Die Leidenschaft für Backwaren und das Bäckerhandwerk

Eine Schicht in der Backstube

Text von Heike Schulte-Belke – Fotos: Frank Gries

Es ist 2 Uhr, als der Wecker klingelt, eigentlich so gar nicht die Zeit zum Aufstehen. Aber heute geht es in die Backstube der Bäckerei Dommes in Schmallenberg, um das Bäckerhandwerk einmal näher kennen zu lernen, und in diesem Beruf ticken die Uhren nun mal ein wenig anders. Als eines der ältesten Handwerksgewerbe bei der Lebensmittelherstellung ist das Bäckerhandwerk auch heute noch einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Deutschlands – abwechslungsreicher und vielfältiger denn je.

Wenn man um 3 Uhr die Backstube betritt, ist bereits einiges los. Es wird geknetet, gerührt, gemixt und geformt, jeder Mitarbeiter weiß genau, was er zu tun hat. Brote und Brötchen in unterschiedlichsten Varianten, Croissants, Torten, Plätzchen und Zwiebelkuchen – in jedem Backwerk stecken andere Zutaten und Arbeitsschritte. Einige Teige werden schon am Vortag hergestellt, da sie im Gärschrank unterschiedlich lange gehen müssen. „Für ein Roggenmischbrot zum Beispiel wird der Teig in vier Stufen verarbeitet und das macht sich deutlich in der Qualität bemerkbar“, erklärt Bäckermeister und Chef Florian Dommes. Auch die Mehlbeschaffenheit, die Temperatur der Zutaten, die richtige Mischung und viele weitere Faktoren spielen eine Rolle.

Für den Laien sieht fast jeder Teig gleich aus, doch es gibt gewaltige Unterschiede. „Es ist nicht einfach nur ein Zusammenkippen und Kneten, das wir vornehmen, um den passenden Teig zu bekommen“, erklärt Christian Michel, Bäckermeister aus Holthausen.„Es steckt viel mehr dahinter.“ Der gesamte Ablauf ist durchgeplant, rationelles Arbeiten ist wichtig. Alles muss passen, damit sämtliche Backwaren, ob kurz oder lange verarbeitet, am frühen Morgen frisch in den Regalen liegen. „Und doch ist jede Schicht anders“, erklären die Mitarbeiter. Jeder kennt zwar seine Arbeitsschritte, doch es ist nie nur einer allein für ein bestimmtes Produkt zuständig. Wo man auch hinsieht, entsteht eine andere Leckerei, alles geht Hand in Hand.

In der Bäckerei Dommes sind drei Meister, zwei Gesellen und eine Auszubildende beschäftigt. Sie alle gehören schon lange zum Team und üben ihren Beruf mit Leidenschaft aus. Nicht nur der Geruch in der Backstube macht amfrühen Morgen schon unglaublich Appetit, auch wenn man sieht, wie die leckeren Puddingbrezeln von Hand gefertigt werden und auch der Zwiebelkuchen im Ofen zu bräunen beginnt, freut man sich auf das anschließende Frühstück im Café. Zum ersten Mal bekommt man ein Brötchen auf den Tisch, an dessen Werdegang man beteiligt war, naja, zumindest durchs Zuschauen.

„Für uns ist es wichtig, möglichst viel in Handarbeit zu fertigen“, erklärt Florian Dommes. „Denn das ist es, was unseren Beruf ausmacht und was sich auch im Geschmack bemerkbar macht.“ Brot ist eines der ältesten vom Menschen zubereiteten Nahrungsmittel und schon lange nicht mehr nur als Grundnahrungsmittel beliebt. Doch die Ansprüche der Verbraucher sind enorm gestiegen. Sowohl die geschmackliche Vielfalt als auch die Liste der Zutaten, zum Beispiel wegen Lebensmittelallergien, spielen eine wichtige Rolle. Bei der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und so werden immer mal wieder neue Sorten und Geschmacksrichtungen ausprobiert. Passend zur Jahreszeit gibt es zur Grillsaison mal ein deftiges Senfbrot, im Herbst dann ein saftiges Kartoffelbrot. Das alles macht den Beruf des Bäckers so vielseitig. Neben den eigenen Ideen gibt es auch auf den Bäckermessen immer neue Anregungen.

Zur Weihnachtszeit kommen bei Dommes dann wieder die Stollen, Spekulatius und das gesamte Sortiment an Weihnachtsgebäck ins Programm. Zehn verschiedene Sorten Kekse, zwei Sorten Stollen, Bratapfel-Sahne- Torte und Gewürzkuchen sowie die beliebten Biberle, das sind Lebkuchen mit Marzipan-Füllung nach Schweizer Rezept, bringen vorweihnachtliche Stimmung in die Backstube.

Das Bäckerhandwerk ist also nicht nur ein abwechslungsreicher und kreativer Beruf, es leistet auch einen erheblichen Beitrag zur ausgewogenen und vielseitigen Grundnahrungsmittelversorgung. Denn wer möchte schon gerne auf frisches, knuspriges Brot und Brötchen am Frühstückstisch oder auf andere Leckereien aus der Backstube verzichten? Durch die vielen neuen Eindrücke hat man fast die Zeit vergessen und gar nicht bemerkt, dass die Schicht schon fast um ist. Während die letzten Backwaren im Ofen bräunen, werden noch Vorbereitungen für die nächste Schicht getroffen, Vorteige und Sauerteige werden angesetzt, Kuchenböden vorbereitet und so weiter, damit man morgen gleich wieder ans Werk gehen kann. Diese Nachtschicht war wirklich lehrreich und man hat eine ganz andere Vorstellung davon bekommen, mit welcher Arbeit und Sorgfalt das Bäckerhandwerk ausgeübt wird. Nach einem guten gemeinsamen Frühstück heißt es um elf Uhr für die Bäcker Feierabend – wohlverdient und zu einer Zeit, zu der für viele andere der Arbeitstag gerade begonnen hat. Und das frühe Aufstehen ist gar nicht so schwer wie gedacht.