„Das Konjunkturklima der regionalen Wirtschaft kühlt sich spürbar ab. Die konjunkturelle Hochphase der vergangenen Jahre ist vorbei. Angesichts der weiter schwelenden internationalen Handelskonflikte befinden sich die Geschäftserwartungen im Sinkflug, vor allem in unserer exportorientierten Industrie und dem Großhandel. Zudem beginnt die angespannte konjunkturelle Lage der Industrie nun auch die Geschäftserwartungen der anderen Branchen zu lähmen.“ Mit diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel von der IHK Siegen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage, an der sich 536 Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.
Der
IHK-Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartungen –
fällt um weitere 13 Punkte auf 99 Punkte merklich ab. Innerhalb von einem Jahr
sinkt der Index damit um 27 Punkte auf den niedrigsten Stand seit Januar 2010.
Er liegt mittlerweile unter dem langfristigen Mittelwert der letzten 20 Jahre.
Verursacht wird der Rückgang insbesondere durch die pessimistischen
Geschäftsaussichten. Inzwischen gehen 29 % der befragten Firmen von
schlechteren Geschäften in den kommenden Monaten aus, eine Steigerung von 7
Prozentpunkten gegenüber der Frühjahrsumfrage. Nur noch 13 % erwarten bessere
Geschäfte. Felix G. Hensel: „Den konjunkturellen Gegenwind spüren unsere
Unternehmen deutlich. Mit großer Sorge blicken wir auf die erneut rückläufigen
Auftragseingänge. Wenn inzwischen 41 % der Unternehmen fallende
Auftragseingänge angeben und nur 19 % steigende, ist das ein deutlich
vernehmbares Warnsignal. Trotzdem sollten wir den Teufel nicht an die Wand
malen. Nach wie vor ist ein Großteil unserer Betriebe zufriedenstellend bis gut
beschäftigt. Die Geschäftslage ist im Großen und Ganzen noch halbwegs
passabel.“ Etwa ein Drittel der hiesigen Unternehmen bewerten ihre
Geschäftslage als gut, etwa die Hälfte als befriedigend. Der Anteil negativer
Lagemeldungen ist mit 16 % zwar steigend (plus 5 Prozentpunkte gegenüber der
Frühjahrsumfrage), aber vergleichsweise noch gering.
Die insgesamt kritischen
Zukunftserwartungen sind einerseits auf die rückläufigen Auftragseingänge
zurückzuführen. Andererseits sind die Konjunkturrisiken weiterhin beachtlich.
Hauptgrund für die hohe Unsicherheit und die möglichen Abwärtsrisiken bleiben
die internationalen Handelskonflikte. Auch die nach wie vor nicht absehbaren
Brexitfolgen schlagen ins Kontor. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener:
„Womöglich kommen wir 2019 noch mit einem blauen Auge davon. Sollte es aber im
nächsten Jahr so weitergehen, müssen wir uns warm anziehen.“ Bisher konnte die
Konjunktur durch die starke Binnennachfrage gestützt werden. Dass diese
nachlassen könnte, wird inzwischen als größtes wirtschaftliches Risiko gesehen.
58 % der befragten Unternehmen machen dies geltend. Etwas mehr als die Hälfte
der Betriebe nennen den Fachkräftemangel als zweitgrößtes Konjunkturrisiko. Als
drittgrößte Unwägbarkeit (49 %) werden die wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen gesehen.
Die Lagebeurteilung der
heimischen Industrie sinkt weiter, wenn auch nicht mehr so rasant wie noch im
Frühjahr. Nur noch 27 % der Industrieunternehmen geben eine gute Geschäftslage
an. Innerhalb eines Jahres stürzte der Saldowert um 38 Prozentpunkte ab. Klaus
Gräbener: „Dieser Rückgang ist eklatant. Aber wir müssen uns bei der
Beurteilung immer auch vor Augen führen, dass wir gerade in der exportstarken
Industrie etliche Jahre des Aufschwungs erlebt haben. Die Umsätze im
verarbeitenden Gewerbe sind seit den Krisenjahren 2008/2009 um mehr als 4 Mrd.
€ gestiegen. Der Zuwachs betrug satte 34 %. Ewig konnte es so nicht
weitergehen. Wegen der internationalen Verflechtungen sind unsere
Industrieunternehmen anfälliger für globale Krisen. Schließlich ist es wie
immer im Leben: Wer hoch klettert, kann auch tief fallen.“ Dennoch ist die
aktuelle Produktionsauslastung auf einem guten Niveau, wenn auch etwas
rückläufig. 78 % der Industrieunternehmen sind zu über 70 % ausgelastet, 4
Prozentpunkte weniger als noch im Frühjahr. Die Spitzenauslastung von über 85 %
liegt gegenüber der letzten Umfrage unverändert bei 39 %. Felix G. Hensel: „Die
Beschäftigung ist entgegen aller Hiobsbotschaften weiterhin auf einem Spitzenniveau.
Über 179.000 Menschen sind in unserer Region sozialversicherungspflichtig
beschäftigt. In den Industriebetrieben mit 50 und mehr Beschäftigten standen im
Juli mehr als 56.000 Menschen in Lohn und Brot. Dass sind 1,2 % mehr als vor
einem Jahr. Zugleich liegt die aktuelle Arbeitslosenquote bei 4,2 %. Das sind
weiterhin Spitzenwerte, die verdeutlichen, dass unsere größtenteils
familiengeführten Unternehmen auch in wirtschaftlich unruhigen Zeiten zu ihrer
sozialen Verantwortung stehen.“
Für die zukünftige
Wirtschaftsentwicklung sind die Auftragseingänge wegweisend. Diese sind erneut
rückläufig. Nur noch 17 % geben steigende Auftragseingänge an, 46 % fallende.
