Das andere Dorfleben

Corona: Wochenberichte von einem Schüler

Das neuartige Corona-Virus macht vor nichts Halt. Auch hier im Sauerland geht COVID19″ um und verändert nicht nur das Verhalten der Menschen, sondern sorgt ebenso für eine Umstrukturierung des bisher gewohnten Alltags. Schüler Frederik berichtet dem WOLL-Magazin von seinen Erlebnissen.

9.03.-13.03.2020
Die Schlagzeilen füllen sich immer öfter mit dem Begriff „Corona“. In den Städten gibt es vermehrt auftretende Fälle und erste Vorsichtsmaßnahmen werden laut. Doch hier im Sauerland, in unserem Dorf, geht der Alltag unverändert weiter. Auch wenn man von Fällen hier in der Umgebung gehört hat. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass das alles noch weit weg ist und bald vorüber gehen wird. Mein Tag ist strukturiert: Morgens habe ich Schule und nachmittags Termine, Badminton und Gottesdienste. Alles wie gehabt. Doch je näher das anstehende Wochenende rückt, desto mehr Absagen von Festivitäten und großen Versammlungen werden verkündet. Doch alles fühlt sich noch einigermaßen normal an.

Freitag, 13.03.2020
Der Tag fängt normal an. Zuerst steht die Schule an und danach ein Treffen mit Freunden im Ort. Doch schon in der Schule läuft nicht alles glatt. Nach diesem Wochenende würden wir eigentlich das dreiwöchige Betriebspraktikum starten, doch am Morgen wurde uns mitgeteilt, dass dieses nun ausfallen muss. In Anbetracht dessen, dass andere Bundesländer die Schulen schon bis zu den Osterferien geschlossen halten, wurde auch in Nordrhein-Westfalen am Nachmittag verkündet: Schulschließungen bis zu den Osterferien. Die ersten Gedanken dazu: „Super, fünf Wochen Osterferien, morgens ein paar Aufgaben von der Schule erledigen und den restlichen Tag faulenzen!“

15.03.-21.03.2020
In dieser Woche ist alles anders. Mein Vater ist ins Home-Office gewechselt, anstatt zur Kundschaft zu fahren und meine Mutter ist nur bis Mittwoch in der Tagespflege tätig. Die Besuchszeiten in Krankenhäusern und Pflegeheimen werden begrenzt und schließlich ganz gestrichen. Um den Tagen nicht den gleichen monotonen Ablauf zu geben, entwerfen viele Familien, so auch wir, einen Wochenplan. In diesem wird festgehalten, wer was zu tun hat und welche Aufgaben es zu erledigen gilt. Wichtig ist die Einhaltung durch alle Familienmitglieder.

Die Schule, die ich besuche, versorgt uns per E-Mail mit wöchentlichen Aufgaben für Hauptfächer und Nebenfächer. Hilfestellung bekommt man durch ein Telefonat oder über E-Mails. Auch Elterngespräche bezüglich des Elternsprechtages werden ausschließlich über das Telefon geführt. Doch diese Aufgaben füllen bei guter Einteilung gerade mal den Morgen, sodass man nachmittags sehr viel Zeit hat. In dieser Woche treffe ich mich trotzdem noch mit meinen Freunden zum Fahrrad fahren und auch das Einkaufen ist zum Teil normal.

Die Zahlen der infizierten Menschen steigt stetig und die Schließung von Restaurants, Museen und Schwimmbädern ist nicht mehr zu verhindern. Da das Wochenende immer näher rückt, kommt die folgende Frage auf: Was tun? Einkaufen erfolgt nun mit Markierungen auf dem Boden, Kassierer und Kassiererinnen sitzen hinter Plexiglasscheiben und Personen bleiben auf dem Bürgersteig stehen, drehen sich weg und halten Abstand. Das Einkaufen am Freitag war sehr erlebnisreich. Die Situation ist ungewohnt, neu und unangenehm.

Am Sonntag gingen meine Eltern, mein Bruder und ich durch die Sauerländer Wälder wandern. Mit Rucksäcken voll Gebäck, Brot und Kaffee kümmern wir uns selbst um die Verpflegung, denn kein Restaurant oder Gastätte ist zum sonst gewohnten Einkehren geöffnet. Als am Sonntag das Kontaktverbot für mehr als zwei Personen ausgesprochen wird, ist am darauffolgenden Montag keiner meiner Freunde mehr draußen im Dorf unterwegs. Auch bei Spaziergängen hält man zwei Meter Abstand zu entgegenkommenden Personen.

Zeit zum Wandern.

23.03.-29.03.2020
Wir beginnen unseren Tag nach der Vorgabe des Plans und nach und nach macht der neue Tagesablauf ganz neue Zeitvertreibe möglich. Das Highlight des Tages wird Kuchenbacken, Einkaufen gehen in Supermärkten, deren Regale von den Hamsterkäufen der Menschen beinahe leer sind, Brettspiele spielen und darauf hoffen, dass das Wetter nun wärmer wird. Interessant für mich ist zum Beispiel, dass meine Mutter am Nachmittag Federball spielt, Fahrrad fährt und wir viel gemeinsam unternehmen. Alles in allem wird man ruhiger, die sonst alltäglichen, zum Teil lästigen Pflichten, bekommen eine neue Bedeutung und man selbst fährt ein wenig herunter.

29.03.- 10.04.2020
Im Zeitraum der letzten Wochen hat sich das Leben allmählich eingespielt. Alle Einschränkungen bestehen nach wie vor, doch man hat gelernt, den Alltag mit diesen zu bestreiten. Dass wir nun Ferien haben, merkt man nur daran, dass die Schulaufgaben weggefallen sind und wir noch mehr „Freizeit“ haben. Wunderbar für mich ist, dass das Wetter derzeit ausgezeichnet ist, sodass man unwahrscheinlich viel Zeit draußen verbringen kann. Bedingt durch die freie Zeit beginnt man, sehr kreativ zu werden. Die Kontrollen der Einhaltung der Einschränkungen durch das Ordnungsamt werden auch in unserem Dorf durchgeführt. Mittlerweile scheint das Dorf wie ausgestorben zu sein. Trotz allem ist man nach wie vor bemüht, die Traditionen aufrecht zu erhalten. So haben die angehenden Kommunionkinder Zuhause Palmzweige gebunden und diese zur Segnung in die Kirche gebracht. Alternativ zum Gang durch das Dorf mit den Kläpstern ab Karfreitag werden die Kinder gebeten, zu den bekannten Uhrzeiten im Garten oder auf dem Balkon die Kirchenglocken durch ihre Kläpstern zu ersetzen. In der kommenden Woche ist für alle wichtig und interessant, ob es zu einer Lockerung der Einschränkungen kommt und ob die Schulen wieder geregelt öffnen können.