„Da rollst du nicht so einfach mit!“

Quelle: Heidi Bücker

Basketball in der zweiten Bundesliga –
Marius Heinemann über seinen Sport und seine Heimat Kirchrarbach

Vergessen scheinen die Zeiten seiner Kindheit und Jugend, in denen er lange Zeit in Krankenhäusern verbringen musste. Zeit seines Lebens sitzt der 27-Jährige im Rollstuhl. Eindrucksvoll und bemerkenswert beschreibt er sein Handicap: „Meine Rückenwirbel sind nicht ganz so, wie sie sein sollten. Die Muskulatur an meinen Beinen reicht nicht aus, dass ich selbstständig laufen kann. Ich finde das nicht schlimm, ich kenne es ja auch gar nicht anders.“ Die
Diagnose direkt nach der Geburt lautete: Spina bifida. An einer Stelle bleibt der von den Wirbeln gebildete Rückenmarkskanal offen, weshalb Spina bifida umgangssprachlich auch „offener Rücken“ genannt wird. „Für meine Eltern war das schlimmer als für mich. Sie haben wirklich Enormes geleistet. Wenn ich
heute an all das zurückdenke: Wahnsinn. Ohne ihren Einsatz und im wahrsten
Sinne Kampf wäre ich nicht das, was ich bin – glücklich und mobil“, berichtet Marius Heinemann. Im Rückblick ist ihm auch klar, dass seine ältere
Schwester Lisa oft zurückstecken musste, weil er im Fokus stand.

Quelle: Heidi Bücker

Lässt sich keine Hindernisse in den Weg stellen: Marius Heinemann.

Sein Abitur hat er am Schmallenberger Gymnasium gemacht, anschließend konnte er bei der Stadt Schmallenberg eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolvieren, dort ist er bis heute auch beschäftigt. „Der Job macht mir großen Spaß. Ich bin echt happy.“ Ein verschmitztes Lächeln fliegt über sein Gesicht, als er seine Brandblasen an den Händen zeigt: „Die habe ich nicht vom Arbeiten im Rathaus, sondern vom Einsatz beim letzten Spiel. Rollstuhl anschieben und bremsen, alles von Hand gesteuert“, erklärt der Basketballer. Rollstuhlbasketball unterscheide sich kaum von dem Spiel der „Fußgänger“, erklärt er. Das Spielfeld hat die gleiche Größe, die Körbe hängen auch nicht anders, lediglich Schrittfehler heißen logischerweise Schubfehler. Sein Sportrollstuhl ist, wie auch der tägliche Rollstuhl, individuell auf seine Bedürfnisse angepasst. 5.000 Euro hat
der gekostet.

Koordination, Kraft, Schnelligkeit und Konzentration sind Grundvoraussetzungen
Mit großer Leidenschaft betreibt er seinen Sport. Obwohl es anfangs echt hart war. Der Zufall wollte es, dass sein Rollstuhltechniker fragte, ob er Lust auf Basketball habe. Hatte er. Gesagt, getan – und schon konnte er sich den Behindertensportlern aus Paderborn anschließen. Das ist nun fast sieben Jahre her. „Koordination, Schnelligkeit, Kraft und Konzentration sind Grundvoraussetzungen für das Spielen in der Mannschaft. Da rollst du nicht so einfach mit“, erzählt Marius Heinemann. Zweimal pro Woche fährt er nach Paderborn zum Training und am Wochenende zum Spiel. Das ist für ihn kein Problem. Schließlich hat er ein Auto. „Ein eigenes Auto zu bekommen, das meiner Behinderung entsprechend umgebaut wurde, war das kleinere Problem. Der Führerschein entpuppte sich als Drama“, erinnert sich Marius. Auch hier war kämpfen angesagt. Bis er die Fahrerlaubnis bekam, mussten einige Hürden genommen werden: vom Amtsarzt über eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) bis zu diversen Tests, die er über sich ergehen lassen musste. Erst dann wurde endlich die Bescheinigung freigegeben. „Ja, witzig war das nicht“, resümiert er.

„Die Kirchrarbacher haben uns immer unterstützt“
Nie aufgeben, das hat er nicht nur von seinen Eltern und seiner Familie gelernt, sondern auch von einer spitzenmäßigen Dorfgemeinschaft. „Die Kirchrarbacher haben uns immer unterstützt, geholfen, sind gefahren und haben mich eingebunden. Ich hatte nie das Gefühl, anders zu sein. Ich liebe mein Dorf. Hier kennt jeder jeden und hier hilft jeder jedem, das möchte ich nicht missen“, erzählt er voller Begeisterung. Dass er dort auch aktiv im Ehrenamt tätig ist, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit: „Ob Fußballverein, Feuerwehr oder Sozialverband VdK – ich freue mich, wenn ich etwas zurückgeben kann. Wie man sich um mich gekümmert hat, werde ich nicht vergessen.“ Ganz nebenbei erwähnt er, dass er sich alle zwei Wochen auf der Tanzfläche tummelt. Den Rollstuhltanzkurs in Olsberg besucht er seit seinem 15. Lebensjahr. Auch das haben ihm seine Eltern ermöglicht, die neben ihrem Bäckereibetrieb in Kirchrarbach immer sein Wohl im Auge hatten. „Sie sind echte Kämpfer! Was sie mir alles ermöglicht haben, da kann ich nur dankbar meinen Hut ziehen“, sagt Marius Heinemann über seine Eltern, Anne und Heribert Heinemann. Abschließend ist ihm wichtig, dass sein Kegelclub und Stammtisch KG GoodWood ebenfalls immer für ihn da war und ist: „Ohne die Jungs würde ich heute nicht das machen, was ich mache. Geniale Truppe!“