Friggenohler Nachbarschaftsfest auf dem Pausenhof

Unser „Förderverein Freiheit Freienohl“ hatte zu diesem ganz neuen Zusammensein am Freitag-Abend am 31. Mai 2019 die Nachbarschaft vom „Pausenhof“ eingeladen.  Der Himmel hat sein Jawort gegeben, wohl dank unseres Hl. Nikolaus, ganz dicht nebenan: ein warmer Vorsommer-Abend. Alles kostbar und köstlich. Uniformierte Angestellte waren nicht nötig. Die Spitzen dieses Fördervereins hatten Sitz-Tische und Stehtische aufgebaut. Köstlicher Grillduft und leckere „Auflagen“ vom KAS-Haus- und Imker-Meister förderten die verbale Kommunikation. Getränke für Groß und Klein, Jung und Alt verteilten junge Damen und gestandene Handwerksmeister und Geschäftsinhaber aus ganz Freienohl. Die Nachbarschaft wurde immer größer, von Stunde zu Stunde. Döneken und Vertelleken machten die Runde. Auch Aktenkundiges aus dem EBAP, dem Erzbischöflichen Archiv Paderborn, und dem Stadtarchiv Meschede in Grevenstein war zu hören.
Zum Beispiel vom richtigen, vom ursprünglichen Pausenhof. Rechts von der Kirche war der Pausenhof für die Knabenschule. Jungen und Mädchen wurden früher getrennt voneinander unterrichtet und in einem Klassenraum alle Jahrgänge zusammen. Links von der Kirche war der Pausenhof für die Mädchen. Am Rand zur Hauptstraße stand, steht immer ein wunderschöner schmiedeeiserner Zaun. Von ihm geht‘s etwa 4 Meter hinab zur Hauptstraße. Oben am Zaun durften sich aber in ihrer Pause die Mädchen nicht dran festhalten. Das hatten die Pastöre Julius Falter (1886 – 1902), Karl Steimann (1902 – 1916), – beide noch mit dem Titel: Schul-Ober-Inspector – . und Pfarrer Ferdinand Gerwinn (1916 – 1949) verboten. Damals trugen die Mädchen Kleider. Wahrscheinlich meinten die Pastöre, dass während der Großen Pause alle Männer an der Arnsberg-Beverungerer-Chaussee oder der Adolf-Hitler-Straße entlang mussten… Die Akten sind im EBAP einsehbar.
Jetzt (2019) noch lebende Freienohler erinnern sich noch an ihre Pause in der Alten Schule. Der eine oder andere Schüler ging hinter der Kirche die eiserne Treppe hinunter nach Hötte, – jetzt Hirsch-Apotheke – und traf dort 1, 2, 3 Mädchen, die sich die steinernen Stufen hinunter getraut hatten, – andere hatten das Fräulein Lehrerin abgelenkt. „Und was habt Ihr da unten gemacht?“ – „Wir haben zusammen gekichert!“
Zum Beispiel: Auch die Geschichte vom Fräulein Lehrerin als Schützenkönigin passt auf den Pausenhof und zum Nachbarschaftsfest. Zur Einstimmung, Einfühlung hört sich gut an der Refrain des Lieds der  Landsknechte aus dem 17: Jahrhundert: „Es können nit zwei Hahnen auf einer Miste stehn“. Und ein Männer-Schnack im 19. Jahrhundert: „Eine Henne fliegt nicht über die Mauer!“  Und wenn doch? Dann galt aus der gleichzeitigen Rechtssprache, aus der „Parömie“: „Kräht die Henne, schweigt der Hahn!“ Übrigens steht jenes Soldaten-Lied nicht in der Liste der „demokratischen Lieder“. Darin war nämlich 1853 verboten worden das Lied: „Die Gedanken sind frei!“ – Zunächst zur Schule der sagenhaften Lehrerin Antonette Bause: Auf dem Grundstück „Pausenhof“ baute 1852 der exquisite Maurermeister und Bauunternehmer Franz Göckeler die neue „Alte Schule“. Dafür wurde daneben das alte Rathaus, gleichzeitig die ganz alte Schule, abgerissen. Darin waren ein Ratszimmer, eine Knabenschule und eine Mädchenschule. 1840 lernten in 1 Klassenraum  108 Mädchen aller Schuljahrgänge. In der neuen Alten Schule kam noch hinzu: ganz oben war die Wohnung der Lehrerin (der Lehrer lebte mit seiner Familie im Alten Küsterhaus, zum Teil „Gardinen Schwefer“, unten inzwischen Friseursalon Brigitte Bornemann). Inmitten der Grundfläche des jetzigen „Pausenhofs“ befand sich die Arrestzelle für Diebe usw., bevor die „nach Arnsberg kamen“. An der Süd-Ecke war später eine Nische mit dem Lichtschalter, mit dem der Schneidermeister Höhmann, der links vom Amtshaus in seinem kleinen Haus wohnte (inzwischen der Anbau vom Amtshaus), abends und morgens für ganz Freienohl die Straßenbeleuchtung ein- und ausschaltete. – Also: 1853 passte zum Fräulein Lehrerin Antonette Bause das Sprichwort: „Kräht die Henne, schweigt der Hahn!“ Die beiden Schulklassen hatten einen gemeinsamen Aufgang. Das ging nicht gut. Die Lehrerin beschwerte sich: die Knaben „maltraitieren“ die Mädchen! Die Knabenschule erhielt einen neuen Eingang; über 100 Jahre später war das der Eingang zum Friseursalon Horst Neise (der später nach Arnsberg zog) und dann für Friseurmeisterin Brigitte Bornemann. – Beim Schützenfest 1857 war es dann soweit: Antonette Bause war über 20 Jahre lang die einzige Lehrerin in Freienohl, seit 1836, vorher als „Hilfslehrerin“ (Junglehrerin) in Calle, geboren 1813 in Arnsberg). Die Freienohler Eltern waren begeistert von ihr, manche waren selbst noch bei ihr „zur Schule gegangen“. In den Gemeinde-Akten wird die energische Lehrerin immer akzeptiert. Dabei strahlte sie auch immer aus Freude und Vergnügen, Spaß und herzliche Atmosphäre. Da war klar für unsere St. Nikolaus-Schützenbruderschaft und unseren Schützenhauptmann Franz Göckeler. Sie erwählten sie zu unserer Schützenkönigin! Und die Lehrerin nahm an! Ein einmaliges Schützenfest! Denn Lehrerinnen durften erst ab 1919 heiraten und im Schulamt bleiben. Diese exquisite Position, festlich gefeiert von den Freienohlern, passte freilich nicht dem Herrn Ober-Schul-Inspeteur, dem Pfarrer. Sein Beschwerdebrief ist nachlesbar im EBAP und im Stadtarchiv Meschede in Grevenstein. Ein Machtspektakel. Selbstverständlich standen die Friggenohler auf Seiten ihrer Schützenkönigin!
