Im Auge des Falken

🖊️ Ellen Sonneborn  📷 S. Droste
Da sitzen sie. Die majestätischen und geflügelten Schönheiten von René Rückheim, Achim Bücker und Manfred Ruppert. Floki, Molle und Kira: zwei Harris-Hawks (Wüstenbussarde) und ein Habicht. Anmutig und aufmerksam beobachten sie uns von ihren Plätzen aus, den sogenannten Sprenkeln. Wir sind im Garten des Olsbergers René Rückheim.

Hund Hella, Rene Rückheim und Floki, Achim Bücker und Kira, Manfred Ruppert und Molle (v.l.n.r.)


„Die Falknerei bzw. die Beizjagd ist eine der ursprünglichsten Formen der Jagd“, erklärt Falkner Manfred Ruppert. Der Mescheder betreibt das außergewöhnliche Hobby der Falknerei seit mehr als 45 Jahren und geht völlig darin auf. Wer sieht, welch innige Bindung der 79-Jährige zu seiner „Molle“ pflegt und wie „Molle“ auf seine Anwesenheit bzw. Stimme reagiert, bekommt ein tiefes Verständnis für diese Leidenschaft. Beschäftigt man sich mit der Historie der Falknerei/Beizjagd, so finden sich Aufzeichnungen und Abhandlungen aus zahlreichen Kulturepochen und Kulturkreisen. Auch wenn sich die tatsächlichen Anfänge der Beizjagd irgendwo in grauer Vorzeit verlieren, wird die Falknerei bereits 400 v. Chr. von griechischen Geschichtsschreibern beschrieben; in China sogar sieben Jahrhunderte vor Christus.
 

Immaterielles Weltkulturerbe

Floki im Trainingsflug mit einem „Balg“ (das ist eine Trainingsattrappe für Bodenwild – Kaninchen
– i.d.R ein gefülltes Kissen, das an einer Leine geschleppt wird)


Der Ursprung der Beizjagd liegt aber mit ziemlicher Sicherheit in Mittelasien. Schon Marco Polo erzählt in einem seiner Reiseberichte von etwa 10.000 Falknereien und Vogelstellern, die den Kublai Khan auf die Jagd begleiteten. Auch der Hunnenfürst Attila jagte mit abgetragenen Falken. Der berühmteste Falkenjäger war aber wohl Hohenstaufenkaiser Friedrich II. Er richtete selbst Falken ab und schrieb 1220 n. Chr. das bekannte Werk „Über die Kunst mit Vögeln zu jagen“ (de arte venanadi cum avibus). Die UNESCO nahm 2010 die Falknerei für mehrere Länder in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ auf. Die Falknerei in Deutschland wurde 2016 aufgenommen.
Wie kommt man als Sauerländer dazu Falkner zu werden? „Ich war schon als Kind Vogel-vernarrt. Mein Vater hatte Tauben, und ich weiß noch genau, welche Aufregung herrschte, wenn ein Vogel nicht zurück zum Schlag kam. Die Vermutung, dass ein Greifvogel die Taube geschlagen hatte, stand dann immer im Raum. Mich faszinierte das, meinen Vater weniger“, weiß Achim Bücker aus seiner Kindheit zu berichten. „Als dann vor Jahren in Nuttlar ein Turmfalke aus dem Nest gefallen war und zu einem Falkner gebracht werden musste, bin ich mit Manni in Kontakt gekommen. Da wurde mir klar, das möchte ich auch machen“, führt er fort. „Ich hör deine Worte heute noch“, wirft Ruppert ein, der seine Vogelpassion schlicht und ergreifend als Virus bezeichnet. „Das ist ein Virus, den wirst du nicht mehr los.“
 

Kette guter Erinnerungen

Wer einen Greifvogel halten will, benötigt aber nicht nur den „Falkner-Virus“, sondern sehr viel mehr. „Zunächst benötigen sie einen Jagdschein“, erörtert René Rückheim. „Das Gewehr können sie als Falkner nach Erlangen des Jagdscheins getrost in die Ecke stellen, aber ohne Fachwissen geht gar nichts. Sie müssen wissen, welche Eigenschaften die Tiere haben, wie man sie hält, was die Rechtsprechung sagt und wie man einen Vogel abträgt, ihn also an den Menschen gewöhnt und trainiert“, erklärt er. „Eigentlich ist alles eine Kette guter Erinnerungen“, ergänzt Ruppert. „Wenn der Jungvogel ausgefiedert ist, beginnen wir mit dem Training. Zunächst wird der Kontakt enger und stetiger. Dann beginnen wir den Vogel auf dem Falkner-Handschuh zu tragen. Dazu überbrücken wir die Scheu mit Futter (Atzung). Also entsteht eine Kette guter Erinnerungen. Tragen auf dem Handschuh gleich Atzung. Alle weiteren Lernprozesse, die der Greifvogel durchläuft, werden ebenfalls mit Atzung positiv verstärkt“, weiß der erfahrene Falkner und kann von einem seiner ehemaligen Schützlinge, einem Turmfalken berichten, der zwei Jahre nach seiner Auswilderung wieder zu ihm zurückkehrte und an der gewohnten Futterstelle auf seine Atzung wartete. „Er blieb ein paar Tage und flog dann wieder weiter“, erinnert er sich.
 

Trainingsflug übers Sauerland

Genug der interessanten, theoretischen Einblicke in die Falknerei. Wir wollen Molle, Kira und Floki fliegen sehen. Bereitwillig und routiniert besteigen die abgetragenen Greife ihre Autotransportkisten und wir fahren auf eine geeignete buchenbewaldete Anhöhe mit großer Wiese. „Eigentlich ist die Falknerei das falsche Hobby im Sauerland“, sagt René plötzlich. „Zu dicht bewaldet“, erläutert er. Nichtsdestotrotz lassen sich die drei Falkner in ihrer Leidenschaft nicht bremsen. Achim Bücker bringt es auf den Punkt: „Wir jagen nicht der Beute wegen, wir freuen uns über einen schönen Flug.“
Und in diesen Genuss kommen wir jetzt auch. Harris-Hawk Floki macht den Anfang. Schwupp, weg ist er und nimmt in einer Buche, auf etwa sieben Metern Höhe, einen guten und aussichtsreichen Platz ein. Mit höchster Aufmerksamkeit beobachtet er nun jede noch so kleine Bewegung. Das Signal von Falkner René ertönt, Floki begibt sich umgehend auf den Rückflug zum Lederhandschuh. Atzung. Kette guter Erinnerung. Beeindruckend. „Ich lasse Floki jeden Tag fliegen. Das ist ein gutes Training für ihn und mich. Ich habe ja auch eine Verantwortung übernommen“, sagt der Olsberger.
Nach Floki sind Kira und Molle dran. Nach ihren Ausflügen in die umliegenden Buchen kommen sie zurück zu ihren Falknern. Wieder Atzung. Wieder Kette guter Erinnerung. Einfach faszinierend, woll!?