Dünne Fasern, dicke Seile

Quelle: Silvia Padberg

Quelle: Silvia Padberg
Aus einer Schnur, aus vielen Schnüren ein Strick und aus vielen Stricken entsteht ein stabiles Seil. Das Seil, ein Gegenstand, den jeder von uns kennt und den jeder von uns schon einmal in der Hand gehalten hat. In dem denkmalgeschützten Gebäude der alten Seilerei Hartmann im Handwerkerdorf Rüthen wird deren Herstellung auch noch heutzutage anschaulich demonstriert. Das über 60 Meter langgezogene Seilbahngebäude aus massivem Ziegelstein umfasst rund 25 Metallfenster. In den anderen Gebäuden werden weitere alte Handwerkskünste gezeigt.
Das Gebäude und die Familiengeschichte sind Bestandteile des heutigen Anwesens. Gründer Franziskus Hartmann als Beruf Seilspinner, früher auch bezeichnet als Reepschläger oder Reepdreger (reep = Seil; dregen = drehen), hat sich in der Seilerstraße seiner Handwerkskunst gewidmet. In der Zeit um 1900 gab es nur noch zwei konventionelle Betriebe, die mit Hanf ihre Seile produzierten, bis die Industrialisierung und Technisierung voranschritt. Im Laufe der Zeit übertrug Franziskus sein Hab und Gut an seinen Sohn Joseph Valentin und der dann dem Enkel Joseph, der 1937 verstarb. Über drei Generationen war die Seilspinnerei in Betrieb, bis sie aus Gründen der Wirtschaftlichkeit aufgegeben werden musste.
Quelle: Silvia Padberg
Im Inneren des circa zwei bis drei Meter breiten Lehmpfades des langen Gebäudes befinden sich viele historische Arbeitstechniken zur Herstellung von Seilen und Fäden, wie die Seilbahn (Reeperbahn), Handwerksgeräte, Werkzeuge und Maschinen. Diverse dicke und lange Seile, Kälberseile und Fischernetze hängen von der Decke oder sind an den Wänden zum Verständnis angebracht.
Die sehr bekannte Reeperbahn in Hamburg erhielt ihren Namen, da Reepschläger hier auf der benötigten geraden Strecke Taue und Seile herstellten. Der Unterschied zwischen einer Seilerbahn ist, dass nicht länger als gut 50 Meter für die Kleinproduktion und die Reeperbahn mindestens 300 Meter Länge verfügen musste, um dicke und lange Taue und Seile zu produzieren.
Das ganze Jahr wurden Produkte jeglicher Art und nach den Bedürfnissen der Menschen angefertigt. Geformt wurden, lange, kurze, dicke, dünne, flexible oder starre Seile. Schnüre, Wäscheleinen, Taue, Strickleitern, Seile für den Eimer im Brunnen war der Bedarf an private Personen. Fischer bestellten hier ihre Fangnetze. Bauern brauchten die Erzeugnisse, wie beispielsweise Kälberstricke, Heuseile, Zugstränge, Garbenbänder, Peitschenschnüre, Tiergespanne, Wagenseile, Aufzugstricke, Pferde- und Pflugleinen.

Viele kleine Schritte bis zum fertigen Seil

Quelle: Silvia Padberg
Seilereien griffen auf Naturstoffe wie Hanf, Flachs, Kokos, Sisal, später auch Baumwolle, zurück, wobei der Hanf am beliebtesten war, da er als sehr reißfest und biegsam galt. So konnte der Seiler mit den langen Fasern kreative Seile herstellen. Die Familie Hartmann fertigten ihre Seilereiwaren überwiegend aus Hanf an, der in Ballenform größtenteils aus Russland geliefert wurde. Nachdem der Hanf geerntet wurde, musste er viele Tage gewässert und anschließend getrocknet werden. Der darauffolgende zweite Arbeitsschritt war die Trockenphase, in dem Hanf mit einer Breche gebrochen wurde, so lösten sich die Fasern vom Holz. Der Rohhanf wurde über ein Brett mit Nägeln und Dornen durchgezogen, damit kurze und holzige Fasern in den Zacken hängen blieben. Übrig blieben die feinen, zu verarbeiteten Fasern. bevor die Seile die gewünschte Form in seiner Länge und Durchmesser erhielten, musste aus dem Rohhanf nach dem Hecheln und Kämmen erst lange Fäden gesponnen werden. In der weiteren Verarbeitungsphase drehte der Seiler einzelnen Fäden zu Schnüren, dieses nannte man zwirnen. Je nach Seilstärke wurden diese Litzen in ein Seilgeschirr mit drehbaren Haken, den sogenannten „Warbel“, eingehängt. Am anderen Ende befand sich ein beweglicher Schlitten mit nur einem Haken.
Das zu verarbeitende Garn spannte man zwischen Schlitten und den gegenüberliegenden Warbel und dann wurde in entgegengesetzte Richtung gedreht. Wichtig war, dass alle Stränge gleich lang waren, sonst würde der längere Strang herausgedrückt werden. Hierdurch wurden die Stränge zu einem Seil verdrillt. Die beiden Seilenden wurden abgebunden, sodass ein Aufspleißen verhindert wurde.