Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm?

Hinter den alten Gemäuern des Gymnasiums der Benediktiner entstehen regelmäßig patentverdächtige Innovationen

Text und Fotos: Inga Bremenkamp & Privat

„Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm“? Das ist die erste Frage, mit der Inken Schäfke ihre Schüler in ihren Projektkursen begrüßt. „Es ist verrückt, wie viel die Schüler in dieser ersten Stunde lernen. Sie setzen sich direkt mit allem, was in der Betriebswirtschaftslehre wichtig ist, auseinander, nur um ihren Schwamm möglichst erfolgreich verkaufen zu können“, erklärt die Lehrerin, die mit ihren Schülern bereits zum fünften Mal am Projekt ‚Jugend gründet‘ teilgenommen hat.

Über die Kunst des Verkaufens eines Tafelschwamms

Inken Schäfke spricht dabei nicht nur von dem Preis, der klug gewählt werden muss, sondern auch von den innovativen Produktbesonderheiten, von dem gut bedachten Vertriebsweg und von der Kommunikationspolitik, für die sich die Gymnasiasten entscheiden. „Es ist verblüffend, auf welche Ideen die Schüler so kommen. Farbige Schwämme, unterschiedliche Schwammformen bis hin zu umweltfreundlichen Schwämmen, die sich von allein abbauen – ich habe in den letzten Jahren viel Kreatives zum Tafelschwamm gehört“, freut sich Inken Schäfke. Im webbasierten Projektkurs geht es grundsätzlich um die Entwicklung einer eigenen Geschäftsidee. Im Laufe des Schuljahres lernen die Schüler, Businesspläne zu schreiben, Kostenkalkulationen zu erstellen und sowohl mit fiktiven Kunden als auch mit teils realen Unternehmen zielgerichtet zu kommunizieren. „Wir kooperieren unter anderem mit der Fachhochschule Südwestfalen, deren Kollegen unsere Schüler in Sachen Kommunikation und Präsentation coachen. Außerdem unterstützen uns einige Unternehmen aus der Region, wobei wir uns hier über weitere Partner freuen würden“, erklärt die Latein- und SoWi-Lehrerin.

Von einer Badehose mit Luftkissen und einer „schlauen Schiene“

 „Wir haben uns einfach gefragt, ob es etwas gegeben hätte, was den tödlichen Unfall hätte verhindern können“, erklärt Jan Menke der Gruppe ‚Watsafe‘. Der Gymnasiast spricht von dem tödlichen Unfall eines Jungen im Hennesee im vergangenen Sommer. Der 14-Jährige war von einer der Badeinseln in der Berghauser Badebucht gesprungen und nicht wieder aufgetaucht. „Wir haben ein Luftkissen entwickelt, das sich von allein aufbläst, sobald jemand im Wasser in Not gerät. Ein Mensch in Not ist nicht immer in der Lage, den Auslöser für das Luftkissen via Hand zu betätigen. Das muss – anders als bei marktüblichen Luftkissen – automatisch funktionieren“, sagt der 17-Jährige. Inken Schäfke ergänzt, dass das Luftkissen außerdem mit in die Badehose integriert und unsichtbar sein sollte, damit der ‚Coolnessfaktor‘ dem Sicherheitsaspekt nicht weichen muss. „Wir haben kurz an eine Badehose mit Hosenträgern gedacht, um das Kissen darin verstecken zu können. Mit der Modewelt wollten wir‘s dann aber doch nicht aufnehmen“, sagt Jan Menke und grinst. Die Watsafe-Gruppe hat beim Bundesfinale in Stuttgart genau wie das Team ‚Greentrack’ der Klosterschule den 7. Platz belegt. „Wir hatten echt nicht mit viel gerechnet. Als wir bei der Siegerehrung dann immer noch einen Platz weiter nach oben gerutscht sind, lagen wir uns völlig ungläubig in den Armen. Wir sind schon superstolz“, berichtet Claus-Anton von Lüninck aus der Greentrack-Gruppe, die aus einer „dummen Schiene“ eine „intelligente Schiene“ machen wollte, um autonomes Fahren noch bequemer zu machen. „Wir wollen, dass man die Füße beim Autofahren hochlegen kann“, beschreibt Claus-Anton von Lüninck die Produktidee. „In Schweden gibt es erste Testphasen mit Schienen, über die E-LKWs mit Strom versorgt werden. Unsere Schiene übermittelt darüber hinaus intelligente Informationen: Wo befindet sich das Auto, was passiert vor und hinter mir und wie sieht der optimale Fahrweg aus?“

Patent oder Abi?