Insbesondere die Inlandsnachfrage geht zurück. IHK-Konjunkturexperte Stephan
Häger: „Bei einer solch negativen Entwicklung verwundert es nicht, dass sich
die Geschäftserwartungen in weiten Teilen der heimischen Industrie auf Talfahrt
befinden. Nur noch 13 % erwarten in den kommenden Monaten bessere Geschäfte, 55
% gleich bleibende und 32 % schlechtere. Vor einem Jahr zeigte sich noch ein
umgedrehtes Bild. Setzt sich dieser Abwärtstrend auch 2020 weiter fort, gehen
wir schwierigen Zeiten entgegen.“ Erfreulich sei jedoch, dass sich die deutlich
eingetrübte Stimmung nicht in dem Maße bei den Investitionserwartungen
niederschlägt. Immerhin rechnen 73 % mit steigenden bzw. gleich hohen
Investitionen im Inland.
Insbesondere die
Automobilindustrie hat mit den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
zu kämpfen. Der Autoabsatz in Europa sank im August um 8,4 % im Vergleich zum
Vorjahr. Die Pkw-Produktion in Deutschland sank im ersten Quartal 2019 um 10 %
und im zweiten Quartal um 13,4 %. Klaus Gräbener: „Das spüren natürlich auch
unsere Automobilzulieferer deutlich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht
verwunderlich, dass die Lagebeurteilung und die Erwartungen der Industrie
besonders im Kreis Olpe nach unten zeigen.“
Die Lage im Baugewerbe
ist weiterhin sehr gut. Zwar sinkt die Lagebeurteilung um 12 Prozentpunkte,
bleibt aber bei einem Wert in der Spitzengruppe. 71 % der befragten Baubetriebe
geben eine gute Lage an, 6 % eine schlechte. 8 von 10 Unternehmen sind zu über
85 % ausgelastet. Zudem geben 3 von 5 Unternehmen einen hohen Auftragsbestand
an, nochmals eine Steigerung gegenüber der letzten Umfrage. Stephan Häger:
„Dieses hohe Niveau erklärt, dass die Unternehmen nicht von einer weiteren
Nachfragesteigerung ausgehen.“
Der Einzelhandel
profitiert weiter vom starken Konsum. Ein Drittel der Einzelhändler gibt eine
gute Lage an, nur 8 % eine schlechte. Die Lagebeurteilung steigt auf den
dritthöchsten Wert der vergangenen fünf Jahre. Die Rahmenbedingungen für den
Einzelhandel sind weiterhin gut. 39 % der Händler konnten ihre Umsätze
steigern, nur 18 % melden fallende Umsätze. Die erwartete Geschäftslage fällt
dahingegen verhaltener aus. 18 % erwarten bessere Geschäfte, 26 % schlechtere.
Somit fällt der Saldowert bei den Erwartungen auf den niedrigsten Stand seit
Januar 2015. Felix G. Hensel: „Als Hauptgründe für die pessimistischen
Erwartungen nennen uns die Unternehmen die Sorge vor einem Konjunkturabschwung,
der sich auf den Arbeitsmarkt und somit auf die Kaufkraft sowie das
Kaufverhalten auswirken könnte. Aber auch die große Konkurrenz durch den
Online-Handel bereitet insbesondere den kleinen Händlern Sorgen.“
Die Stimmung der
Großhändler trübt sich weiter ein. Die Lageeinschätzung ist aber im Großen und
Ganzen noch positiv. Etwa jeder dritte Großhändler meldet eine gute
Geschäftslage, etwa jeder sechste eine schlechtere. Zahlreiche Großhändler begründen
die sinkende Lageeinschätzung mit den Auftragsrückgängen der Industrie und im
Besonderen der Automobilindustrie. Jeder zweite Großhändler gibt ein
zurückhaltendes Kaufverhalten seiner Kunden an. Entsprechend der schwierigen
globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sinken die Erwartungen im
Großhandel deutlich. Nur noch 13 % gehen von zukünftig besseren Geschäften aus,
ein Drittel von schlechteren. Im Frühjahr waren noch 23 % positiv und „nur“ 16
% negativ gestimmt. Trotz aller Unwägbarkeiten gehen 83 % von gleich bleibenden
oder sogar steigenden Investitionen im Inland aus. Das ist weiterhin ein sehr
guter Wert.
In der
Dienstleistungsbranche ist die Lagebeurteilung weiterhin gut. 41 % berichten
von einer guten Geschäftslage, 45 % von einer gleich bleibenden und 14 % von
einer schlechten. Damit fällt der Saldowert zwar um 12 Prozentpunkte, bleibt
aber auf einem guten Niveau. Besonders das Gastgewerbe profitiert, wie der
Einzelhandel, von der guten Konsumlaune. Jedes zweite Unternehmen gibt eine gute
Geschäftslage an, nur 4 % eine schlechte. Die Zimmerauslastung ist weiterhin
auf einem hohen Niveau. 80 % geben eine gestiegene oder gleich bleibend gute
Auslastung an. Klaus Gräbener: „Die Geschäftsaussichten werden sowohl in der
gesamten Dienstleistungsbranche als auch im Gastgewerbe jedoch skeptischer
gesehen. Wie in den anderen Branchen überschattet die Gefahr eines
Konjunktureinbruchs die Geschäftserwartungen.“