner Tierfreunde e.V., nennt so einen Fall augenzwinkernd „Pflegestellenversagen“.
Die Anfänge
„Alles begann, als Meike Enste vor einem Supermarkt einen Hund mit einem großen Tumor sah“, erzählt Frau Schannath von den Anfängen des Vereins. „Der Hund hätte schon längst operiert werden müssen, nur konnten sich die Besitzer das offenbar nicht leisten.“ Es folgte ein Spendenaufruf, der die OP tatsächlich möglich machte. Leider schaffte es der Hund dennoch nicht, die Hilfe war leider zu spät gekommen. Doch der Gedanke, sich aktiver für die Tiere einzusetzen, ließ Tanja Schannath und ihre Freunde nicht mehr los.
„Die ersten Jahre kümmerten wir uns fast nur darum, wilde Katzen kastrieren zu lassen“, so die zweifache Mutter. „Viele Streuner und Freigänger sind leider nicht kastriert.“
Doch der Verein konnte der schieren Anzahl an unkastrierten Katzen nicht Herr werden. „Den Eingriff an sich bezahlt das Tierheim Lippstadt. Aber es müssen ja auch Fallen aufgestellt und die Tiere angelockt werden, außerdem freilebende Tiere wieder ausgewildert werden. Das war rein personell einfach nicht zu schaffen.“
Gedankenloser und grausamer Umgang
Dabei ärgert es die Frauen besonders, wie gedankenlos manche Menschen sind.
„Die Kastration für Freigänger ist hier Pflicht, es kontrolliert nur keiner!“ und „Viele Menschen setzen ihre Katzen einfach aus, wenn sie Probleme machen.“
Ein Problem, das in Spanien ebenso herrscht – nur dass es dort meist die Hunde trifft.
„Dort sind die Verhältnisse anders“, davon konnten sich Alexandra Hoppe und Tanja Schannath bei ihren zahlreichen Besuchen selbst überzeugen. Der Hund gilt in Spanien nicht als bester Freund des Menschen, sondern als reines Nutztier. „Dass Hunde sensible, hochsoziale Lebewesen sind, die fühlen und leiden können, interessiert die Menschen dort nicht.
Sind die Hunde nicht mehr erwünscht, werden sie einfach ausgesetzt oder direkt
in einer Tötungsstation abgegeben. Einmal war sogar Alexandra Hoppe, die zuvor
bereits 13 Jahre lang für die Dalmatiner-Rettung tätig gewesen war,
fassungslos: Während einer ihrer Besuchen in der spanischen Tötungsstation in Mengibar kam eine Familie
und gab einen etwa einjährigen Hund ab. „Und dann haben sie sich einen Welpen
mit nach Hause genommen.“
Wie schafft man es überhaupt, angesichts
solcher Grausamkeit ruhig zu bleiben? „Muss man einfach. Und man muss immer im
Kopf behalten, dass man nicht alle retten kann“, so die Tieraktivistinnen. „Das
lernt man ganz schnell im Tierschutz.“ Wie ihre Mitstreiterin schöpft auch
Tanja Schannath Kraft und Zuversicht aus ihren eigenen Vierbeinern. Spike,
Gusto, Sir Lancelot und Sajuri dürfen bei ihr ein unbeschwertes Leben genießen.
Zusätzlich nimmt sie immer wieder Hunde zur Pflege auf, bis diese vermittelt
worden sind.
„Zum Glück hat uns der Deutsche Tierschutzbund einen Opel Combo geschenkt.“
Damit die Warsteinerin die Hunde auch oft nach Belecke bringen kann, wo der
Verein eine eigene Hundewiese betreibt. Die Hundewiese (Zu den Sennhöfen 2)
gibt es seit drei Jahren auf dem Gelände einer ehemaligen Hundeschule. „So
hatten wir den Container und einiges andere schon. Es war trotzdem eine Menge
Arbeit“, erzählt Bianca Stork, 2. Vorsitzende, stolz. Entstanden ist so ein Paradies
für Hunde, in dem sich die Vierbeiner nach Herzenslust austoben können. Ab
Ostern ist die Hundewiese gegen eine kleine Spende auch wieder für die
Öffentlichkeit zugänglich.
