Die Gebrüder Winkelmann sind Kunsthandwerker aus Leidenschaft

Seit 60 Jahren am Möhnesee

Text: Matthias Koprek
Fotos: Oliver Beckmann

Michael und Christoph Winkelmann sind leidenschaftliche Bildhauer und Silberschmiede – fast ihr gesamtes Leben lang. Vor 60 Jahren zogen sie gemeinsam mit dem Vater, der ihre Künstlerlaufbahn stark beeinflusste, an den Möhnesee. Nach und nach verewigten sie sich mit ihren Werken in nahezu jeder Ortschaft der Region und machten sich einen Namen als bedeutende Künstler für Kirchenkunst über die Grenzen Westfalens hinaus.

Es braucht nicht lange, um mit den Gebrüdern Winkelmann warm zu werden. Kaum habe ich das alte Fachwerkhaus Stockebrand in Möhnesee-Körbecke betreten, sind wir auch schon mitten im Gespräch über ihre Kunst, die derzeit hier ausgestellt ist. „Gestaltendes Handwerk und freie Kunst als Lebensaufgabe“ haben sie ihre vom Kulturverein Möhnesee mitorganisierte Ausstellung genannt. Genauso wie ihr Buch also, in dem die Brüder auf das künstlerische Schaffen der letzten 90 Jahre zurückblicken.

Dieser Rückblick schließt, genauso wie die Ausstellung, auch die Arbeiten ihres Vaters Wilhelm Winkelmann ein, der 1904 in Bochum geboren wurde. Ihrem Vater haben Michael (1937) und Christoph (1940) viel zu verdanken. „Wichtig waren für uns von Anfang an die Treibarbeit, die schon für unseren Vater einen hohen Stellenwert hatten. Wir haben fortgesetzt, womit er angefangen hat“, erzählt Christoph Winkelmann.

Wilhelm Winkelmann musste gleich zwei Weltkriege miterleben und hat gelernt, mit dem Nötigsten auszukommen. Der Raum im Erdgeschoss, den die Söhne ihrem Vater gewidmet haben, zeigt Werke, die zum Teil aus Schuttbergen geborgen wurden. „Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg haben nur sehr wenige getrieben. Wir waren ziemlich eine Ausnahme. Dabei ist das Treiben eine ganz alte Technik, die bereits die alten Ägypter anwendeten“, so Christoph Winkelmann.

Kunst der tausend Hammerschläge

Beide beherrschen das Treiben, bei dem das Metall zur Gestaltung nicht gegossen, sondern teilweise mit tausenden von Hammerschlägen in die gewünschte Form gebracht wird, in Perfektion. Das macht sie zu begehrten Kunsthandwerkern, die nicht nur Neues erschaffen, sondern auch Altes restaurieren. Auf unzählige Kirchtürme sind sie schon gestiegen, um an ihren Spitzen für neuen Glanz zu sorgen. „Denn alle Kugeln, die wir auf den Kirchturmspitzen sehen, sind getrieben“, erklärt Michael Winkelmann. Im letzten Jahr haben die „Winkelmänner“, wie sie gern genannt werden, sich noch um die Kugeln, das Kreuz und den Wetterhahn von St. Maria zur Höhe in Soest gekümmert.

Die Kunst ihres Vaters galt unter den Nationalsozialisten zwar nicht als entartet, aber doch als undeutsch, weshalb er nicht mehr ausstellen durfte. „Das führte dazu, dass er sich stark den kirchlichen Dingen zugewandt hat“, resümiert Christoph Winkelmann. „In diesem Bereich konnte er relativ frei agieren. Und das hat auch dazu geführt, dass wir viel für Kirchen gearbeitet haben.“

1959 zog die Familie Winkelmann vom Ruhrgebiet an den Möhnesee. Sie kaufte einen Resthof in Günne, den sie aufwendig renovierte und später auch erweiterte. Denn schließlich ist das nicht nur ihre Arbeitsstätte, sondern auch der Ort an dem sie nach wie vor wohnen.

Ihre künstlerischen Spuren hinterließen Michael und Christoph Winkelmann weit über die Grenzen des Kreises Soest hinaus, auch wenn man hier kaum eine Ortschaft betreten kann, ohne mit offenen Augen über ihre Bildstöcke, Brunnen und Skulpturen zu stolpern. Die Liturgiereform infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils trug ihr Übriges dazu bei, dass die Künstlerbrüder einen großen Teil ihrer Aufträge aus dem kirchlichen Raum erhielten. Sie schufen Chorräume, Portale, Tabernakel, Kreuze, Silberkelche und vieles mehr. Bischöfe wie Hubert Berenbrinker halten Bischofsstäbe aus dem Winkelmannschen Atelier in den Händen.

Neues schaffen und Altes bewahren

Obwohl die Künstler Profiteure der Liturgiereform waren, zeichnet sie aus, dass sie sich nie damit abfinden konnten, dass ältere Werke anderer Künstler plötzlich einem neuen sakralen Zeitgeist zum Opfer fielen. Michael Winkelmann: „Ich mag es nicht, wenn Kirchen buchstäblich ausgeräumt werden und Objekte mit hohem Identifikationswert plötzlich verschwinden. Unser Ansatz ist es, sie zu erhalten und in eine harmonische Neugestaltung zu integrieren.“

So taten sie es auch bei St. Bernhard in Niederense. Bei der Möhnekatastrophe 1943 wurde die Klosterkirche Himmelpforten von der zwölf Meter hohen Flutwelle mitgerissen. Beim Neubau des 1946 an anderer Stelle errichteten Gotteshauses zeichneten sich die Brüder für die Chorraumgestaltung verantwortlich und verwendeten dabei teilweise Materialien und Ausstattung der Vorgängerkirche.

2015 wurde ihnen eine besondere Ehre zuteil. In einem Wettbewerb für die Gedenkstätte der Möhnekatastrophe, direkt unterhalb der Sperrmauer, erhielt ihr Entwurf den Zuschlag. Christoph bearbeitete einen drei Meter hohen und drei Tonnen schweren Dolomit, den er persönlich im Anröchter Steinbruch ausgesucht hat. Entstanden ist ein unglaublich detailliertes Mahnmal, das nicht nur die geborstene Staumauer zeigt, sondern auch die verschiedenen Betroffenen, die unter den Folgen des verheerenden Angriffs litten.

Seit exakt 60 Jahren sind die sich perfekt ergänzenden Gebrüder Winkelmann heimisch am Möhnesee und aus der Region nicht mehr wegzudenken. Auch im fortgeschrittenen Alter denken sie noch nicht wirklich ans Aufhören, „obwohl man nicht mehr so stark wie früher ist“, schmunzelt Michael Winkelmann und fügt hinzu: „Und das ist ja auch gut so!“

Die Gebrüder Winkelmann sind Kunsthandwerker aus Leidenschaft Seit 60 Jahren am Möhnesee -Christoph Winkelmann
Die Gebrüder Winkelmann sind Kunsthandwerker aus Leidenschaft Seit 60 Jahren am Möhnesee – Michael Winkelmann
Die Gebrüder Winkelmann sind Kunsthandwerker aus Leidenschaft Seit 60 Jahren am Möhnesee
Die Gebrüder Winkelmann sind Kunsthandwerker aus Leidenschaft Seit 60 Jahren am Möhnesee