Heimat-Kult(ur)erbe Bullenhalle

🖊️ Ellen Sonneborn  📷 S. Droste

Das hätte ich mir nie träumen lassen. Ich sitze in einer Viehauktion. Einer richtig „kultigen“ Viehauktion. In einer richtig kultigen Location. Halle Sauerland. Bullenhalle! Trotz Digitalisierung, Internetauktionen und Kleinanzeigenportalen gibt es sie noch, die Events der anderen Art. Eine Mischung aus Zeitreise und Michel aus Lönneberga. Hoffentlich werde ich nicht unbeabsichtigt eine verrückte Kuh ersteigern, die ich dann nach Calle treiben muss.

Traditionsgebäude von 1928

Das gelbe Eckgebäude am Kreisel an der Mescheder Lagerstrasse sieht auf den ersten Blick aus wie eine „gewöhnliche“ Kneipe, die evtl. eine Kegelbahn und/oder einen Tanzsaal beherbergt. Auf einem Schild über der Tür prangt der Schriftzug „Halle Sauerland“. Die Mescheder kennen sie als „Bullenhalle“. Und? Hand aufs Herz, wer war schon mal drin? Nein? Ich kann Ihnen sagen, Sie haben etwas verpasst.
So sieht es auch Dr. Josef Dissen, Geschäftsführer von Fleischrinder-Herdbuch-Bonn e.V. (FHB), Auktionator und regelmäßiger Gast in der Bullenhalle.
„Für mich ist das die schönste Auktionshalle Deutschlands“, sagt er begeistert. Verständlich. Denn die Fachwerkträger des Daches bestechen durch alte Zimmermannskunst anno 1928, die Tribünen aus Holz sind in den Nachkriegsjahren entstanden und die gepflasterte Arena im Zentrum der Halle unterstreicht den urigen Charme. Von der familiären Stimmung unter den Auktionsbesuchern ganz zu Schweigen. „Die Balken der Decke sind frei aufliegend und werden nur durch Spanndrähte und Spannbolzen gehalten. Eine statische Meisterleistung“, erklärt Helmut Brandenburg, der mit seiner Frau Doris Engel die urige und gutbürgerliche Gaststätte der „Halle Sauerland“ seit 27 Jahren betreibt.

Früher und Heute

„Hallen-Insider“ erzählen mir die wildesten Geschichten. Von Versteigerungen, bei denen Zuchteber, Sauen und Rot-Bunte Milchkühe über die Lagerstraße getrieben wurden. Von Bauern, die sich nach den Auktionen, gegenüber bei Landmaschinen Kleine, direkt einen neuen Trecker kaufen konnten. „Heute bekommst du gerade mal einen neuen Reifen für einen Zuchtbullen“, sinniert Norbert Kersting, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hallengenossenschaft. Von sieben- bis achttausend Tieren pro Jahr, die hier ihren Besitzer wechselten. Und heute? Heute finden noch immer acht Auktionen bzw. Schauen des FHB pro Jahr in Meschede statt, die es lohnt zu besuchen, um historisch angehauchte und charakteristische „Bullenhallen-Auktionsluft“ zu schnuppern.

Martinsmarkt, Zuchtbullen- und Absetzer*auktionen

Ich treffe Uwe. Uwe ist aus Kiel zur Herdbuch-Zuchtbullen-Auktion nach Meschede gekommen. „Sie kommen extra hierher, um einen Bullen zu kaufen?“, will ich wissen. „Nein, nur zum Gucken und Leute zu treffen“, antwortet er. Denn die Zuchtbullenauktion in Meschede ist die erste des Verbandes in jedem Jahr. Dann treffen sich Fleischviehhalter aus ganz Deutschland (und dem benachbarten Ausland) in der Mescheder Bullenhalle, um Geschäfte zu machen und zu fachsimplen. Die Halle ist gut gefüllt. Die Bullen naturgemäß „bullig“ und die Stimmung kaum zu toppen. Aber auch zum traditionellen Martinsmarkt in der Bullenhalle lohnt sich ein Besuch. Rasseschauen von West Highland Cattle und Blonde d’aquitaine inbegriffen. Die Absetzer-Auktionen finden in Meschede am häufigsten statt. Sechs Mal pro Jahr heißt es bei den Jungtieren: zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Und Dr. Dissen schwingt den Hammer.

Auktionsvorbereitung durch Hallengenossenschaft

„Um die Auktion durchführen zu können, bedarf es jeder Menge Vorbereitung“, erzählt Antonius Brüggemann. Der Bauer und Fleischrinder-Züchter aus Berge ist Vorsitzender der Hallengenossenschaft Versteigerungshalle Sauerland-Meschede/Ruhr eG. „Wir bauen auf, machen sauber, verpflegen die Tiere, streuen ein usw.“, erzählt er mit ungebrochener Begeisterung für die Bullenhalle „Wenn Absetzter-Auktion ist, stehen hier immerhin bis zu 500 Tiere“, ergänzt er.
Egal welche Veranstaltung: Die Viehversteigerungen/Schauen in der Mescheder Bullenhalle haben definitiv „Kultcharakter“ und sind unbedingt einen Besuch wert, WOLL!