Pflegetiere
Richtig streng werden Alexandra Hoppe
und Tanja Schannath, wenn es um Anfragen geht.
„Viele Menschen haben Mitleid und wollen gern helfen. Doch sie wissen oft
nicht, was auf sie zukommt“, berichtet die 1. Vorsitzende. Aus diesem Grund
gilt es für angehende Herrchen und Frauchen auch, zunächst ein sehr ausführliches
Formular auszufüllen.
„Die meisten Hunde, die wir aus Spanien herbringen, haben noch nie ein Haus von
innen gesehen. Sie lebten draußen, entweder an der Kette oder im Zwinger.
Geräusche wie etwa vom Fernseher oder der Kaffeemaschine kennen sie noch nicht.
Außerdem haben diese Hunde oft aus Langeweile alles in ihrer Umgebung zerkaut;
das muss man ihnen erst mühsam abgewöhnen.“ Tanja Schannath lacht. „Sie glauben
ja nicht, wie viele Sofas wir schon hatten!“
Wer mit dem Gedanken spielt, einen Hund zur Pflege zu nehmen oder ihm sogar ein
echtes Zuhause zu geben, wird aber auch nach Übergabe des Tieres vom Verein
betreut.
„Wir machen vorher und nachher Hausbesuche. Wir sind immer da, wenn es Fragen
oder auch Probleme gibt“, verspricht Alexandra Hoppe. „Für Pflegehunde
übernimmt der Verein außerdem die Haftpflichtversicherung sowie die
Tierartkosten.“ Besonders glücklich sind die Mitglieder des Tierschutzvereines
über die enge Kooperation mit der Tierarztpraxis Dr. Weber in Warstein. „Frau
Dr. Weber ist immer für unsere Hunde da, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die
Woche!“
Beide Hunde suchen ein neues Zuhause. Ebenso wie Fiona, eine Podenco-Hündin aus Spanien, 2 Jahre alt (klein, schmal und braun) und Shy, ein Galgo-Mischling, etwas über 1 Jahr (weiße Füße) ein neues Zuhause.
Spenden
Mittlerweile unterhält der Vereine mit Hilfe spanischer Tierschützer sogar ein eigenes, kleines Tierheim in Spanien. Auch die Situation in den Tötungsstationen scheint langsam besser zu werden. „Immerhin sind dort jetzt Tierärzte am Werk. Einige versuchen inzwischen sogar, die Hunde zu vermitteln.“ Dennoch ist die Not so groß, dass der Verein dreimal im Monat gerettete Hunde nach Deutschland holt. Von Warstein aus werden sie dann zu ihren neuen Herrchen und Frauchen gebracht.
Eine Menge Arbeit, die von Spenden finanziert und durch den unermüdlichen Einsatz der Vereinsmitglieder ermöglicht wird. „Wir freuen uns über Spenden, Pflegestellenangebote und natürlich über Menschen, die einem Hund ein neues Zuhause geben möchten“, fasst Tanja Schannath zusammen. Viele, die einen Vierbeiner zu sich genommen haben, schicken ihr und ihren Vereinsgeschwistern regelmäßig Fotos und Berichte über die Fortschritte, die die Tiere machen. Allein im vergangenen Jahr konnten durch das großartige Engagement der Tierfreunde Warstein 100 Hunde vor dem Tod gerettet werden.
Homepage: https://www.warsteiner-tierfreunde.de/
Ansprechpartner:
Tanja Schannath, 1. Vorsitzende, Telefon: 0151-41473230
Bianca Stork, 2. Vorsitzende, Telefon: 0151-54333685
Alexandra Hoppe, Vermittlerin, Telefon: 0170-8364471