Hier spricht man Platt

Belecker halten ihre alte Sprache lebendig

Text:    Britta Melgert
Fotos:  S. Droste

Früher war das völlig normal: Beim Schwätzchen übern Gartenzaun mit dem Nachbarn nutzte man wie selbstverständlich die ortseigene Sprache. Die Mutter rief abends die Kinder ins Haus – natürlich auf Platt. Doch das ist lange her! Seit den 1950er Jahren hat sich überall das Hochdeutsche durchgesetzt. Damit die alte Sprache jedoch nicht gänzlich verlorengeht, drückt man in Belecke abends wieder fleißig die Schulbank.

Es ist der erste Montagabend im Monat, ihr üblicher Termin. Hans-Jürgen Raulf ist wie immer als Erster am alten Belecker Rathaus. Er ist der Lehrer, und er freut sich bereits auf seine Schüler. Und da kommen sie auch schon! Einer nach dem anderen betritt den stattlichen Saal, und jedes Mal erklingt ein fröhliches „Gueren Oawend“. Die Stimmung ist hervorragend, und man freut sich sichtlich auf die neue Unterrichtsstunde. „Goiht et guett?“ fragt man die, die man lange nicht gesehen hat. Und auch die Antworten kommen ohne Zögern auf Platt aus den Mündern.

„Höart moal tau“

Raulff steht auf und sorgt – ganz Lehrer – für Ruhe im Raum. „Höart moal tau“ ruft er seinen Schülern zu, und dann verkündet er, dass einer der Schüler, nämlich der Jäosoip, Geburtstag hatte. Gut, dass Eva ihre „plattduitske Gitarre“ mitgebracht hat, denn dann gelingt das gesungene „Hai läewe häoch“ umso besser.

Anschließend beginnt ein Smalltalk über den letzten Urlaub. Ein Außenstehender ohne Vorkenntnisse wäre aufgrund dieser „Geheimsprache“ vermutlich aufgeschmissen, aber so grundsätzlich ahnt man natürlich, dass hier von Reisen mit dem Auto oder dem Flugzeug die Rede ist, oder von einer Radtour ins „Siuerland“ – über den Stimm-Stamm bis nach „Friggenäol“. Also, das mit der Nachbarschafts-Klönerei klappt schon mal bestens!

Dank eigenem Läerbauk zur Perfektion

Nun heißt es: Neues lernen und Gelerntes vertiefen, denn wer zur Schule geht, will auch perfekt werden in dem, was er kann. Eigens dafür wurde in mühevoller Kleinarbeit eine Art Schulbuch-Ordner, ihr „Läerbauk“ erstellt. Darin befinden sich Texte und Gedichte aus alter Zeit – die alte Mundart. Die Lehrer, neben Hans-Jürgen Raulf auch Friedel Schröder und Peter Wessel, haben, damit die Sprache auch für die kommenden Generationen erhalten bleibt, eigens eine Rechtschreibung dafür entwickelt, auf der auch dieser Unterricht aufbaut. Einige Ur-Belecker haben seinerzeit ebenfalls mit ihren Kenntnissen dazu beigetragen.

Und so „kuiern“ die Belecker „Mensken“ inzwischen wieder öfters auf Platt miteinander. Der ein oder andere von ihnen wurde auch bereits zur Karnevalszeit frenetisch in der Bütt gefeiert. Aber man unternimmt auch als Gruppe etwas, macht zum Beispiel Ausflüge, trifft sich mit Platt-Sprechern aus anderen Ortschaften auf der Suttroper Bohnenburg oder wartet im Dezember darauf, dass der Nikolaus in den Unterricht nach Belecke „küemet“.

Neue Schüler sind herzlich willkommen

„Wir sind eine richtig tolle Truppe, und laden alle Interessierten herzlich ein, bei uns mitzumachen“, sagt Hans-Jürgen Raulf. „Vorkenntnisse sind dabei nicht zwingend erforderlich, lediglich die Freude an der alten Sprache und natürlich an der Geselligkeit.“

Und wer es jetzt nicht abwarten kann bis zur nächsten Schulstunde, der schaue sich mit unserer AXAR-App die bewegten Bilder zu diesem Artikel an. Da gibt es das erste Vokabel-Training frei Haus, woll!

Hier spricht man Platt Belecker halten ihre alte Sprache lebendig
Hier spricht man Platt Belecker halten ihre alte Sprache lebendig
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