Standort Sauerland – Einfach unverzichtbar!

Quelle: FALKE

Der gebürtige Balver Stephan Gemke möchte mit diversen Irrtümern und Vorurteilen aufräumen, die den ländlichen Raum und die Digitalisierung betreffen. Dieser erste Teil der Artikelserie ist ein Plädoyer zum Schluss-Machen. Schluss machen damit, Großstädte zu verklären. Für Gemke, der beide Seiten kennt, ist unsere Heimat nämlich eine Großstadt – nur mehr in die Länge und Breite gezogen und somit mit mehr Platz für die Work-Life-Balance. „Es sind ja nicht nur wir, die Einheimischen, sondern vor allem die Externen, die vom Sauerland und unserer Wirtschaftskraft profitieren“, macht Stephan Gemke in seiner Aufzählung deutlich.

Wäre schlimm, wenn’s uns nicht gäbe, woll!
Stellen Sie sich mal vor, es gäbe die sauerländischen Landkreise OE, MK und HSK gar nicht. Einfach verschwunden. Was dann? Dann, ja dann hätten Großstädter sowohl ein Ausflugsziel als auch einen Beweis, dass Kühe nicht lila sind, weniger. Weihnachten müsste ohne Weihnachtsbaum stattfinden, und ob überhaupt irgendwo ein Licht aufgehen würde, ist stark zu bezweifeln, angesichts der vielen hiesigen Leuchten- und Elektrounternehmen. Richtig düster sähe es in der Küche aus, und zwar von den Geräten, Gläsern, Gerichten und Armaturen her. Und wie würde man abwaschen oder duschen, wenn es die heimischen Sanitärfirmen nicht mehr gäbe? Die dann ebenso fehlenden Deckel und Schraubverschlüsse für Shampooflaschen, Haarspraydosen und Putzmittel sowie fehlendes Toilettenpapier noch nicht mit eingerechnet.

Auch bei der Bekleidung änderte sich vieles: Mangels Socken liefe man barfuß und auch „unten drunter“ wäre weniger mehr bzw. mehr Weniger. Es gäbe auch keine Currywurst als Aufschnitt, im Westfalenstadion keine Backwaren, auf Schalke kein Bier; überhaupt versiegten unzählige Zapfhähne in deutschen und ausländischen Kneipen und auch diverse Obstsäfte gäbe es weniger. Supermarktregale dünnten sich aus, da bereits auf der allerersten Stufe der Wertschöpfungskette die Lieferanten für Getreide, Milch und Fleisch fehlten. Diverse Hotels, Flughäfen und dergleichen wären offen wie ein Scheunentor, da ihnen Türen, Tore und Zäune fehlen würden. Personen mit ADHS, Nierenerkrankungen und Darmproblemen bräuchten neue Medikamente. Medial gesehen hätte 1live einen Moderator, die TV-Landschaft viele Schauspieler und die Kunst zahlreiche Veranstaltungsstätten weniger – und der Bundespolitik hätten die Sauerländer M&Ms gefehlt.

Außerdem wäre wohl jedes Auto fahruntüchtig, weil zum Beispiel die Felgen, das Chassis, Lichter und andere Bauteile fehlten. Fahrräder würden – legal oder illegal – auf jeden Fall reihenweise aus dem Verkehr gezogen, weil sie zu unsicher wären, mangels Rücklichtern, Scheinwerfern und Schlössern. Vermutlich gäbe es überhaupt gar keine Drahtesel mehr angesichts der wegfallenden Drahtindustrie, und auch ohne Wortspiel bliebe ohne Drahtseile und Ketten vieles unerreichbar und ließe sich nicht heben, ziehen oder sonst wie fördern und transportieren. Überdies stänke es zum Himmel, wegen des Mangels an Mülleimern, -tonnen und -fahrzeugen. Zudem müsste man auf diverse Pappe-, Papier- und Kartonagenfirmen verzichten. Ergo: Ohne Autos, Pappe und Entsorgungsmöglichkeiten kein E-Commerce. Mit dem Internet 4.0 wäre es auch nicht weit her, weil Kunden und Hersteller smarter Geräte fehlen würden.

Ohne uns hätte Deutschland also seine zweite Mangelwirtschaft. Oder anders ausgedrückt: Wenn das „Made in Germany“ ein Leben wie die „Made im Speck“ ermöglicht, dann nagte Deutschland „ohne Sauerland“ am Hungertuch. Und ohne den Kalk aus unseren Steinbrüchen, den unter anderem die Bauwirtschaft, die Stahlindustrie, die Chemiebranche und die Landwirtschaft brauchen, ließe sich dieser Mangel auch nur schwer ins Gegenteil verkehren und wir stünden kein zweites Mal aus Ruinen auf. Autobahnen verkämen zu Betonwüsten, da nicht nur Autos fehlten, sondern die Logistik insgesamt zum Erliegen käme, mangels Speditionen und mangels Waren auf (der) Achse. Auch Schausteller wüssten oft nicht mehr wohin, weil es weniger Kirmessen, Schützenfeste und rund um unsere Seen weniger Veranstaltungen gäbe. Von dem, was vor allem dem Wintersport an Sportlern und Wettkampfstätten verlorenginge, will ich gar nicht erst anfangen. Ganz zu schweigen von einem Dialekt, um den die deutsche Sprache ärmer wäre. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, aber auch so wird klar: Ein Glück, dass es unsere Unternehmen und unsere Region gibt.

Über den Autor: Seit 12 Jahren beschäftigt sich Stephan Gemke mit der Digitalbranche in fast all ihren Facetten. Seine Schwerpunkte liegen auf Strategie, Skalierung und Beteiligungskapital. Mehr auf Anfrage über www.stephan-gemke.de

Über die Artikelserie: Mit seiner Artikelserie will Stephan Gemke hartnäckige Irrtümer rund um den ländlichen Raum, das Digitalwesen und
die Gründer- und Investorenszene beseitigen und mehr Realität in die Diskussion bringen.