„Junge, weiß du noch, wie´s war?“

TEXT & FOTOS: Inga Bremenkamp & privat

„Ab und zu fahre ich von meiner Arbeitsstelle in Sundern ganz bewusst die alte Strecke nach Hause. Über die B 7 und nicht über die Autobahn. Und dann sag ich mir: ‚Mensch Junge, weißt du noch, wie’s war‘? Was habe ich da oft und lange im Stau gestanden. Es ist unglaublich schön, jetzt über die B 7 fahren zu können und dabei so viel Asphalt zu sehen“, erzählt Klaus Büenfeld, der Bezirksausschussvorsitzende aus Oeventrop.

EINE UNERTRÄGLICHE BELASTUNG

Im Jahre 2003 hat sich die Welt für die Bürger rund um das Teilstück der A46 zwischen Uentrop und Freienohl auf der Straße direkt vor der Haustür verändert: Der Lückenschluss – eine im Volksmund unendliche Geschichte – war erfolgreich beendet, das neue Teilstück freigegeben und die stark befahrene B 7, die mitten durch Freienohl und Oeventrop führte, entlastet. „Der Verkehr auf der Bundesstraße war unerträglich“, erinnert sich Klaus Büenfeld. Jürgen Lipke, der Vorsitzende des Bezirksausschusses Freienohl kann dem nur zustimmen: „Ich weiß noch, wie wir immer bei Kösters am Tresen saßen und man auf der Bundesstraße ein Licht nach dem anderen hat sehen können. Auf der Straße war immer Stau – vormittags rauf, nachmittags runter“, berichtet der Bundespolizist. „Am schlimmsten war der Stau, wenn man aus dem Urlaub zurückkam. Man kommt durch ganz Europa wunderbar durch mit dem Auto und steht dann auf den letzten drei, vier Kilometern im Stau. Eine halbe Stunde lang, eine Stunde lang. Da hat kurz vor dem Ziel einfach immer ein Stückchen gefehlt. Wir sind unendlich dankbar dafür, dass das vor 16 Jahren ergänzt wurde“, berichtet Klaus Büenfeld, der selbst in Oeventrop aufgewachsen ist. Bis zur Eröffnung des Teilstücks sind täglich knapp 25.000 Autos durch Freienohl und Oeventrop gefahren. Eine unglaubliche Belastung – wie Klaus Büenfeld sagt. Und eine schnell vergessene Belastung – wie Jürgen Lipke ergänzt: „Die Leute vergessen schnell, wie es mal war. Wie stark sich die Verkehrssituation verbessert hat, wird oft nur auf den zweiten Blick richtig wahrgenommen. Wenn die Tunnel zum Beispiel repariert werden und die Autobahn deshalb gesperrt ist, dann erinnern sich die Leute wieder und sind dankbar für das, was wir jetzt haben“, erzählt der Freienohler.

EINE VERRÜCKTE FAXAKTION

Die Diskussion um das Teilstück, die Planung der Trasse und der Bau des Teilstücks mit zwei Tunneln hat natürlich seine Zeit gekostet. „Wir haben nach der Eröffnung der Autobahn geschrien und gelechzt“, berichtet Klaus Büenfeld, der gemeinsam mit seinen Mitbürgern lange geduldig sein musste und sich an Aktionen erinnert, die teilweise sehr ungewöhnlich waren. „Wir hatten uns damals einen Bus besorgt, ihn direkt im Ort an die B7 gestellt und im Businneren sämtliche Faxgeräte angeschlossen. Die Bevölkerung konnte dann in den Bus einsteigen, Schreiben verfassen und die via Fax direkt an das Ministerium schicken, um die Politiker in Düsseldorf von der notwendigen Schließung der Autobahnlücke zu überzeugen. Wir haben stundenlang zig Faxe versandt und die Leitung im Ministerium komplett lahm gelegt. Die Beschwerde aus Düsseldorf kam schnell, genau wie die Zusicherung, dass man alles tun werde, um den Bau des Teilstücks möglichst bald realisieren zu können“, berichtet Klaus Büenfeld von der Faxaktion aus den neunziger Jahren.

