Bienen als Drogenschnüffler

Eine Revolution in der polizeilichen Fahndung?!

Text von Heike Schulte-Belke

Bienen im Einsatz als Drogen- und Sprengstofffahnder – wie das funktionieren könnte, hat Sonja Kessler in einer interessanten Studie erarbeitet.Die 22jährige gebürtige Schmallenbergerin ist seit ihrem fünften Lebensjahr Hobbyimkerin und unterhält mit ihrem Vater zusammen etwa 25 Bienenvölker. Von 2015 bis 2018 hat sie das duale Studium der Polizei in Nordrhein-Westfalen absolviert, welches sie mit ihrer Bachelorarbeit über die Praxistauglichkeit von Bienen als Drogenschnüffler abgeschlossen hat. Beim Europäischen Polizeikongress hat sie dafür im Februar 2019 den Sonderpreis „Zukunftspreis Polizeiarbeit“ erhalten. Seit September 2018 ist sie als Polizeikommissarin im Polizeipräsidium Köln tätig.

WOLL: Wie kam es zu der Idee, dass Bienen als „Spürbienen“ eingesetzt werden könnten?
Sonja Kessler:
Da ich schon lange Imkerin bin, kenne ich mich mit Bienen und deren Fähigkeiten gut aus. Mir war bereits bekannt, dass Bienen hervorragend riechen können. Bei der Suche nach einem Thema für die Bachelorarbeit habe ich mich gefragt, ob der Geruchssinn der Biene möglicherweise für die Polizeiarbeit genutzt und diese so optimiert werden könne. Nach Recherche bin ich auf einige Versuche gestoßen, die bereits erfolgreich erprobt wurden.

WOLL: Wie könnte das funktionieren?
Sonja Kessler:
Durch ihren guten Geruchssinn können Bienen den Geruch von Drogen und Sprengstoff erschnüffeln. Es gibt zwei Möglichkeiten, um sie zu konditionieren. Eine einzelne Biene, die zuvor aus dem Bienenvolk entfernt wurde, bekommt zwei Gerüche dargeboten. Bei dem zu erschnüffelnden Geruch bekommt sie eine Zuckerlösung, bei dem anderen keine „Belohnung“. Um die Zuckerlösung aufzunehmen, streckt sie ihren Rüssel heraus, damit stellt sie ihr Anzeigeverhalten dar. Ähnlich kann ein ganzes Bienenvolk konditioniert werden. Der Bienenstock wird in ein großes Zelt ohne natürliche Futterquellen gestellt. Es wird dann ein Glas mit der zu konditionierenden Substanz neben ein Glas mit einer Zuckerlösung gestellt. So verbinden die Bienen den Geruch der Zuckerlösung mit dem der zu konditionierenden Substanz und fliegen auch außerhalb des Zeltes den Geruch an. Die Bienen, die zuvor mit einem fluoreszierenden Puder bestäubt wurden, werden mittels einer Drohne lokalisiert. So können die Bienen eine Fläche von bis zu 50km² absuchen. Diese Methode wäre insbesondere zum Entdecken von Drogenplantagen oder zum Auffinden von TNT denkbar, aber auch beim Einsatz zum Auffinden von Leichen oder vermissten Personen. Eine zweite Möglichkeit liegt in der Konditionierung mittels Bestrafung. Statt einer Zuckerlösung erhält die Biene bei der Gabe des Geruchs einen schwachen Stromimpuls, den sie als unangenehm wahrnimmt, ihr jedoch nicht schadet. Als Reaktion kann man beobachten, dass die Biene den Stromimpuls mit Gefahr assoziiert und daher vor dem Geruch flieht. Des Weiteren kann man ein Herausstrecken des Stachels sowie ein Zischen der Biene beobachten. Die Nutzung der Bienen wäre beispielsweise in der Gepäckkontrolle an Flughäfen, Bahnhöfen, in Bussen, auf Schiffen oder an der Grenze möglich. Unklar ist, ab wann die Bienen einen Geruch anzeigen. Möglich wäre, dass sie den Geruch schon aus einiger Entfernung riechen können oder dass sie erst unmittelbar vor dem Objekt eine für sie wahrnehmbare Substanz anzeigen können.

WOLL: Woher kommen Deine Erkenntnisse? Beruhen sie auf Versuchen oder sind es Theorien?
Sonja Kessler:
Meine Erkenntnisse beruhen auf Studien und Versuchen der Uni Gießen und von Forschungen aus Kroatien und England. Eigene Versuche habe ich bislang leider nicht durchführen können.

WOLL: Wird sich Deiner Meinung nach dieser Einsatz von Bienen als sogenannte „Drogenschnüffler“ bewähren und durchsetzen?
Sonja Kessler:
Vorteil der Bienen gegenüber den Spürhunden sind insbesondere die geringeren Kosten, die längere Einsatzdauer und die schnellere Konditionierung. Eine erfolgreiche Konditionierung dauert nur wenige Minuten. Durch die Masse an Bienen, die konditioniert werden kann, ist gewährleistet, dass Bienen rund um die Uhr verfügbar sind. Natürlich wird die Biene den Spürhund niemals ersetzen, da dieser auch andere Aufgaben für die Polizei wahrnimmt wie z.B. beim Einsatz als Schutzhund. Trotzdem denke ich, dass der Einsatz von Bienen als Spürbienen durchaus Potential hat und eine Bereicherung in der Polizeiarbeit darstellen wird.

WOLL: Welche Schwierigkeiten könnte es geben?
Sonja Kessler:
Um eine ständige Einsatzbereitschaft der Bienen zu gewährleisten, müssen die Bienen zu jeder Zeit einsatzfähig sein. Das ist aber nur eingeschränkt möglich. Im geschlossenen Raum können die Bienen rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit wetterunabhängig eingesetzt werden. Die Freiflugmethode ist im Gegensatz dazu tages-, wetter- und jahreszeitenabhängig. Die Bienen fliegen nicht bei zu kalten Temperaturen und auch nicht bei ungünstigem Wetter wie Regen, Sturm oder während der Nacht. Für den Einsatz von Bienen bei der Polizei müssten außerdem neue rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden. Was passiert beispielsweise, wenn eine Biene jemanden sticht und so eine Person verletzt? Wer haftet für einen solchen Schaden? Wie kann die Biene als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden? Können Drohnen fremde Grundstücke überfliegen und dabei Aufnahmen machen, um die frei fliegenden Bienen zu verfolgen? All diese Fragen müssten noch vor dem Einsatz der Biene durch die Polizei geklärt werden.“

Sonja Kessler hat interessante Erkenntnisse zu diesem Thema erarbeitet und ihrer Ansicht nach könnte diese Methode für die Polizeiarbeit von Bedeutung werden. „Zum jetzigen Zeitpunkt wurden die Versuche mit Bienen nur unter Laborbedingungen getestet. Um Ergebnisse weiter zu verbessern, könnten die Häufigkeit der Konditionierung erhöht, verschiedene Methoden zusammengelegt und besonders merkfähige Tiere weiter gezüchtet werden. In der polizeilichen Praxis wurden die Methoden zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genutzt und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Biene wirklich einsatzbereit ist. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Bienen nach weiterer Forschung und Züchtung einem Praxistest standhalten würden und hoffe, dass sie eines Tages den Weg in unseren polizeilichen Alltag finden.“