Grünes Herz von Kallenhardt

Foto: Ydo Sol

🖊️ Philip Stallmeister  📷 Philip Stallmeister, Ydo Sol

Wälder, Wiesen, Wasser: Die drei W, die kennzeichnend für das Sauerland sind, umrahmen das hochgelegene Kallenhardt, den südlichen Zipfel des Rüthener Stadtgebiets. Brilon oder Bestwig liegen wesentlich näher als die Kreisstadt Soest oder auch Lippstadt. „Wir sind die letzte Bastion im Kreis Soest. Wir fühlen uns mitten im Arnsberger Wald als Sauerländer“, erklärt Ortsheimatpfleger Rainer Geesmann.
Immer wieder taucht in der Geschichte Kallenhardts die Ortsbezeichnung Ostervelde auf. Die Geschichte der beiden Orte ist eng verknüpft. „Im Mittelalter war hier oben eigentlich nur die Burg. Ostervelde wurde zerstört und die Leute zogen hierhin“, sagt Geesmann. Die lange Eigenständigkeit Kallenhardts ist heute noch einer der Faktoren für ein gesundes Selbstbewusstsein der „Ziegen“ vom Hügel, wie die Kallenhardter genannt werden. „Wir sind im Kopf selbstständig geblieben“, meint Geesmann über den Ort.
Zusammenhalt herrscht im Dorf mit seinen knapp 1.700 Einwohnern auch in Sachen Holz. Denn neben Ziegen, die auf einer gemeinsamen Fläche gehütet wurden, gab es eine solche Allmende auch für Brennholz. „Noch heute hat jeder Kallenhardter mit Kamin das Recht auf zwölf Raummeter Buchenbrennholz“, erklärt Geesmann. Und tatsächlich haben viele Häuser im Ort dementsprechend viel „Holz vor der Hütte“.
Das signifikanteste Gebäude Kallenhardts ist ohne Frage die Pfarrkirche St. Clemens. Nicht nur, dass der Barockbau oberhalb des Ortes thront und von außen weithin sichtbar ist, auch die prachtvolle Ausgestaltung des Innenraums begeistert die Besucher von Nah und Fern. Das Gotteshaus ist Ziel von Pilgertouren im Rahmen des ökumenischen Projekts „3Klang“. Die „3“ steht für Kirchen, Wege und Inspirationen. Licht- und Musikinstallationen unterstützen die meditative Atmosphäre des Gotteshauses. Neben der katholischen Pfarrkirche ist auch die evangelische Erlöserkirche Teil des Projekts.
 

„Trisörken“ und viele Schließfächer

Kallenhardt ist voll von eindrucksvollen, historischen Gebäuden. Ein ideales Zusammenspiel von bewegter Geschichte und aktuellem Leben findet im historischen Rathaus statt. Neben der Mineraliensammlung, welche die erdgeschichtliche Entwicklung dokumentiert, gibt es das „Trisörken“, eine Einbaumtruhe aus Eichenholz, in der seit dem 13. Jahrhundert städtische Dokumente gesammelt wurden. Heute hat jeder Verein des Dorfes sein eigenes „Trisörken“. Und zwar in Form von Schließfächern in der „guten Stube“ des Gebäudes, die auch gern für Trauungen gebucht wird. Pralles Leben in historischer Kulisse also – auch dank der Sitzungen, Versammlungen und Feierlichkeiten der Kallenhardter Vereine.
Die Vereinskultur blüht: Da sind zunächst die Schützen, die ihr großes Fest stets zu Pfingsten zelebrieren. „Wir feiern als eins der wenigen Dörfer noch an vier Tagen Schützenfest“, berichtet Geesmann. Damit das Hochfest der Schützen und andere Feierlichkeiten auch die passende musikalische Untermalung erhalten, gibt es in Kallenhardt zwei Gruppen: Das Tambourscorps Kallenhardt, das mit klassischer Marschmusik unterhält und das Blas- und Tanzorchester Kallenhardt, das 2019 auf stolze 190 Jahre zurückblicken darf.

Die Brennerei von Aussen


Nicht ganz so alt ist der Sportverein des Dorfes. Der TV Kallenhardt wurde 1897 gegründet. Die Anlage des Vereins ist mitten im Dorf und heißt nach dem benachbarten Park, das grüne Herz Kallenhardts. Ein idyllisches Plätzchen ist auch die Lehmkaule. Aus der Grube des heute stehenden Gewässers gewannen die Kallenhardter einst den Lehm für die Fachwerkhäuser.
Das gute Wasser Kallenhardts sorgte auch dafür, dass sich die Sauerländer Edelbrennerei vor Ort ansiedelte. Brände, Geiste, Liköre und Whisky aus naturreinen, meist regionalen Zutaten besitzen einen unverwechselbaren Geschmack. Zur Herstellung verwendet der Familienbetrieb Grundwasser, welches in 188 Metern Tiefe dem anstehenden 400 Millionen Jahre alten Devongestein entnommen wird. Gegründet im Jahr 2000 in einer Doppelgarage, ist die Brennerei April 2016 in das eigenhändig renovierte, ehemalige Sägewerk in Kallenhardt umgezogen. Die Kombination aus Erlebnisbrennerei, geführten Besichtigungen und verschiedenen Tastings machen den Ort noch ein Stück lebenswerter. „Zeit und Ruhe ist bei der Whiskyproduktion ein entscheidender Faktor, beides findet man in unserem beschaulichen Bergdörfchen. Gepaart mit der herrlichen Umgebung und der Verbindung zur Natur sind es für uns und unsere Produkte die besten Voraussetzungen für etwas ganz Großes“, erklärt Dr. Thomas Lesniowski aus der Geschäftsleitung der Sauerländer Edelbrand GmbH.
Die Geschichten aus der Vergangenheit, die bis heute ihre Wirkung in Kallenhardt zeigen, sind äußerst zahlreich. Insgesamt lässt sich feststellen, dass es sich in Kallenhardt leben lässt. Drei Kneipen beziehungsweise Gasthöfe sorgen für Geselligkeit. Die Attraktionen wie Pilgerweg oder Bikepark wissen auch zahlreiche Gäste zu schätzen. Bei den „Ziegen“ gibt es also gar nichts zu meckern.