EINE UNVERGESSLICHE ERÖFFNUNGSFEIER

Fertiggestellt wurde das Teilstück nach einigen Verzögerungen 2003. Damit mussten sich viele Spaziergänger eine neue Route überlegen, denn die noch nicht freigegebene Autobahn wurde sonntags gut und gerne besucht: „Ich bin auch das ein oder andere Mal mit dem Fahrrad und mindestens einem Kind im Gepäck drübergefahren“, gibt Jürgen Lipke zu und grinst. Mit diesen besonderen Sonntagsausflügen war nach der Eröffnung natürlich Schluss. „Wir haben das hier in der Oeventroper Schützenhalle ganzschön kräftig gefeiert“, erinnert sich Klaus Büenfeld an die Eröffnungsfeier, die in erster Linie sein Vorgänger Karl-Josef Bielsticker organisiert hatte. „Die Halle war rappelvoll. Das war ein richtiges Volksfest, sowas wie unser zweites Schützenfest in dem Jahr. Unsere Musik hat gespielt, es gab fässerweise Bier und der Rest war schlicht ein Selbstläufer. Die Politiker haben ihre Jubelreden geschwungen und wir direkt Dampf gemacht für den Weiterbau der A46 zwischen Bestwig und Nuttlar. Dass das Teilstück dort jetzt, 16 Jahre später, eröffnet wird, ist großartig“, sagt Klaus Büenfeld aus tiefster Überzeugung.

EIN ÜBERFLÜSSIGER BLITZER

Während die besagte Party in der Oeventroper Schützenhalle im vollen Gange war, wurde die A46 nach dem offiziellen Akt am Morgen aufgeräumt und die Bahn im Anschluss daran für den öffentlichen Verkehr freigegeben. „Ich weiß noch genau, wie wir am Tresen in der Halle standen und die ersten Bilder der befahrenen Autobahn bei uns eintrudelten. Die haben wir richtig gefeiert. Ich möchte das Teilstück nie wieder missen“, versichert der Oeventroper, während er ein Foto von der leeren Bundesstraße kurz vor dem Ortsschild des Dorfes in den Händen hält. „Sehen Sie das? Die Bundesstraße war direkt komplett leer. Den Blitzer, den man hier sieht, hat man kurze Zeit später abgebaut, weil er überflüssig geworden war. Das ist einfach herrlich“, erzählt Klaus Büenfeld, der den Einzelhändlern rund um das neue Teilstück zwischen Nuttlar und Bestwig ein paar Sorgen nehmen möchte.

EIN PAAR BERUHIGENDE WORTE

„Wir haben hier genau wie vor der Eröffnung der Autobahn zwei Tankstellen, zwei Lokale und einen Imbiss an der Bundesstraße im Ort. Wir waren uns damals alle sicher, dass zumindest eine Tankstelle dichtmachen müsse. Das ist und war bis heute nicht der Fall. Natürlich gab’s hier und da Umsatzeinbußen und die Geschäftsleute mussten vielleicht etwas umdenken, aber alle haben die Reduktion des Durchgangverkehrs überstanden“, zieht der studierte Sozialpädagoge fast zwei Jahrzehnte nach der Teilstückeröffnung bei Freienohl ein Fazit. Viel entscheidender als der geringe kommerzielle Verlust sei für Klaus Büenfeld die gesteigerte Lebensqualität im Ort: „Ich denke da vor allem an die Anwohner, die Tag und Nacht an der Bundesstraße leben müssen. Ich bin einfach froh, dass wir die Autobahn jetzt haben und freue mich sehr für die Bürger in Velmede, Bestwig und Nuttlar, denen ich zur Eröffnung ihres Teilstücks nur herzlich gratulieren kann“, führt Klaus Büenfeld fort, der seine freiwilligen Fahrten über die leere Bundesstraße liebt und dessen Augen strahlen, während er dieses eine unspektakuläre, aber für eine ganze Region sehr bedeutsame Bild betrachtet. Ein Bild von einer Straße mit viel sichtbarem Asphalt, keinem einzigen Auto und einem Blitzer im Vordergrund, der seine Arbeit getan hat.

„Wir haben nach der Eröffnung der Autobahn geschrien und gelechzt.“ Klaus Büenfeld

„Wenn die Tunnel zum Beispiel repariert werden und die Autobahn deshalb gesperrt ist, dann erinnern sich die Leute wieder und sind dankbar für das, was wir jetzt haben“ Jürgen Lipke

Jürgen Lipke „Junge, weiß du noch, wie´s war?“
Demonstration Weiterbau – „Junge, weiß du noch, wie´s war?“
Blitzer „Junge, weiß du noch, wie´s war?“