Da können doch die Blagen nicks für

von Werner Beckmann
Herr Reindeutsch unterrichtet zur Zeit in der siebten Klasse am Gymnasium Deutsch
– früher hieß diese Klassenstufe „Quinta“. Schon fünf Minuten sind seit Unterrichtsbeginn vergangen, da geht die Tür auf – und Bickems Walter steht in der Tür. Er ist derjenige, der den weitesten Schulweg hat.
Der Lehrer sieht sich den Schüler ungehalten an. Da verteidigt sich der schon: „Da
kann ich nicht für, dass ich so spät komm, die Bahnschranke ging zu. Da haben wir lange drauf gewartet, bis die wieder aufging. Aber warum das so war, da weiß ich nichts von.“ Herr Reindeutsch stöhnt, und dann faucht er den Jungen an: „Sag mal, du bist Gymnasiast, und du redest so, als hättest du kein Deutsch gelernt!“ Der Walter glotzt den Lehrer an, und dann sagt er gedehnt: „Nee, da merk ich nichts von.“ Die Kinder merken, dass Herr Reindeutsch jetzt richtig böse ist. „Schon wieder völlig inkorrekt! Also, jetzt reicht’s. Absolut! Wir werden unsere Lektüre auf einen anderen Termin verschieben. Ich merke schon, dass ich euch erst einmal eine akzeptable Sprache beibringen muss.“
Die Klasse schaut mit Nase und Mund. Aber Herr Reindeutsch macht den seinen schon wieder auf. „So, jetzt gehen wir einmal das Kauderwelsch durch, das der Bickem von sich gelassen hat. Also: Da kann ich nicht für, behauptet er. Wie muss es richtig lauten?“ Schweigen in der Klasse – doch da hebt die Paula die Hand und sagt: „Dafür kann ich nicht! Alternative: Ich kann nicht dafür!“ Herr Reindeutsch gibt sich zufrieden. Aber fertig ist er noch nicht. „Ausgezeichnet. Dann das Nächste: Da haben wir lange drauf gewartet. Falsch. Richtig? Wieder ist es ein Mädchen, das aushilft, die Vera: „Darauf haben wir lange gewartet.“ Herr Reindeutsch wird noch freundlicher: „Vorzüglich. Und jetzt – da weiß ich nichts von. Könnte der Herr Walter Bickem selbst eine Korrektur anbringen?“ Der Walter ist ganz verlegen: „Davon weiß ich nichts … Oder: Ich weiß nichts davon.“
Herr Reindeutsch flötet leise durch die Zähne. „Aha. Also, er kann’s doch. Warum nicht sofort so? Woher hast du überhaupt diesen Mist?“ Der Walter wird hochrot, aber dann platzt er los: „Von unserer Heimatsprache! Wir sagen immer so: Do kann ick nicks fiär. Do heffey all lange drop wachtet. Do weirick nicks van! Un dät is Siuerländsk Platt!“ Herr Reindeutsch läuft im Gesicht rot an – aber er hält sich ruhig. „Ach so. Ihr könnt ja zu Hause so reden. Aber hier heißt es „Dafür kann ich nicht“ und nicht „Da kann ich nicht für“ und Ähnliches mehr. Dialekte und regionale Umgangssprachen sind im Unterricht nicht zugelassen. Da will ich nichts mehr von hören!“ In diesem Augenblick brüllt die Klasse vor Lachen. Warum wohl?
Die Conny erzählt nachher, und sie kann es vor Lachen kaum herauskriegen: „Bit niu heff ick glofft, dat ments de Ruiens bliëcken konnt. Awwer uëse Duitslehr, dei kann et äok. Uës well’e de Fehlers iutdreywen, awwer hei selwer mäket se!“ Der Heike, die aus Mainz zugezogen ist, muss der Walter das übersetzen: „Bis jetzt habe ich geglaubt, dass nur die Hunde bellen können. Aber unser Deutschlehrer kann das auch. Uns will er die Fehler austreiben, aber er selbst macht sie!“