Die diesjährigen Projektgruppen ‚Watsafe‘ und ‚Greentrack‘ haben sich mit ihren Businessplänen und Präsentationen bundesweit gegen 739 andere Teams durchgesetzt und können stolz auf ihren Erfolg sein. Noch etwas erfolgreicher war 2016 die Projektgruppe, die ein sich selbst zersetzendes Kaugummi entwickelt hatte und der Jury im Finale sogar ein selbst gebackenes zur Verkostung überreichen konnte. „Die Gesichter der Tester waren großartig. Die Gruppe war noch nicht so weit, den Teig auch selbst aromatisieren zu können. Der Geschmack ließ entsprechend zu wünschen übrig“, schmunzelt Inken Schäfke. Dennoch war die Idee so gut, dass die Gymnasiasten im Finale Platz zwei belegten und am Ende sogar über ein eigenes Patent nachgedacht haben. „Ein ehemaliger Schüler unseres Gymnasiums und heutiger Patentanwalt fand die Idee so überragend, dass er das Team beim Erstellen des Patentantrags unterstützt und sogar selbst Geld investiert hat“, erklärt Inken Schäfke. Trotzdem ist die Nummer gescheitert – an der Zeit der Schüler und an den angezogenen Handbremsen ihrer Eltern: „Das Team war kurz davor, die Schule zu schmeißen. Die Eltern mussten ganz schön dagegenhalten, damit ihre Schützlinge vorerst weiter auf Abikurs blieben“, erinnert sich Inken Schäfke.

Nachhaltigkeit auch ohne Patent

Auch wenn die Ideen der Schüler nach dem Schuljahr in den Projektmappen verschwinden, weiß die gelernte Bankkauffrau, dass ihre Schützlinge von der Teilnahme an ‚Jugend gründet‘ profitieren: „Für viele ist der Kurs und ihre Produktidee ein Kick für die Berufswahl. Das Netzwerk, das sie in diesem Jahr aufbauen, ist für später enorm wertvoll. Ein Schüler von uns ist so unmittelbar an ein Praktikum bei Google gekommen. So werden Horizonte erweitert und ich kann den Schülern zeigen, was nach dem Abitur in der Welt auf sie wartet“, erklärt Inken Schäfke. „Für uns war das eine Megaerfahrung. Wir haben zwar auch super viel Zeit investiert, aber eben auch viel gelernt. Beim Halbfinale in Berlin und beim Finale in Stuttgart haben wir noch dazu richtig tolle Menschen kennengelernt“, schwärmt Jan Menke, während Claus-Anton von Lüninck ergänzt: „Wir haben jetzt halt auch tolle Urkunden in der Hand, die für unsere Bewerbungsmappen Gold wert sind. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit!“

Für die kreativen Köpfe des vergangenen Projektkurses geht es nach den Ferien um das erfolgreiche Bestehen des Abiturs, während Inken Schäfke die Kreativität ihrer nächsten Schützlinge fordert, indem sie fragt: „Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm?“

Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm? In der Schulvitrine präsentieren die Schüler stolz ihre erfolgreichen Geschäftsideen2
Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm? In der Schulvitrine präsentieren die Schüler stolz ihre erfolgreichen Geschäftsideen
Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm? Die Watsafe-Gruppe mit Frau Franziska Metzbaur, der Leiterin des Projekts ‚Jugend gründet‘ (privat)
Wie verkaufe ich einen Tafelschwamm? Die Greentrack-Gruppe erklärt ihre Projektidee auf den Ständen am einfachsten mit Hilfe einer Autorennbahn (privat)