Noch ein Beispiel für unser Nachbarschaftsfest auf dem Pausenhof. Eine Erinnerung an zwei Frauen: an eine Buiterling und an eine Eingeborene, an die Lehrerin Franziska Kenter II und an Schwester Johanna. Die Tante Maria Franziska Kenter I aus Westönnen war 42 Jahre lang Lehrerin, davon zuletzt 13 ½ Jahre in Freienohl in unserer Alten Schule. Ihre Verwandte und Patin war Franziska Kenter II, 1888 – 1963, geboren und gestorben in Westönnen. In der Nazi-Zeit 1933 – 1945 war sie bei uns in Freienohl Lehrerin, in der Alten Schule und auch in der Neuen Schule, dem späteren Feuerwehrhaus an der Hauptstraße. Lehrerin Kenter II, so hieß sie immer bei uns, war nicht verheiratet. Glücklicherweise hatte sie eine Freundin: Schwester Johanna. Wer die war, wussten alle, aber nicht die Freienohler Archiv-Akten. Mehrere mögliche Schwestern-Orden wurden angemailt. Aber: „Um die Zeit gab es von uns in Freienohl keine Sr. Johanna.“ Was war denn passiert? Hier kurz gefasst (im Groß-Kapitel „Unsere Schule in Freienohl“ ausführlich). Die selbstverständlich nationalsozialistisch organisierte Regierung in Arnsberg und Freienohl hatte Lehrerin Kenter II aufgefordert, ihre „Frohschar“, die katholische Mädchen-Organisation in den BDM zu überführen, in den NS – Bund Deutscher Mädchen. Genauso aufgefordert wurde Schwester Johanna. Sie sollte das mit der Lehrerin gemeinsam leisten. Die Beiden machten das nicht. In den Akten steht nachlesbar: „Die Lehrerin wusste ihre Wühlarbeit geschickt zu verschleiern… Bei Wanderungen mit ihrer Klasse hat sie den NS-Wander-Wimpel nicht mitgenommen, sondern gleich am Anfang bei Nachbarn abgestellt.“ Zur Strafe wurde Lehrerin Kenter II versetzt, abseits, nach Kallenhardt. Sie war ja auch eine Frau. Ähnlich verhielt sich Lehrer Heinrich Walter bezüglich der HJ, der Hitler-Jugend, der männlichen Parallele zum BDM.  Das HJ-Heim war das kleine, damals gelbe Häuschen im Langel, rechts von der Firma Bredt. Lehrer Walter wurde nicht versetzt. Er war ja ein Mann. Johanna passierte nichts. Ihr Bruder Joseph Kückenhoff war führendes Mitglied in der NSDAP. Psycho-Politik.
Zeitgleiche Nachbarschafts-Kultur dank der Alten Schule auf dem Pausenhof: Listig vermeiden zwei Freienohlerinnen den Hitler-Gruß. Ehemalige Schülerinnen von Fräulein Kenter II in der Alten Schule. 1935 wurden sie beim Freienohler Bürgermeister angezeigt, sie machen keinen „richtigen Hitlergruß“! Sie würden ihren rechten Arm mit ausgestreckter Hand nicht ganz gerade und hoch halten und nicht richtig „Heil Hitler“ sagen. Der Bürgermeister gab den Vorwurf weiter nach Arnsberg und die Frauen mussten dahin zum Amtsgericht. Dort sollten sie den Hitlergruß einmal vormachen. Fast wörtliche Rede in der Protokoll-Akte: „Das schafften sie nicht. Kaum bis zur Gürtellinie. Ihr Gesicht verzerrte sich schon. Sie seien auch älter und sie hätten Gicht in den Armen. Der Richter war sehr beeindruckt. Die Frauen konnten unbestraft wieder zurück in die Freiheit Freienohl.“ Die Namen in Freienohl und Arnsberg und die Akten-Nummern sind hier ausgelassen.
Hat unser Hl. Nikolaus von nebenan auch etwas zu tun gehabt mit unserem Nachbarschaftsfest? Klar. Gewiss hat er den Humus vorbereitet. Der belegt die Weisheit der Frau Professorin Dr. Barbra Hanna Gerl-Falkovitz: „Geschichte ist der Humus, auf dem die Zukunft wächst.“
Wann dieses wunderbare, – Wunder tragende – , Nachbarschaftsfest zu Ende war? Das wissen nur die anführenden und alles wieder blitzblank sauber machenden Damen und Herrn vom „Förderverein Freiheit Freienohl“
Text: Heinrich Pasternak
Fotos: Erich Eickelmann